Konsumentenunfreundlichkeit ist Trumpf
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/27
Der Kunde ist König - da lacht ja ein Ross! Wie wenig die Wirtschaft diverser Branchen tatsächlich vom Kunden hält, wurde kürzlich wieder einmal sonnenklar: Unter dem Deckmantel der Filmförderung hat sich die Unterhaltungsindustrie durch Einseifung der zuständigen Bundesorgane einmal mehr ein unglaublich kundenfeindliches Gesetz zusammenlobbyiert, dessen Haupteffekt die Umsatzverhinderung zu sein scheint. Das Verhinderungsobjekt sind all diejenigen Filmhändler vom Hitz in Zürich bis zur Musicbox in Basel, die es bis dato juristisch ungetrübt wagen durften, Video- und DVD-Produkte in Originalfassung direkt zu importieren. Damit ist nun Schluss, weil die genannten Händler kaum von jedem Hersteller explizit das Schweizer Vertriebsrecht erhalten dürften, wie es das Gesetz seit Anfang August vorschreibt. Pikantes Detail am Rande: Der kundeneigene Direktimport via Internet wird kaum tangiert - die Leidtragenden sind all jene, die gerne im Laden schmökern, sowie natürlich die Inhaber der betroffenen Geschäfte.
Das neue Filmgesetz, so löblich es in den übrigen Paragraphen auch sein mag, zementiert in seiner importverhindernden Sektion die offensichtlich panischen Verlustängste des hiesigen cineastischen Gewerbes: Es könnte ja sein, dass einige Leute bei einigen Gelegenheiten nicht ins Kino gehen, weil sie den betreffenden Film bereits vor dem Schweizer Kinostart auf DVD erworben haben und das heimelige Heimkino dem unbequemen Kinosessel samt popcorngeschwängerter Umgebungsluft und permanent kichernder Teenagercrowd vorziehen. Das ist Unsinn: Ein echter Filmfreak geht ins Kino und kauft sich die DVD, in irgendeiner Reihenfolge. Es wird kein einziges Kinobillett weniger verkauft, wenn eine Silberscheibe mehr über den Ladentisch geht.
Die juristische Angstzementierung folgt im übrigen eigentlich nur der technologischen: Schon beim Start des neuen Mediums haben sich die DVD-Produzenten ja in Form der Regionalcodierung einen höchst verbraucherfeindlichen schlechten Witz geleistet, der ins gleiche Horn stösst. Dankenswerterweise lässt sich die hardwareseitig implementierte Abspielverhinderung relativ leicht umgehen - die wenigsten DVD-Player in Schweizer Stuben dürften nicht "code-free" sein. Ärgerlich ist es trotzdem, zumal die Codierung auch beim PC-DVD-Laufwerk zuschlägt.
Das sind Foltermethoden, wie sie einer wirklich globalisierten Wirtschaft keineswegs anstehen - oder soll Globalisierung etwa heissen, dass die Anbieter auf der ganzen Linie profitieren, während dem Konsumenten die Zeche aufgebrummt wird?
Ich schlage nun den Bogen vom Entertainment zur Information Technology: Die Softwareindustrie ergeht sich seit Jahren in Klagen betreffend der ungeheuren Milliardenverluste, die sie durch Raubkopien erleidet. Im Gegensatz zu denen der Hollywood-Maschinerie haben diese Klagen durchaus eine gewisse Berechtigung: Durch professionelles Kopieren und nachmaliges Verkaufen der Kopien zu Schleuderpreisen schlagen die sprichwörtlichen Raubritter aus fern- und weniger fernöstlichen Richtungen tatsächlich erhebliche Dellen in die Umsätze und Gewinne der Softwarehersteller.
Dennoch kommen auch diese Klagen nicht ohne erhebliche Übertreibung aus: Es würde wohl nur ein Bruchteil der kopierten Software tatsächlich gekauft, wenn sie denn nicht kopierbar wäre. Der Rest der kopierenden User würde die Programme schlicht und einfach nicht nutzen, und statt dessen vielmehr zu einem billigeren Konkurrenzprodukt oder zur Open-Source-Alternative ausweichen. Es macht deshalb wenig Sinn, wenn die Industrie mit moralinsauren Kampagnen und der vollen Härte des Gesetztes den kleinen Einzeltäter vom schmutzigen Tun des Kopierens abzuhalten trachtet - die Grosskopierer fängt man so jedenfalls nicht. Statt dessen könnte man sich in den Chefetagen der Hersteller etwas realistischere Lizenzbedingungen einfallen lassen, z.B. die explizite Erlaubnis, ein Produkt sowohl auf dem Büro- als auch auf dem Heim-PC zu benutzen. Oder wie wäre es, Herren Microsoft, Symantec, Adobe, Macromedia und Co., mit einer konsumentenfreundlicheren Preispolitik? Standardsoftware ist heute eigentlich Massenware und sollte nicht mehr zu Luxuspreisen über den Ladentisch gehen.