Der lange Marsch zum integrierten IT-Management

Für den CIO ist das Dashboard, das ihm den Zustand seiner ganzen Abteilung anzeigt, frühestens in zwei, drei Jahren Realität.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/20

     

In vielen Geschäftsfeldern und Abteilungen grosser Unternehmen sind sogenannte Dashboards oder grafische Armaturenbretter bereits Alltag. Sie bieten dem Management eine übergreifende Sicht auf Geschäftsvorgänge in Echtzeit und erlauben es dadurch, umgehend korrigierende Massnahmen einzuleiten. Laut einer Untersuchung der Marktforscher von Forrester Research mangelt es ausgerechnet in der IT, die solche digitalen Armaturenbretter für andere Geschäftsfelder entwickelt hat, an vergleichbar übergreifenden Dashboards. Weltweit sind die IT-Manager in Grossfirmen frustriert, weil sie keinen faktenbasierten Überblick über die IT-Aktivitäten haben. Die CIOs geraten nach wie vor in Verlegenheit angesichts sehr grundlegender Fragen wie «Woran arbeitet jeder einzelne Mitarbeiter genau?» und «Weshalb muss mehr Geld in dieses Projekt gesteckt werden?».


Einsparungen bis 30 Prozent

Zwar bieten diverse Hersteller schon seit geraumer Zeit Werkzeuge für die Überwachung und Verwaltung von Projekten, Applikationen und IT-Infrastrukturen an. Was fehlt, ist aber eine komplette Lösung, die alles in den Blick bringt. Forrester schätzt, dass es noch zwei bis drei Jahre dauert, bis solche Gesamt-Dashboards für die IT-Verantwortlichen verfügbar sind. Die Marktforscher sprechen im Hinblick darauf von integriertem IT-Management (IIM). In ihrer Studie «Integrated IT Management Drives Efficiency» definieren sie IIM wie folgt: Eine Sammlung von Werkzeugen und Prozessen, die Einblicke in die IT-Aktivitäten auf Dashboard-Ebene gewähren. Dabei werden die Auflistung und Verteilung von Arbeitsanfragen an die IT zentralisiert. Zudem wird die Anschaffung und Nutzung von Ressourcen gemäss den Geschäftsanforderungen ermöglicht, was die heute in der IT übliche Verschwendung von Finanzmitteln massiv reduziert. Unter dem Strich prophezeien die Auguren dem IT-Management Budget-Einsparungen
von 30 Prozent bei einer Wertsteigerung von 10 bis 15 Prozent – dies im ersten Jahr, in dem ein ausgereiftes IIM-Dashboard eingesetzt wird. Als Forrester-Analyst
und Mitautor der Studie Thomas Mendel diese Prognose unlängst am von Compuware veranstalteten Executive Breakfast in Baden
wagte, löste er bei den anwesen-
den Managern doch einiges Erstaunen aus.


Auf den Building Blocks aufbauen

Zwar ist eine komplette IIM-Dashboard-Technik noch nicht erhältlich. Forrester weist aber darauf hin, dass eine solche die natürliche Weiterentwicklung heute existierender Anwendungen in Project Portfolio Management (PPM), Application Portfolio Management (APM) und Enterprise Infrastructure Management (EIM) sei. Allianzen zwischen Herstellern von derartigen Verwaltungswerkzeugen würden der Realisierung von IIM einen ersten Schub verleihen. Mit IIM wird es dereinst möglich sein, aus den drei individuellen Datensilos von PPM, APM und EIM jeweils zusammenfassende Informationen zu beziehen. Zudem wird IIM Links zur Verfügung stellen, über die tiefer in die einzelnen Repositories hineingeschaut werden kann (drill-down). Die drei Verwaltungslösungen bezeichnet Forrester auch als Building Blocks für ein künftiges IIM. Sie spielen darin unterschiedliche Rollen:


• PPM wirft sozusagen einen Blick in die Zukunft. Das heisst, mit PPM-Applikationen werden die Priorisierung von, die Ressourcen für sowie die Interdependenzen zwischen Projekten und Projektinitiativen verwaltet. PPM beinhaltet somit immer auch ein zentrales Repository mit Informationen über geplante Projekte, vorhandene Ressourcen, den Wissensstand und die Fähigkeiten dieser Ressourcen, laufende Aktivitäten sowie Fertigstellungs- und Liefertermine. Diese Informationen kombiniert mit den Daten aus dem IT Portfolio Management (ITPM), das ein Bild der IT aus rein planerischen und strategischen Gesichtspunkten zeichnet, und den Vorgaben aus dem Nachfrage-Management versetzen das Project Management Office in die Lage, seine Projekte entsprechend den vorhandenen Ressourcen und den Budget-Engpässen zu planen und zu realisieren. Die Implementierung eines PPM ist durchaus ein Unterfangen, das mehrere Jahre dauern kann. Dennoch berichtet Forrester von einem grossen, weltweit tätigen Finanzdienstleister, der bereits im ersten Jahr damit fünf Millionen Dollar einsparen konnte – in erster Linie durch die Anpassung der Mitarbeiterzahl und die Eliminierung von redundanten Projekten.


• APM wiederum analysiert und optimiert die Ressourcen und Ausgaben, die für den Unterhalt von existierenden Applikationen aufgewendet werden. Dabei wird der Quellcode gelesen, um die Beziehungen zwischen den unzähligen Anwendungs-Bestandteilen (Artifacts) aufzuzeichnen und darauf aufbauend eine Impact-Analyse zu ermöglichen. Aus der daraus entstehenden Application Knowledge Base lassen sich Metriken wie Anwendungsgrösse, Artifacts-Inventar und Applikationskomplexität direkt aus dem Quellcode entwickeln. Zusammen mit den Informationen über Arbeitskosten können daraus ziemlich exakt Aufwand und Gesamtkosten für die existierenden Applikationen ermittelt werden. Laut Forrester hat beispielsweise die spanische Fluggesellschaft Iberia mit APM die Applikations-Unterhalts- und Wartungskosten zwischen 20 und 30 Prozent senken können.




• EIM schliesslich überwacht die IT-Infrastruktur-Ressourcen, die von den unterschiedlichen Applikationen zu einem bestimmten Zeitpunkt beansprucht werden. Zu EIM zählen auch Bestandsverwaltung, Change- und Konfigurations-Management sowie die Verwaltung der verschiedenen Service Levels. Wie APM bietet auch EIM einen Überblick über die Applikationslandschaft eines Unternehmens – allerdings aus der Infrastrukturperspektive. Gemäss Forrester konnte ein europäischer Finanzdienstleister aufgrund des Inventars, das mit EIM erstellt wurde, allein bei den Software-Lizenzen rund 30 Prozent oder 12 Millionen Euro einsparen.
Angesichts der Breite und Tiefe der in diesen Silos enthaltenen Informationen ist es einleuchtend, dass ein IIM, das alle drei umfassen und untereinander verbinden soll, ein ziemlich umfangreiches und komplexes Unterfangen ist. Forrester warnt folglich davor, IIM als eine einzige grosse Implementierung ins Auge zu fassen. Das Risiko, aufgrund der Komplexität zu scheitern, sei zu gross, so die Auguren. Statt dessen empfehlen sie ein Bottom-up-Vorgehen, also den sukzessiven Aufbau eines IIM auf der Grundlage der beschriebenen Building Blocks. Beginnen soll man laut Forrester dort, wo es in der Firmen-IT jeweils am meisten weh tut. Wenn man hier erfolgreich sei, könne man mit diesen Einsparungen den nächsten Schritt finanzieren.




Vereinheitlichte Sicht auf die Firmen-IT




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