CRM auf dem Weg zur Selbstbedienung

Gemäss einer Studie der Universität St. Gallen versprechen sich Unternehmen von Self-Service-CRM vor allem Kosteneinsparungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/06

     

Die Schlagworte sind bekannt: «Der Kunde ist König», «Kundenorientierung statt Produktelastigkeit», «Der Kunde steht bei uns im Zentrum». So weit, so gut. Klar ist, dass sich alle Unternehmen angesichts der fortschreitenden Globalisierung die Frage stellen müssen, wie sie gleichzeitig Kosten senken und die Pflege von bestehenden und potentiellen Kundenbeziehungen verbessern können. Grosse Hoffnungen setzen sie dabei in die Automatisierung von kundenrelevanten Abläufen, in IT-gestütztes Customer Relationship Management (CRM) also. Nun ist es aber kein Geheimnis, dass CRM ein weites Feld und die Implementierung einer entsprechenden Lösung kein Kinderspiel ist. Noch vor einem Jahr haben die Marktforscher von Gartner Zahlen veröffentlicht, die diesbezüglich zu denken geben. Rund 50 Prozent der von ihnen befragten Unternehmen, die in CRM-Systeme investiert hatten, betrachteten ihre Projekte damals als gescheitert. Ausserdem hatte Gartner errechnet, dass 42 Prozent der gelösten CRM-Lizenzen gar nicht genutzt wurden.




Gründe für den Einsatz von ERP-Systemen


CRM als Lernprozess

Vor diesem Hintergrund ist die Studie aufschlussreich, die Walter Brenner, Malte Dous, Lutz Kolbe und Harald Salomann im Rahmen des Kompetenzzentrums Customer Management am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) der Universität St. Gallen (HSG) unlängst publiziert haben. Das Kompetenzzentrum ist in Kooperation mit Praxispartnern aus der Wirtschaft bereits seit sechs Jahren in der CRM-Forschung tätig. In «Customer Relationship Management Survey – Status Quo and Future Challenges» untersuchen die HSG-Leute, wie weit die CRM-Aktivitäten von Unternehmen im deutschsprachigen Raum – Schweiz, Deutschland und Österreich – mittlerweile fortgeschritten sind und in welche Richtungen die Service-Automation in Zukunft ausgeweitet werden dürfte. Besonderes Augenmerk richten die IWI-Forscher dabei auf das sogenannte Self-Service-CRM, das als eine Art Joint-venture verstanden werden kann, in dem der Kunde/Konsument zunehmend die Rolle eines Co-Produzenten übernimmt. Das Konzept ist keineswegs neu, wie das Beispiel Bankomaten zeigt. Allerdings eröffnet es im Internetzeitalter ungeahnte Perspektiven. Die Crux dabei ist aber, dass Self-Service-Komponenten eine bereits vorhandene und relativ breite CRM-Grundlage voraussetzen, dass die bestehenden und potentiellen Kunden durch die «Zumutung» der Selbstbedienung nicht abgeschreckt werden – und dass sich das Ganze auf der Kostenseite auch tatsächlich rechnet. Das nämlich ist nicht automatisch garantiert. So behaupten beispielsweise die Banken, dass sie beim mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen Bankomaten-Self-Service draufzahlen, diesen aber weiterhin anbieten müssen, weil sich die Leute daran gewöhnt haben.





Als Grundlage für ihre Studie diente den St. Gallern eine Umfrage bei 1000 Entscheidungsträgern, die in ihren Unternehmen für die CRM-Aktivitäten zuständig sind. 89 davon haben im letzten Sommer den Online-Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt, was einer Rücklaufquote von rund neun Prozent entspricht. Die Autoren erachten diese als ausreichend, um aus dem Datenmaterial zuverlässige Schlüsse ziehen zu können. Auffällig ist, dass Finanzdienstleister und Versicherungen zusammen 51 Prozent der Antwortenden stellen. Generell erwirtschaftet die Mehrheit der in der Studie berücksichtigten Unternehmen einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro, verfügt über eine halbe Million Kunden und beschäftigt mehr als 5000 Mitarbeiter.






Befragt nach dem generellen Stand der Dinge im CRM, geben 18 Prozent der Unternehmen an, ihre CRM-Initiativen realisiert zu haben. In 51 Prozent der Firmen laufen entsprechende Projekte, während 21 Prozent CRM-Absichten für die Zukunft hegen. Nur ein Prozent der Befragten hat keinen Plan für die Implementierung von CRM. Interessant ist, dass die meisten Informanten betonen, CRM-Initiativen als kontinuierlichen Lernprozess zu verstehen. Mit anderen Worten: Sie entwickeln die diesbezüglichen Methoden und Systeme laufend weiter. Darauf ist der hohe Anteil der laufenden Projekte zurückzuführen, was wiederum bedeutet, dass das Thema CRM auch in den kommenden Jahren hoch oben auf der Prioritätenliste der Business- und IT-Manager stehen wird. Mit leichtem Erstaunen stellen die Autoren jedoch fest, dass satte 62 Prozent CRM in erster Linie als operationelles Tool sehen. Nur 12 Prozent erkennen darin ein unternehmensstrategisches Instrument. Das ist insofern überraschend, als CRM in den Managementwissenschaften schon seit längerem als eines von drei essentiellen strategischen Elementen für die Optimierung des Unternehmenserfolgs gesetzt ist. Die beiden anderen strategischen Pfeiler sind (Produkte-)Innovation und (Betriebs-) Effizienz.




CRM-Integrationsfelder


Mehr Geld für CRM

Des weiteren haben die St. Galler festgestellt, dass 21 Prozent der befragten Unternehmen CRM als Mittel für Analyse- und Evaluierungszwecke betrachten, das heisst, eher als Back-Office-Instrument denn als Methode für die Unterstützung der Distributionsabläufe an der Verkaufs- und Kundenfront. Der Frage, ob und wann die Daten aus Analyse und Evaluierung als strategisches Werkzeug für das Monitoring von Verkaufsaktivitäten oder doch eher im operationellen Kontext – etwa für den Support von Kampagnen-Management – verwendet werden, wollen die Autoren der Studie in künftigen Forschungsprojekten nachgehen.





Auf die Frage, auf welcher Organisationsebene des Unternehmens die CRM-Initiativen umgesetzt werden, geben 40 Prozent der Befragten an, CRM sei bei ihnen ein unternehmensweites, koordiniertes Projekt. Bei 49 Prozent werden die Initiativen individuell auf Abteilungs- oder Channel-Ebene realisiert. Nur 4 Prozent sagen, dass ihre CRM-Initiativen als komplett isolierte Projekte durchgezogen werden. In einer Gartner-Studie über CRM in Europa aus dem Jahr 2002 lag dieser Anteil mit 15 Prozent signifikant höher, während die Prozentzahl der koordinierten, firmenweiten CRM-Programme mit 29 Prozent markant tiefer war. Trotz dieser Steigerung betrachten die meisten der Befragten – nämlich 70 Prozent – die strategische unternehmensweite Integration der CRM-Aktivitäten als die grösste Herausforderung. Die Autoren führen dies auf den hohen Teilnehmeranteil aus der Finanzbranche zurück, in der Merger und Übernahmen hohe Integrationsleistungen zur Folge haben.






Was die Budgetplanung für CRM-Investitionen für 2005 angeht, sieht die Sache ebenfalls rosiger aus als gemäss Gartner 2002. 14 Prozent der Befragten wollen zwar ihre CRM-Ausgaben im laufenden Jahr reduzieren. Bei Gartner waren es aber noch 17 Prozent. 32 Prozent wiederum haben für 2005 gleich hohe Investitionen budgetiert wie im Vorjahr (Gartner 2002: 48 Prozent), während 53 Prozent im laufenden Jahr mehr ausgeben wollen als im Vorjahr (Gartner 2002: 35 Prozent). 18 Prozent der Unternehmen haben sogar das CRM-Budget um mehr als zehn Prozent aufgestockt. Dabei werden die Ausgaben je nach CRM-Feld unterschiedlich verteilt. 84 Prozent wollen in das operationelle CRM investieren, 74 Prozent ins analytische und bloss 33 Prozent ins kollaborative. Letzteres ist gemäss den Autoren darauf zurückzuführen, dass kollaboratives CRM einigermassen anspruchsvolle Methoden beinhaltet wie beispielsweise Business Intelligence, Partner Relationship Management und erweiterte Kundeninteraktions-Instrumente wie eben Self Services. Da diese noch in einem relativ frühen Umsetzungsstadium stecken, wird hier mit Investionen noch vorsichtig umgegangen. Allerdings hat schon Gartner 2002 prognostiziert, dass das kollaborative CRM in den kommenden Jahren immer mehr Gewicht bekommen wird.



Implementierte CRM-Systeme




Die Vor- und Nachteile von CRM-Self-Services


Kosten senken mit Self Services

Interessant ist auch die Prioritätensetzung bei den CRM-Zielen. Weit obenaus schwingen dabei das Cross- und Up-Selling und in diesem Zusammenhang die Bindung bestehender Kunden. Diese Gewichtung seitens der Befragten unterstreicht einmal mehr, dass die Gewinnung von Neukunden um ein Mehrfaches aufwendiger und teurer ist als die Erhaltung und Pflege einer bestehenden Klientel. Allerdings ist dieses Resultat angesichts des hohen Firmenanteils aus der Finanzbranche, die in einem nahezu gesättigten Umfeld geschäften muss, nicht unbedingt verallgemeinerbar.
Gerade in gesättigten Märkten ist es um so wichtiger, dass sich ein Unternehmen mittels erstklassiger Dienstleistungen von der Konkurrenz abheben kann. Immer mehr Firmen setzen dabei in ihren Hoffnungen und Anstrengungen auf Self-Service-CRM. Zu den populärsten Beispielen von Unternehmen, die damit äusserst erfolgreich sind, zählen das Web-Kaufhaus Amazon und der PC-Direktvertreiber Dell.





Gut drei Viertel der von den St. Gallern befragten Firmen geben denn auch an, CRM-Self-Services bereits einzusetzen (15 Prozent), gegenwärtig in entsprechenden Projekten zu stehen (36 Prozent) oder künftig solche Initiativen zu implementieren (27 Prozent). Während ein Viertel der Befragten keine Angaben zu Investitionen in Selbstbedienungstechniken machen können, wollen 20 Prozent in diesem Jahr zwischen 100’000 und 500’000 Euro dafür ausgeben. 16 Prozent wollen weniger als 100’000 Euro aufwenden und ebenfalls 16 Prozent haben 500’000 bis 1’500’000 Euro budgetiert. Weitere 11 Prozent investieren 2005 zwischen 1’500’000 und 5’000’000 Euro und weitere 11 Prozent geben gar mehr als 5’000’000 Euro für CRM-Self-Services aus.






Den wichtigsten Grund für die Einführung von Selbstbedienungsfunktionen orten die Befragten im damit verbundenen Kostensenkungspotential. Da bei den Self Services die Mensch-zu-Mensch-Interaktion durch den Kunden-Technik-Kontakt ersetzt wird, fallen die hohen Lohnkosten weg. Der zweitwichtigste Grund ist laut Studie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit und -loyalität, weil immer mehr Klienten mittlerweile Self Services erwarten oder gar verlangen. Allerdings ist die automatisierte Selbstbedienung ein zweischneidiges Schwert – wie alle gewöhnungsbedürftigen Neuerungen. Denn einerseits ist ein Teil des Kundenstamms davon begeistert, während der andere von den Self Services abgeschreckt wird. So haben die Befragten vor dem, was sie als zweitwichtigsten Vorteil betrachten, auch Angst. Als Hauptnachteile von CRM-Self-Services haben sie nämlich die fehlende Akzeptanz seitens ihrer Klientel und den fehlenden persönlichen Kundenkontakt ausgemacht.





Info: cm.iwi.unisg.ch/crm-studie




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