Editorial

WLAN am Scheideweg


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/16

     

Geradezu notgeil haben sich Start-ups ebenso wie klassische Telcos in den letzten zwei Jahren auf den blutjungen Public-WLAN-Markt geworfen. Als dann noch Intel mit dem Centrino-Logo der öffentlichen Drahtlossurferei den amtlichen Stempel aufdrückte, gingen die Pferde endgültig durch: Überall dort, wo die Marketingstrategen die geeignete Klientel vermuteten, wurden in Windeseile Hotspots eingerichtet.
Der Massenerfolg blieb aus, Ernüchterung macht sich breit. Wie kürzlich verlautete, haben viele Hotspots nicht mehr als fünf Kunden pro Tag – für einen gewinnbringenden Betrieb viel zu wenig. Selbst Experimenten mit hohem Aufmerksamkeitswert wie zum Beispiel dem Hotspot in der Zürcher ETH-Zubringerbuslinie war kein messbarer Erfolg beschieden.
Im Grunde ist dies völlig unverständlich. Immer mehr Geräte vom Notebook bis zum Handy sind von Haus aus WLAN-fähig, der urbane Mensch wird immer mobiler und möchte auch unterwegs nicht auf die Annehmlichkeiten von E-Mail und Web verzichten. Mir geht es jedenfalls so. Eigentlich also beste Voraussetzungen für ein reges PWLAN-Interesse. Es gibt aber mehrere handfeste Gründe für die bisherige Kundenzurückhaltung. Allen gemeinsam ist eine katastrophale Fehlplanung der Anbieter.





Exorbitante Preise: Swisscom Mobile hat exemplarisch vorgemacht, wie es nicht laufen sollte. Mit einem Minutenpreis von 90 Rappen, wohlgemerkt für bestehende Handy-Abonnenten, war schon das Anfangsangebot kaum massentauglich. Selbst die Pseudo-Flatrate nach Überschreiten der 90-Franken-Grenze half da wenig; sie wurde ja inzwischen auch abgeschafft. Andere Anbieter mögen minim günstiger sein, am Prinzip ändert dies aber nichts: Die Preise müssen für eine breite Akzeptanz auf einen Bruchteil des heutigen Niveaus sinken.






Kompliziertes Handling: Rubbelkarten für Nichtabonnenten, per SMS übermittelte Einweg-Zugangscodes und eine Vielzahl anderer Autorisierungs- und Billing-Mechanismen machen den PWLAN-Einstieg unnötig schwierig. Eine wirklich funktionierende Roaming-Lösung gibt es trotz verschiedentlicher Anstrengungen der Anbieter nicht. Der Benutzer muss bei jedem Trip in unbekannte PWLAN-Gefilde mit neuartigen Hindernissen rechnen, zumal es an einem bestimmten Ort meist nur Hotspots eines bestimmten Providers gibt. Es bleibt zu hoffen, dass das kommende Angebot von Orange, das europaweit immerhin 8000 Hotspots umfasst, deutlich zur Behebung der Roaming- und Billing-
Misere beiträgt.





Falsche Zielgruppe: Bis dato haben die Telcos ihre PWLAN-Angebote auf Business-Kunden ausgerichtet. Das ist grundfalsch: Auf längere Sicht lässt sich mit Privatanwendern, die zu einem günstigen Stundentarif oder mit einer erschwinglichen Flatrate massenweise mobil surfen, sehr viel mehr Gewinn erzielen als mit ein paar Geschäftskunden, die kurz ihre E-Mails abrufen und dem Hotspot danach sofort den Rücken kehren. Dabei gilt wie überall: Die Masse macht's.
Ungeeignete Standorte: Kongresshotel, Flughafen und so weiter – der normale Mensch hält sich eher selten in solchen Umgebungen auf. Auch die bisherige Wahl der Hotspot-Standorte war ganz auf die zwar existierende, im Nutzeffekt aber nur wenig relevante Kravattenkundschaft ausgerichtet. Damit PWLAN richtig greift, müssen dort Hotspots vorhanden sein, wo man sich gerne und oft aufhält. Zum Beispiel in der Badi, im Park, im Bahnhof und im Zug. Und zwar durchgängig: Ich hoffe doch sehr, die SBB machen nicht den Fehler, die geplanten Onboard-Hotspots nur in der ersten Klasse zur Verfügung zu stellen. Wesentlich mehr brächten Spezialangebote für GA- und Halbtaxkunden.

(ubi)


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