Harddisks im World Wide Web
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/05
Das Online-Geschäft boomt. Praktisch täglich verkündet irgendjemand aus der IT-Branche einen neuen Online-Dienst. Dazu zählt auch Microsoft. Vor kurzem hat der Softwarehersteller sein Online-Portfolio mit Windows Live SkyDrive erweitert. Dabei handelt es sich um eine Online-Harddisk, auf der Dokumente, Fotos, Filme, Musik und alle anderen Dateien aufbewahrt werden können.
Das Microsoft-Konzept ist nicht neu: 1999 bereits wurde die Firma Xdrive gegründet. Sie bot damals als Pionier Speicherplatz im Internet an. 2005 wurde Xdrive von AOL übernommen.
Seit einiger Zeit gibt es auch von Apple ein Internet-Storage-Angebot, die iDisk. Sie ist 10 GB gross, Teil der kostenpflichtigen .Mac-Dienste und funktioniert auch auf Windows-Systemen.
Zudem existieren weitere kostenlose Online-Harddisks wie beispielsweise Freevix.org. Auch Netzbetreiber wie Green.ch, T-Online und einige andere bieten Speicherplatz im Web an. Und nicht zuletzt kursieren seit Monaten Gerüchte, dass auch Google heftig an einer Online-Festplatte arbeite. Grund genug für uns, einmal zwei Online-Harddisks, das «alte» Xdrive und den «Jung-spund» SkyDrive, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Als erstes widmen wir uns der Xdrive, der Online-Harddisk von AOL. In der kostenlosen Ausführung bietet sie 5 Gigabyte Speicherplatz. Einzige Bedingung, um von diesem Angebot profitieren zu können: Man muss im Besitz eines AOL oder AIM Screen Name sein und Englisch beherrschen. Denn bereits auf der Startseite stellt man fest, dass es Xdrive nur in Englisch gibt. Weiter fällt einem unten auf der Seit direkt ein «schönes» Werbebanner auf.
Xdrive ist in zwei Versionen erhältlich: Browserbasiert als Classic oder in der vor kurzem erschienenen Betaversion Desktop Lite. Letztere dient dazu, die Online-Harddisk direkt in den lokalen Arbeitsplatz zu integrieren. Das ist recht praktisch, so benötigt man keinen Browser mehr. Man zieht einfach per Drag&Drop die Dateien aufs SkyDrive-Laufwerk, das als Festplatte mit eigenem Laufwerks-Buchstaben angezeigt wird.
Die Browser-Lösung startet in einem Pop-up-Fenster. Die Startseite ist wie der Windows-Explorer gegliedert. Man findet acht vorgegebene Ordner zur Datenablage. Die kann man beliebig löschen, verschieben oder umbenennen. Dazu markiert man einfach den Ordner und wählt aus den oben auf der Seite angeordneten Werkzeugen eines aus. Aber Vorsicht: Einmal gelöscht, ist gelöscht. Es gibt keine Papierkorbfunktion!
Der Upload funktioniert mit Xdrive relativ simpel: Man klickt in der Toolbar auf den «Upload»-Button. Dann folgt wieder ein Pop-up-Fenster. Dort hat man die Auswahl zwischen einem Basic-Upload und einem Accelerator Plus Upload, der allerdings ein Java-Plug-in voraussetzt. Nun kann man nach Files und Ordnern auf der lokalen Harddisk suchen und die der Upload-Liste, die beliebig lang sein kann, hinzufügen. Auch die Grösse der einzelnen Dateien ist nicht limitiert. Die hochgeladenen Files können danach mittels «Move»-Button frei auf der Online-Harddisk verschoben werden.
Der Upload funktioniert recht flüssig, und die Navigation in Xdrive hat man nach ein paar Versuchen im Griff. Störend sind einfach die vielen Pop-ups, vor allem wenn man einen Blocker dafür installiert hat.
Hat man schliesslich eine Datei hochgeladen, dann bietet Xdrive drei verschiedene Ansichtstypen: Liste, Symbole oder für Bilder Miniatur. Letztere funktionierte im Test allerdings nicht immer. Scheinbar muss man Bilder nach dem Hochladen manchmal neu indexieren. Das kann man über den Button «Properties» tun.
Die auf Xdrive gehosteten Files kann man mit den Funktionen «Send File» oder «Share Folder» auch anderen Usern zugänglich machen. Betätigt man einen der beiden Buttons, kann man eine E-Mail abschicken. Der Empfänger erhält dann einen Link zu den Dateien oder Ordnern, die man ihm zur Verfügung stellt. Bei Ordnern kann man angeben, welche Berechtigungen der andere Nutzer hat. Das reicht vom simplen «read-only» bis hin zum kompletten Zugriff, wo man nicht nur anschauen, sondern auch verändern und löschen kann. Die Ordner erscheinen dann bei den «Shared Items». Die Freigabe funktionierte im Test, das Mail mit dem Link liess allerdings jeweils rund 30 Minuten auf sich warten.
Ganz nützlich und einfach zu bedienen ist auch die Suchfunktion, um die gespeicherten Dateien schnell zu finden. Ebenfalls interessant, aber nicht getestet, ist die Auto-Copy-Funktion, die es mit der Zusatzsoftware Xdrive Desktop gibt. Mit ihr lassen sich bestimmte Ordner von der lokalen Harddisk automatisch online sichern.
Daneben hat Xdrive noch viele weitere Funktionen, die von uns nicht genauer untersucht wurden: Man kann beispielsweise Attachments direkt aus den AOL-E-Mails in Xdrive kopieren, Musik direkt im Web abspielen, Bookmarks importieren und vieles mehr.
Wie schlägt sich das eben erst aus dem Beta-Status hinausgewachsene Windows Live SkyDrive? Auf den ersten Blick unterscheidet es sich kaum von Xdrive: Die Online-Harddisk von Microsoft bietet ebenfalls 5 Gigabyte Speicherkapazität und wie bei AOL ist sie gratis, sofern man im Besitz der kostenlosen Windows Live ID ist. Erhältlich ist SkyDrive auch in Deutsch.
Man sieht sofort, dass die Oberfläche von SkyDrive anders ist als die von Xdrive. Etwas freier, übersichtlicher. Es gibt keinen «Stammbaum», oben prangert ein Werbebanner. Man hat immer nur eine Ebene/Prozess im Blick. Es gibt auch keine grosse Button-Liste. Die erscheinen immer nur dann, wenn sie gebraucht werden.
Man startet mit vier persönlichen Ordnern und einem öffentlichen. Wie beim Konkurrenten lassen auch sie sich löschen. Jedoch nicht verschieben. Einen Papierkorb sucht man hier ebenfalls vergebens. Wenn man nun etwas uploaden will, kann man entweder zuerst in einen Ordner gehen oder direkt auf der Startseite den Button «Dateien hinzufügen» anklicken und dann den Bestimmungsort wählen. Es ist wichtig, dass man von Anfang an den richtigen Speicherort wählt. Eine Verschiebefunktion, wie es sie in Xdrive gibt, sucht man in SkyDrive nämlich vergebens.
Uploaden kann man als Standard fünf Dateien gleichzeitig. Die maximale Grösse pro File beträgt dabei leider nur 50 Megabyte, was ein Nachteil gegenüber Xdrive ist. Wer Active-X aktiviert hat, sollte sich unbedingt das angebotene Zusatz-Uploadtool installieren. Es ermöglicht, Files direkt per Drag&Drop aus einem Ordner ins Browserfenster zu ziehen und so hochzuladen. Zudem ist dann die Anzahl der Files, die auf einmal transferiert werden, unbegrenzt. Das entschädigt dafür, dass es von Microsoft für SkyDrive noch keine Integration als virtuelle Festplatte im lokalen Arbeitsplatz gibt.
Der Upload funktioniert mit SkyDrive geschmeidiger als mit Xdrive. Einen Teil dazu trägt die angesprochene Drag&Drop-Funktion bei. Zum anderen gibt es keine Pop-ups, es findet alles in ein und demselben Fenster statt. Ist das File allerdings einmal hochgeladen, lässt der Komfort nach: SkyDrive hat nämlich nur vordefinierte Ansichtsoptionen, man kann also nicht auswählen. Immerhin ist das bei Bildern die Miniaturansicht, und die funktioniert hier auch einwandfrei.
Als umfangreicher und flexibler im Vergleich zu Xdrive stellten sich im Test die Share-Möglichkeiten dar. Einzelne Dateien werden in SkyDrive nicht via integrierte Mail-Funktion freigeben. Man findet dafür zu jeder Datei, wenn sie angeklickt wird, unten in den Properties eine Möglichkeit zur direkten Verlinkung.
Ganze Ordner gibt man ebenfalls nicht mit einer Mail-Funktion frei, sondern erstellt einfach einen neuen Ordner. Dort kann man auswählen, ob er für alle oder nur für ausgewählte Benutzer sichtbar sein soll. Wählt man Letzteres, kann man für jeden Benutzer separat die Berechtigungen (Leser oder Editor) setzen.
Ein weiteres interessantes Feature von SkyDrive ist die Einbettfunktion von öffentlichen Ordnern in Websites oder Blogs. Dafür muss man im Ordner nur den Button «Einbetten» anklicken und aus drei Bildern auswählen, die man dann via HTML-Markup in den eigenen Code einbinden kann.
Microsofts Windows Live SkyDrive überzeugt durch einige, gute Share-Funktionen wie das Direct-Linking und die Einbettfunktion sowie durch die einfache Bedienung. Im Vergleich zu AOLs Xdrive ist sein Funktionsumfang aber noch recht begrenzt. So fehlt beispielsweise ein Tool zur Integration der Online-Disk in den lokalen Arbeitsplatz. Auch die Funktionen zum Verschieben von Ordnern oder die Suche werden vermisst. Für User, die mit grossen Dateien zu tun haben, könnte zudem die maximale File-Upload-Grösse zu einem Problem werden. Testsieger ist deshalb Xdrive, trotz der umständlicheren Pop-up-Navigation und nur in englischer Sprache.
Zwei Online-Speicherdienste im Vergleich