Editorial

Das Web 2.0 als globale SOA?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/05

     

Einer der grossen Trends des Web 2.0 ist, dass immer mehr Website-Betreiber ihre Angebote mit öffentlich zugänglichen Programmierschnittstellen (auch APIs oder Web Services genannt) ausstatten. Die Website ProgrammableWeb.com, eine der wichtigsten Anlaufstellen in Sachen Web-API, listet derzeit 395 solcher Web-Schnittstellen auf, Tendenz steigend. Das Angebot reicht von den allseits bekannten Mapping-Diensten à la Google Earth über Verifikations-Services (etwa für E-Mail, Postadressen oder Kreditwürdigkeit) bis hin zu Storage-Angeboten und Search-Funktionen (siehe dazu unseren Web-2.0-Schwerpunkt ab Seite 35).



Die Vorteile eines solchen globalen Selbstbedienungsladens liegen auf der Hand: Entwickler sind in der Lage, wichtige Applikationskomponenten mit weniger Zeitaufwand in ihre eigenen Lösungen einzubauen. Ausserdem können Aufgaben (z.B. ein Payment-Service), die nicht zum Kerngeschäft gehören und die kaum oder nur mit enormen Aufwand hätten realisiert werden können, an einen spezialisierten Anbieter ausgelagert werden. Wie so etwas geht, machen die vielen im Web verfügbaren Mashups vor. Das sind Web-Applikationen, die durch Kombination zweier oder mehrerer Web Services neue Anwendungen entstehen lassen. Aus einem Mix aus Google Maps, Flickr und eigenem Content würde dann beispielsweise ein virtueller Reiseführer entstehen.




Mausert sich das Internet dank Web 2.0 nun zur globalen SOA, aus dessen Service-Angebot sich Unternehmen künftig beliebig bedienen und ihre Anwendungen mit öffentlichen Diensten erweitern können? Im Prinzip ja. Allerdings sollte man nun keinesfalls der Verlockung verfallen, in wilder Manier Services in die eigene Anwendung zu integrieren, um auf die Schnelle einen Mehrwert zu erzielen. Schliesslich sind die Anforderungen, die an eine Applikation oder eine Website eines Unternehmens gestellt werden, weit anspruchsvoller, als dies bei den doch meist eher experimentellen Anwendungen aus der Mashup-Szene der Fall ist.



Wer einen Web Service nutzen will, muss sich auch dessen Risiken und Nachteile bewusst sein. Einer davon ist, dass man eine gewisse Abhängigkeit in Kauf nehmen muss. So kann der Dienst temporär nicht verfügbar sein oder gar nach einer gewissen Zeit wieder eingestellt werden. Letzteres kann auch bei Angeboten nicht ausgeschlossen werden, die nicht von einem kleinem Startup, sondern von etablierten Firmen wie Google, Amazon oder Yahoo stammen. Denn auch grosse Anbieter behalten sich vor, Angebote wieder einzustellen, wenn sie keinen oder nicht genügend Profit abwerfen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Abhängigkeit und das damit verbundene Risiko mit jedem zusätzlichen Dienst erhöht wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass man je nach Service gezwungen ist, kritische Daten (z.B. Angaben über Kunden) ausser Haus zu geben. Je nach API ist auch die Implementation nicht immer ganz einfach, was den Vorteil bezüglich Time-to-Market und Kostenaufwand möglicherweise schmälern kann.



Die neuen Möglichkeiten der Web-2.0-APIs sind bestechend und die darum entstandene Euphorie mag berechtig sein. Deren Einsatz muss aber erst sorgfältig durchgedacht werden. Eine genaue Abwägung von Chancen und Risiken, eine solide Applikations-Architektur, ein Backup-Plan für ein allfälliges Worst-Case-Szenario und eine genaue Prüfung des Anbieters sind dabei unabdingbar.




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