PDA/Handhelds: Ständige Begleiter für die Westentasche
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/25
Die gute alte Agenda aus Papier hat bei weitem nicht ausgedient. Time/system und Filofax sind in Schweizer Managerkreisen nach wie vor ein Renner. Dennoch vertrauen immer mehr termingeplagte Mitglieder der arbeitenden Klasse auf einen persönlichen digitalen Assistenten. PDAs gibt es heute an jeder Ecke zu kaufen, und im Gegensatz zu früheren Versuchen - ältere Jahrgänge werden sich mit Schmunzeln an die kuriose Handschrifterkennung von Apples Newton erinnern - erledigt die aktuelle Gerätegeneration die ihr zugedachten Aufgaben auf benutzerfreundliche und wirklich praxistaugliche Weise.
Den digitalen Assistenten gibt es in zwei grundverschiedenen Varianten: Besonders taschengängig sind Geräte im Pocket-Formfaktor; es gibt sie von Palm, Handera, Handspring, Casio, Compaq, HP, Sony und Agenda.
Sie sind nicht mit einer real existierenden Tastatur ausgestattet: Sämtliche Eingaben erfolgen mit dem mitgelieferten Stift (englisch: Stylus) auf einem berührungsempfindlichen LCD-Bildschirm, auf dem entweder eine Software-Tastatur eingeblendet oder der Text handschriftlich erfasst wird. Der Bildschirm ist quadratisch oder hochformatig, hat je nach Gerät eine Auflösung von 160x160 bis 240x320 Pixel und stellt 16 Graustufen oder 256 bis 65'535 Farben dar. Die Bildschirme der Pocket-PCs sind allesamt hintergrundbeleuchtet, allerdings mit Unterschieden: Bei den Palm-Modellen zum Beispiel muss zur Aktivierung der Bildschirmbeleuchtung der Einschaltknopf länger gedrückt werden. Bei Graustufenmodellen wie dem M105 erscheint die Anzeige dann in merkwürdig anmutender Negativdarstellung.
Bei PDAs mit integrierter Tastatur spricht man vom Handheld-Formfaktor. Das zweite gemeinsame Merkmal der Geräteklasse ist das querformatige Display. Es ist ebenfalls berührungsempfindlich, so dass sich Eingaben entweder über die Tastatur oder direkt auf dem Bildschirm vornehmen lassen. Auch hier bietet der Markt verschiedene Auflösungen von 480x160 bis 640x240 Pixel und Darstellungsqualitäten von 16 Graustufen bis 65'535 Farben. Handheld-Geräte sind heute eher selten: Ausser HP offeriert nur noch Psion PDAs mit Tastatur; früher aktive Hersteller wie Sharp haben sich zurückgezogen.
Ganz vom Markt verschwunden ist der sogenannte Handheld PC Pro, den es noch vor Jahresfrist zum Beispiel von HP (Jornada 820) oder Compaq (Aero 8000) gab. Diese Modelle sahen mit Bildschirmauflösungen von 640x480 Pixel und grösseren Tastaturen aus wie ein Mini-Notebook und kosteten auch fast soviel - mit den eingeschränkten Möglichkeiten des Betriebssystems Windows CE boten sie jedoch zu wenig Leistung und Flexibilität fürs Geld und verkauften sich notorisch schlecht.
Im Gegensatz zur PC-Welt dominiert bei den PDAs nicht ein einzelnes Betriebssystem die Szene. Wie weiland bei DOS, CP/M und anderen heute exotisch anmutenden PC-Welten zerfällt der PDA-Markt in Geräte mit PalmOS, Windows Powered for Pocket beziehungsweise Handheld PC, EPOC und Linux.
Bei den Pocket-Modellen teilen sich PalmOS und Windows Powered for Pocket PC - früher Windows CE genannt - den Markt. Ein Exotikum ist der Agenda VR3, der unter Linux läuft.
Bis vor kurzem war Palm die klare Nummer eins; in den letzten Monaten holte die Microsoft-Seite stark auf. Aktuelle Gartner-Zahlen vermelden 620'000 innert zwei Monaten verkaufte Palm-Einheiten gegenüber 500'000 iPaq-PDAs von Compaq: Der Pocket PC verkauft sich immer besser.
Mit ein Grund für den zunehmenden Pocket-PC-Erfolg ist die stark gestiegene Qualität des Betriebssystems: Das Pocket-PC-Windows, aktuelle Version 3.0, ist klar stabiler, schneller und funktional vollständiger als bisherige Windows-CE-Varianten, die von Palm-Anhängern immer etwas belächelt wurden. Und Pocket PCs, allen voran der iPaq mit seinem 206-Megahertz-Prozessor und bis zu 64 Megabyte RAM, sind leistungsfähiger und mit mehr Speicher ausgestattet als PalmOS-basierte Geräte - ein Plus, auch wenn ein Teil der Mehrausstattung durch den höheren Ressourcenbedarf des Betriebssystems weggefressen wird.
Aber Palm kontert: Die neuesten Modelle basieren auf PalmOS 4.0, das mit Unterstützung für 65'535 Farben und verbesserten Sicherheitsfeatures glänzt. Die Neuerungen ändern allerdings wenig an der Gesamtleistung des Systems, und auch der Palm M505 bietet nur gerade 160x160 Pixel Bildschirmauflösung. Der einzige PalmOS-PDA mit mehr Anzeigefläche ist der Handera 330, der mit 240x320 Pixel die gleiche Informationsmenge darstellt wie der PocketPC-Standard, dies aber nur in Graustufen.
Die zwei grossen Pluspunkte der Palm-Welt: Zumindest ein Teil der Geräte ist kleiner, leichter und günstiger, und das Softwareangebot ist umfassender. Das leichteste Palm-Modell M500 zum Beispiel wiegt gerade mal 113 Gramm; der günstigste PDA überhaupt ist der Palm M100 zu 299 Franken. Demgegenüber schlägt ein Pocket PC mit mindestens 790 Franken zu Buche - der iPaq 3130 ist mit 164 Gramm gleichzeitig der leichteste Pocket PC. Bei den farbfähigen Geräten bieten Palm-Modelle weniger Preisvorteile: Der neue Palm M505 und der Visor Prism, beide ausgestattet mit 8 Megabyte RAM, kosten praktisch gleich viel wie der 32-Megabyte-iPaq von Compaq. Auch der Palm IIIc ist nicht gerade billig.
Punkto Softwarevielfalt hat die Palm-Gemeinde die Nase vorn. Es gibt keinen Anwendungsbereich, für den nicht irgendeine Palm-Lösung zu finden wäre. Laut Palm-Website existieren derzeit über 8000 Applikationen für das PalmOS. Eine Suche auf der dem Pocket PC gewidmeten Microsoft-Site liefert im krassen Gegensatz dazu eine schlanke Liste mit 80 Einträgen; etwas mehr Pocket-PC-Software findet sich bei spezialisierten Online-Händlern wie beispielsweise Handango oder Pocketgear.
Der Pocket PC holt seinen Software-Rückstand jedoch immer mehr auf: Performance-hungrigere Anwendungen wie eine Java-Runtime-Umgebung, der Windows Media Player oder der Flash-Player kommen mit der Palm-Leistung nicht aus. Der Pocket Internet Explorer bietet dem Websurfer eindeutig mehr als das Palm-typische Web Clipping, und die im ROM eingebrannten Pocket-Versionen von Word und Excel bieten zwar nur einen Bruchteil der Features der Desktop-Versionen, unterstützen aber wenigstens den nahtlosen Dokumentenaustausch. Auf der Palm-Plattform wird dazu eine separate Konversionssoftware wie Documents To Go von Dataviz benötigt. Dafür ist die Graffiti-Handschrifterkennung des PalmOS etwas zuverlässiger als der Microsoft-Transcriber. Interessant: Den Acrobat Reader von Adobe gibt es nur für PalmOS, ebenso die Mobile-Version der beliebten Datenbank FileMaker.
Wer einen PDA mit Tastatur bevorzugt, hat die Wahl zwischen den HP-Modellen mit Farbdisplay und Windows-Betriebssystem und den beiden Produktelinien Revo und 5mx von Psion. Die HP-Handhelds bieten mit Ausnahme der Tastatur und des grösseren Display mehr oder weniger die gleichen Funktionen wie ein Pocket PC. Für spezielle Anwendungen dürften der SmartCard-Support und das integrierte Modem des Jornada 720 interessant sein - allerdings hat das Gerät auch den stolzen Preis von mehr als 2000 Franken.
Die Psion-Modelle beschränken sich auf eine Graustufenanzeige, bieten aber hervorragende Kommunikationsmöglichkeiten. Der 5mx-Browser unterstützt Frames und Java; der Revo Plus und der 5mx Pro beherrschen WAP und SMS. Psion betont ausserdem, die Tastatur des 5mx erlaube das Tippen im Zehnfingersystem, was aber nur für zierliche Damenhände problemlos möglich ist. Ausserdem hat der 5mx auch gleich eine systemweite Rechschreibeprüfung mit Thesaurus eingebaut.
Generell sind Handhelds aber auf dem Rückzug. Der Pocket-Formfaktor ist einfach praktischer und genügt den Grundanforderungen an einen PDA voll und ganz: Termine, Aufgaben und Kontakte sind wohl die meistbenutzten Funktionen; den nächsten Bestseller wird kaum jemand auf einem Handheld schreiben. Mit Ausnahme des Revo sind die Handhelds überdies vergleichsweise teuer.
Ein PDA ist keine Insel, und als Hauptcomputer ist er schon gar nicht konzipiert. Dem Abgleich der PDA-Daten mit dem Desktop-PC kommt eine zentrale Bedeutung zu - alle Hersteller liefern dazu eine zumindest taugliche Lösung mit, die aus einer Hardwareverbindung und der passenden Synchronisationssoftware besteht.
Die Verbindung zwischen PDA und PC erfolgt entweder über ein Synchronisationskabel oder über eine Dockingstation, im Jargon oft Cradle (Wiege) genannt. Bei akkugetriebenen Modellen wird in der Dockingstation auch gleich die Batterie nachgeladen. Das Synchronisationskabel dagegen kann auch mal zum Einsatz kommen, wenn der PDA unterwegs mit dem Notebook synchronisiert werden soll.
Noch immer werden einige PDAs mit einer seriellen Dockingstation ausgeliefert. Dies ist doppelt ärgerlich: Zum einen erweist sich die serielle Verbindung nicht gerade als bahnbrechend stabil, zum anderen ist USB schneller und flexibler. Da seit Jahren jeder PC und jedes Notebook USB untertstützt, ist es völlig unverständlich, wieso nicht alle Geräte von vornherein mit einer USB-Dockingstation ausgestattet sind.
Bei der Synchronisation gibt es Unterschiede zwischen der Palm- und der Pocket-PC-Welt. Die ActiveSync-Software, Standard bei den Microsoft-basierten PDAs, ist naturgemäss nur für Windows-Desktops verfügbar. Mac-Anwender bleiben aussen vor. In der Grundausstattung ermöglicht ActiveSync den direkten Datenaustausch nur mit Desktop-Anwendungen der MS-Office-Familie; Outlook 2000 ist denn auch im Lieferumfang enthalten. Wer seinen Pocket PC mit anderen PIMs abgleichen will, muss die Daten vor der Synchronisation in einem Office-Dokument speichern, in Outlook importieren oder eine Synchronisationslösung wie Intellisync von Puma oder XtendConnect von Extended Systems dazukaufen.
Geräte auf Palm-Basis synchronisieren in erster Linie mit dem eigenen Palm Desktop, den es für Windows und MacOS gibt. Optional gestattet der Palm-Hotsync-Vorgang auch den Abgleich mit Outlook; für weitergehende Möglichkeiten wird wie beim Pocket PC ein separates Produkt benötigt.
Die grössten Differenzen zeigen sich bei den Erweiterungsmöglichkeiten: Von einheitlichen Standards kann mit Ausnahme der USB- oder seriellen Synchronisation sowie der omnipräsenten Infrarot-Schnittstelle nicht einmal innerhalb der PDA-Systemplattformen die Rede sein. Praktisch jedes Gerät hat seine eigene Kombination von Erweiterungsslots und Optionen.
Palm offerierte zum Anschluss von Peripherie bis vor kurzem ausschliesslich den Steckplatz, der auch für die Synchronisation verwendet wird. Damit lassen sich Accessoires wie Modems, eine faltbare Tastatur, die Palmpix-Digicam von Kodak, ein Visitenkartenscanner oder verschiedene GPS-Module verbinden. Diese Add-ons funktionieren allerdings nur mit älteren Palm-Modellen; schon die M100-Serie unterstützt die meisten davon nicht mehr. Einzig die Tastatur ist für alle Modelle erhältlich, aber leider in verschiedenen Ausführungen. Bei einem Modellwechsel muss jeweils auch die Tastatur neu gekauft werden - ärgerlich!
Die aktuellsten Palm-Modelle M500 und M505 warten zusätzlich mit einem integrierten Slot für Multimedia-Cards (MMC/SecureDigital) auf. Im Moment bietet Palm dazu kompatible 16-Megabyte-Speicherkarten und Sofwaretitel wie Reiseinformationen und Wörterbücher an; die Zukunft soll weitere Optionen bringen, darunter auch den Anschluss von Peripheriegeräten.
Handspring hat in seinen Visor-Modellen einen unternehmenseigenen Steckplatz-Standard namens Springboard etabliert. Für den Springboard-Slot, in allen Visor-Modellen vorhanden, existiert eine Vielzahl von Modulen von Speichererweiterungen bis zum elegant anschnappbaren GSM-Telefon - letzteres ist mit einem Preis von 329 Pfund beim englischen Online-Händler allerdings nicht gerade billig. Zudem bleibt der Käufer mit einem Springboard-Modul in der Handspring-Welt gefangen; der Springboard-Slot findet sich bei keinem anderen Hersteller.
Der zweite Palm-Mitbewerber Handera integriert in seine Geräte sowohl einen CompactFlash-Slot vom Typ II als auch einen MMC/SecureDigital-Slot und bietet damit viel Raum für Speicher- und Software-Erweiterungen. Dass Sony auf den hauseigenen Memory Stick setzt und im interessant gestylten Clié keine weiteren Slots anbietet, liegt auf der Hand. Ein nettes Detail beim Sony-Modell, in ähnlicher Form auch beim Handera 330 zu finden, ist das Jog Dial, mit dem sich viele Gerätefunktionen bequem bedienen lassen.
Die Pocket-PC-Fraktion bietet ein ähnlich disparates Erweiterungsspektrum. Das multimedia-orientierte Cassiopeia-Modell EM-500 kommt mit MMC-Slot, während der fürs Business positionierte E-125 CompactFlash unterstützt. Die Jornadas von HP begnügen sich mit einem Typ-I-CF-Slot, der sich für Speicherkarten, nicht aber für das IBM Microdrive eignet. Die flexibelsten Erweiterungsmöglichkeiten bietet der iPaq vom Compaq mit den sogenannten Jackets: Optional lässt sich das ansonsten sehr schlanke und elegante Gerät in etwas klobige Expansion Units einschieben, die je nach Variante einen Compact-Flash- bzw. einen oder zwei PC-Card-Slots enthalten. Der iPaq unterstützt auf diese Weise die direkte Datenübernahme von Digitalkameras, Wireless-LAN-Karten von Compaq, das Nokia Cardphone, das IBM Microdrive, das Pocket-Zip-Laufwerk von Iomega und zahlreiche andere PC-Card- oder Compact-Flash-basierte Lösungen. Die Energie für Erweiterungskarten, die etwas mehr Strom verbrauchen, stellt ein in der Expansion Unit eingebauter zweiter Akku bereit. Achtung: Ohne Erweiterungseinheit bietet der iPaq keinen Erweiterungsslot; der Anwender muss dann mit dem integrierten RAM auskommen.