Auf dem Weg zum On-Demand-Archiv

Wegen Sarbanes Oxley und Basel II boomt das Archivgeschäft. Schweizer Dienstleister bieten auch gehostete Lösungen an.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/17

     


Die Langzeitarchivierung von Unternehmensdaten jeglicher Couleur ist gegenwärtig das Boom-Thema schlechthin. Darin sind sich alle einig – von den Marktforschern über die Hersteller von Speicherlösungen und die IT-Services-Anbieter bis hin zu den CIOs grosser Unternehmen. Zu einem grossen Teil sind neue Compliance-Regelwerke wie der Sarbanes Oxley Act (SOX) und Basel II für diesen Boom verantwortlich. Wer nicht in der Lage ist, jahrealte Dokumente oder E-Mails vorzulegen, gerät bei rechtlichen Disputen unweigerlich in Schieflage. Und wer immer mehr Daten auf der zweiten, der Backup-, Recovery- und Business-Continuity-Ebene der Storage-Umgebung aufbewahrt, kommt angesichts der stetig wachsenden Informationsberge in finanzielle Schwierigkeiten. Erforderlich ist deshalb eine klare Strategie für die dritte Ebene, das Langzeitarchiv, aus dem Daten meist nur in Notfällen wie eben Rechtsfällen und Compliance-Prüfungen geholt werden müssen.


Sorgfältige Klassifizierung

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die klare Unterscheidung zwischen Backup und Archivierung – eine Differenzierung, die laut Experten bei weitem nicht alle Unternehmen in der notwendigen Schärfe vornehmen. Während beim Backup Zweitkopien von Dokumenten angefertigt werden, die teilweise auch wieder überschrieben sind, muss das Archiv diejenigen Originalversionen enthalten, die im täglichen Geschäft nicht mehr benötigt werden. Für die klare und effiziente Trennung ist eine Daten- und Informationsklassifizierung vonnöten.
Die meisten Speicherspezialisten und IT-Dienstleister bieten entsprechende Beratungen an, so zum Beispiel auch Hewlett-Packard (HP) Schweiz. Wie Robert Wigger, Business Unit Manager der StorageWorks Division, erklärt, bietet HP Schweiz Grossunternehmen entsprechende Klassifizierungsdienste im Rahmen umfassender ILM-Konzepte (Information Lifecycle Management) an. Selber betreibt HP noch keine Langzeitarchivierungs-Services für Unternehmen. Zu diesem Zweck arbeitet man gegenwärtig mit Outsourcing-Spezialisten wie T-Systems zusammen.






Laut Wigger will HP demnächst aber auch selber ins Archivierungsgeschäft einsteigen, und zwar im Rahmen seiner Electronic Vaulting Services. Geplant ist zu diesem Zweck die Einrichtung von drei Rechenzentren in Europa. Wigger betont, dass im Prinzip jeder archivieren könne, die Crux aber im Herausholen der Daten liege. Hier setzt HP auf sein Grid-Konzept, ein «System mit intelligenten Zellen», wie sich Wigger ausdrückt, das einheitlich verwaltet werden könne. Im übrigen teilt er die Ansicht vieler, wenn er betont, dass gerade für die Langzeitarchivierung die traditionellen Tapes noch lange nicht tot seien.


Geeignet für On Demand

Ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie EDS, Swisscom IT Services und T-Systems setzt der Speicherspezialist EMC. Laut Daniel von Dach, Director Technology Solutions bei EMC Schweiz, bietet EMC auch Managed Services für Archivierungs- und Storage-Lösungen an. Die meisten Schweizer Grossunternehmen, vor allem Banken, behielten ihre Archivierung jedoch inhouse, so von Dach. Ausgelagert werde aber zunehmend das Handling der Archivierung oder der Betrieb der Storage-Infrastruktur. Deshalb sieht von Dach in den Services noch viel Potential für EMC. Auch erwartet er, dass das Bedürfnis der Unternehmen nach Storage-On-Demand-Modellen und Archivierungs-Services in den nächsten Jahren weiter zunimmt.





Ähnlich sieht dies auch Konrad Bart, IT Architect bei den Integrated Technology Services von IBM Global Services Schweiz. Die Langzeitarchivierung ist für Bart zwar noch kein Utility, doch angesprochen auf die allgegenwärtige On-Demand-Kampagne von IBM merkt er an, dass sie durchaus in dieses Konzept passt. Vorerst wird dies allerdings noch innerhalb von IBM diskutiert. Im Moment zielt das Angebot im Services-Bereich auf Projektunterstützung. Hier wendet Big Blue weltweit konsistente Methoden für die Erarbeitung von ILM-Konzepten, Enterprise Content Management Architekturen und WORM-Lösungen (Write Once Read Many) an. Bart betont auch, dass die Global Services des Blauen Riesen in Sachen Business Continuity und Data Recovery die ganze Dienstleistungspalette inklusive Outsourcing von Desaster-Recovery-Lösungen
anböten.







Wie HP, EMC und IBM setzt Symantec Schweiz nach der Übernahme von Veritas bei der Langzeitarchivierung auf Hosting-Dienste von Partnern – und natürlich direkt auf Anwenderfirmen. Grosse Stücke hält Frank Bunn, Sicherheitsspezialist bei Symantec und Ex-Veritas-Mann, dabei auf die Version 6.0
von Veritas Enterprise Vault. Die Software eignet sich vor allem für die Langzeitarchivierung von
E-Mails. Generell ist Bunn davon überzeugt, dass das Thema Archivierung in den nächsten Jahren heiss bleibt.
Auf der Seite der Service- und Outsourcing-Dienstleister sieht man die Sache genauso. So ist auch Donat Kaeser, Product Manager bei Swisscom IT Services, davon überzeugt, dass neue Auflagen und Regelwerke wie der Sarbanes Oxley Act und Basel II für die Schweizer Unternehmen einen zusätzlichen Archivierungsaufwand zur Folge haben werden. Kaeser preist deshalb eine Outsourcing-Plattform von Swisscom IT Services an, mit der Kundenfirmen ihre Daten strukturiert verwalten lassen können. Er bezeichnet sie als ECM-Gesamtlösung (Enterprise Content Management), die ab 2006 zur Verfügung stehen wird. Je nach Wunsch
umfasst sie Scanning, Storage, Records-Management, Dokumentenverwaltung, Workflow- und
Input-Management sowie Output-Management und elektronische Archivierung. Kaeser betont dabei, dass Swisscom IT Services bereits jetzt mediensichere Archivierung anbiete und alle Rechenzentren BS7799-zertifiziert seien. Preislich kommen bei der Swisscom-Abteilung verschiedene Modelle zum Einsatz, je nach Service Level Agreement (SLA) und Individuallösung.





Auch EDS Schweiz rechnet aufgrund der SLA von Kunde zu Kunde verschieden ab. Laut dem Kommunikationsverantwortlichen Mark Saxer bietet der Dienstleister Archivierungs-Services innerhalb der geltenden gesetzlichen Bestimmungen. In Sachen Infrastruktur setzt EDS dabei im Rahmen der vor einem Jahr gegründeten Agility Alliance auf EMC. Der Allianz gehören ausserdem Cisco, Dell, Microsoft, Sun Microsystems und Xerox sowie Oracle, SAP und Siebel an.


Exotisches Bunkerarchiv

Eine deutlich exotischere Archivierungsstrategie fährt Dolf Wipfli mit seinem Unternehmen Swiss Data Safe. Er lagert Dokumente in Papierform, Wertsachen, Kunstwerke und auch elektronische Daten in einem Hochsicherheitsbunker im Gotthardmassiv – in demselben Bunker, den der Bundesrat 1942 für sich bauen liess. Wipfli hat die Anlage gekauft und wirbt mit höchster Diskretion und Vertraulichkeit. Deshalb will er auch nicht sagen, wie hoch der Anteil der Online- und Offline-Daten gemessen an den gesamten gebunkerten Gütern ist. Es ist daher unmöglich, das Geschäftsvolumen einzuschätzen, das Swiss Data Safe mit digitaler Archivierung erwirtschaftet. Wipfli betont aber, dass dieses Business für ihn von grosser Bedeutung sei.
Dass der Datenarchivbunker-Pionier Mount10 mit dieser Strategie gescheitert ist und jetzt auf Archivierungssoftware wie HiFreezer setzt, lässt Wipfli nicht als Argument dafür gelten, dass auch sein Ansatz nicht den erhofften Erfolg bringt. Er führt vielmehr ins Feld, dass das Bedürfnis nach Hochsicherheitslösungen national und international steige – nicht zuletzt aufgrund von Terroranschlägen, Sabotage und Umweltkatastrophen. Im übrigen betont er, dass in seinem Bunker alles vorhanden sei, was sich auch in einem herkömmlichen Rechenzentrum finde.




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