Unter eHealth versteht man den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen, um medizinische Informationen besser zu erschliessen, Kooperationen zwischen den Leistungserbringern, Versicherungsinstituten, Leistungsbeziehern und öffentlichen Stellen zu fördern sowie Prozess- und Ergebnisqualität in der Patientenversorgung zu erhöhen.
SwissICT eröffnet die Strategiediskussion mit Prof. Dr. Andreas Meier vom Forschungszentrum eHealth der Universität Fribourg. Als Leiter der Fachgruppe eHealth der SwissICT hat er den Schwerpunkt für InfoWeek konzipiert und die Fachbeiträge zusammengestellt. Das Interview führte Barbara Schiesser, Geschäftsführerin der SwissICT.
Barbara Schiesser: Nach langem Zögern lancierte der Bund vor kurzem eine nationale Strategie eHealth. Welche Ziele verfolgt das Bundesamt für Gesundheit mit diesem Strategiepapier?
Andreas Meier: Drei Handlungsfelder stehen im Vordergrund: Erstens soll das elektronische Patientendossier ab 2010 in den Spitälern und ab 2015 für die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz realisiert werden. Zweitens soll bis 2015 der sichere Zugang auf zertifizierte Informationen sowie auf elektronische Patientenakten für die Öffentlichkeit ermöglicht werden. Und drittens soll die Strategie eHealth des Bundes fortgeschrieben werden.
Barbara Schiesser: Wo steht die Schweiz bezüglich eHealth im Vergleich mit den umliegenden europäischen Ländern?
Andreas Meier: Die Schweiz steht weit abgeschlagen. Zwar hat der Bundesrat im Jahre 1998 die Strategie Informationsgesellschaft Schweiz verabschiedet, jedoch ohne Nennung des Gesundheitswesens. Erst vor einem Jahr wurde das Thesenpapier um eHealth ergänzt und darauf aufbauend die „Nationale Strategie eHealth“ (abrufbar unter www.bag.admin.ch) entwickelt. Einzelne europäische Länder sowie die Europäische Union haben vor Jahren Aktionsprogramme verabschiedet und umgesetzt.
Barbara Schiesser: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, um die Kluft zwischen unseren Nachbarn und der Schweiz zu illustrieren?
Andreas Meier: Dänemark betreibt seit anfangs der neunziger Jahre ein Gesundheitsportal (abrufbar unter www.sundhed.dk) und hat damit mehrere Auszeichnungen erhalten. Damit werden den Bürgerinnen und Bürgern elektronische Dienstleistungen wie allgemeine Patienteninformationen, elektronische Rezepte, elektronische Patientenakten, Zugriff auf Laborsysteme etc. ermöglicht. Auch die Europäische Union betreibt ein Gesundheitsportal (abrufbar unter www.health.europa.eu). Die Schweiz hingegen prüft gemäss der neuen Strategie bis Ende 2010, ob und wie ein staatliches Informationsportal hilfreich sein könnte.
Barbara Schiesser: Gibt es nicht unüberwindbare Hürden bezüglich des Datenschutzes bei elektronischen Patientendossiers?
Andreas Meier: Die Mitglieder der Europäischen Union sind sich dieser Risiken bewusst. Sie schlagen deshalb eine elektronische Gesundheitskarte (Patient Data Card) für die Bürgerinnen und Bürger und eine für Ärzte und Fachpersonen vor (Health Professional Card). Das Grundprinzip lautet: Elektronische Patientenakten liegen unter der Datenhoheit des Patienten; diese Datenhoheit wird auch vom Gesetzgeber gefordert.
Barbara Schiesser: Wie bewertet der Patient die Möglichkeiten des eHealth? Sieht er eher die Gefahren oder den Nutzen elektronischer Zusatzdienste?
Andreas Meier: Wie bei jeder Innovation trifft man auch hier teils auf Ablehnung, teils auf Begeisterung. Die Mobilität jedenfalls hat in den letzten Jahren in den westlichen Ländern stark zugenommen, viele Patientinnen und Patienten möchten davon nicht absehen. Diabetespatienten beispielsweise können Blutdruck- und Blutzuckermessungen zu Hause oder zeit- und standortunabhängig vornehmen und die Daten direkt in ein medizinisches Zentrum oder zum Hausarzt übermitteln. Auch ältere Menschen profitieren von der mobilen eHealth-Technologie, da weniger Besuche beim Hausarzt nötig sind. Zudem können sie mit Notrufsystemen bei Bedarf in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Bei einem Alarm stellt das medizinische Communication Center eine Kurzdiagnose und leitet entsprechende Notdienste ein.
Barbara Schiesser: Was trägt unser Branchenverband SwissICT und insbesondere die Fachgruppe eHealth dazu bei, dass das Thema eHealth in der Schweiz breiteres Gehör findet?
Andreas Meier: Die Fachgruppe eHealth startete im Jahr 2004 und arbeitet seitdem eng mit den Behörden sowie mit Firmen und Forschungseinheiten zusammen. Regelmässig werden Fachfragen diskutiert, Veranstaltungen organisiert und die Kontakte zu unseren Nachbarländern gepflegt. Im vergangenen Jahr holten wir beispielsweise die European Conference on eHealth in die Schweiz. Dank der Unterstützung des SwissICT und weiterer europäischer Partner wurde diese Konferenz ein Erfolg.
Barbara Schiesser: Der Vorstand des SwissICT hat eHealth strategisch positioniert. In diesem Zusammenhang wurden Mittel für eine Marktstudie eHealth Schweiz gesprochen. Wann ist mit ersten Resultaten zu rechnen?
Andreas Meier: Wir mussten mit unseren elektronischen Fragebogen in deutscher und französischer Sprache im vergangenen Jahr drei Anläufe nehmen, um einen Rücklauf von den angestrebten 15% zu erhalten. Der Fokus unserer Erhebung wurde auf den elektronischen Datenaustausch unter den wichtigsten Marktteilnehmern gelegt. Nun werten wir die ersten Resultate aus und möchten diese im Frühjahr 2007 im Rahmen unseres Anwenderforums eHealth der Öffentlichkeit vorstellen. Detailresultate und Einschätzungen werden zudem auf der Website des SwissICT publiziert.
Barbara Schiesser: Für die Konzipierung des vorliegenden Schwerpunktes eHealth und das geführte Interview möchte ich mich herzlich bedanken.