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Totalrevision des GmbH-Rechts, weitere Änderungen im schweizerischen Gesellschaftsrecht und Revisionsaufsichtsgesetz

Mit der Revision des GmbH-Rechts gehen Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht einher. Der Zeitpunkt des Inkraft­tretens dieser Erlasse ist für Herbst 2007 geplant.
Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte, Andrea Grimm Widmer, Oliver Triebold, Zürich

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22

     

Ausgewählte Einzelaspekte des neuen GmbH-Rechts

Die Liste der einzelnen Änderungen im GmbH-Recht ist lang und kann hier nicht im Detail erläutert werden. Einige Haupt­punkte der Revision können aber stich­wortartig wie folgt zusammengefasst werden:




- Die GmbH steht auch für nichtwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung.

- Die Gründung einer GmbH (wie übrigens auch einer AG) kann durch einen einzigen Gesellschafter erfolgen.

- Das minimale Stammkapital der GmbH bleibt weiterhin bei CHF 20’000; von der heutigen Ober­grenze von CHF 2 Millionen wird jedoch abgese­hen.

- Neu ist das Stammkapital bei der Gründung voll zu liberieren; damit fällt die heutige, für die einzelnen Gesellschafter gefährliche subsidiäre persönliche Haftung für das gesamte Stammka­pital (und nicht nur für den jeweils gezeichneten Stammanteil) weg.

- Als Korrelat dafür werden die aktienrechtlichen Sacheinla­gevorschriften sowie die dortigen Be­stimmun­gen über die Rückerstattung von Leistun­gen an die Ge­sellschafter und nahestehende Perso­nen auch für die GmbH übernommen.

- Die Möglichkeit des Erwerbs eigener Stammanteile durch die Gesellschaft wird beschränkt.

- Wie bei der AG kann das Bezugsrecht der Gesell­schafter bei Kapitalerhöhungen nur noch aus wich­tigen Gründen entzogen werden.

- Der Mindestnennwert eines Stammanteils beträgt CHF 100. Neu kann ein Gesellschafter Inhaber mehrerer Stammanteile sein. Damit fallen Admini­strativaufwendungen für Statutenänderungen bei Stammanteilsübertragungen weg.

- Anders als im geltenden Recht bedarf die Abtretung eines Stammanteils nicht mehr der öffentli­chen Beurkun­dung. Dafür genügt inskünftig die Schrift­form. Allerdings müssen bestimmte statuta­rische Pflichten des Erwerbers (Nachschuss- und Neben­leistungspflichten, Konkurrenz­verbote, Vor­hand-, Vorkaufs- und Kaufsrechte der Gesell­schafter oder der Gesellschaft sowie Konventionalstrafen) in den Abtretungsvertrag aufgenommen werden. Wie unter geltendem Recht müssen die Gesellschafter mit Name, Wohnort, Heimatort und unter Angabe der Anzahl der von ihnen gehaltenen Stammanteile und deren Nennwert im Handelsregister eingetragen werden. Diese Pflicht obliegt der Gesellschaft, ins­besondere den Geschäftsführern.

- Die Vinkulierungsbestimmungen, also das Erforder­nis der Zustimmung der Gesellschaft zur Anteils­übertragung auf einen neuen Erwerber, können sta­tuta­risch sehr flexibel ge­handhabt werden; von einer vollständigen Befreiung des Zustimmungs­erforder­nisses bis hin zu einem vollständi­gen Aus­schluss der Abtretbarkeit.

- Gänzlich anders als im Aktienrecht können für die GmbH Austritts- und Ausschliessungsgründe für Gesellschafter stipuliert werden. Das neue Recht sieht detaillierte Rege­lungen für derartige, in der praktischen Abwicklung kom­plexe Vorgänge vor.

- Bei Pfändung oder Konkurs eines Gesellschafters wird der Ersteigerer der Stammanteile als nachträ­glich hinzutre­tender Gesellschafter in die Gesell­schaft aufgenommen. Die Gesellschaft kann diese Anteile aber auch für eigene Rech­nung oder Rech­nung Dritter zum wirklichen Wert über­nehmen. Gleichzeitig unterstehen geschäftsführende Mit­glie­der einer GmbH nicht mehr automatisch der Kon­kurs­betreibung.

- Bei den statutarischen Nachschusspflichten wird die Haftung des einzelnen Gesellschafters auf die mit seinem eigenen Stammanteil verbundenen Ver­pflichtungen be­schränkt. Maximal können diese das Doppelte des Nennwertes seines Stammanteils be­tragen.

- Mit Bezug auf die Festlegung von statutarischen Nebenleis­tungspflichten stehen der Gesellschaft vielsei­tige Gestaltungs- und Individualisierungs­möglichkeiten offen.
- Die Gesellschafter einer GmbH haben weitgehende Auskunfts- und Einsichtsrechte. Im Gegenzug unterstehen sie einer Treuepflicht gegenüber der Ge­sellschaft.

- Wie schon aus dem Aktienrecht bekannt, werden neu der Gesellschafterversammlung, der Geschäfts­führung und – sofern vorgesehen – der Revisions­stelle gewisse unüber­tragbare und unentziehbare Befugnisse zwingend zuge­wiesen.

- Schliesslich beendet die Revision eine lange Streit­frage und statuiert, dass für die GmbH die aktien­rechtlichen Normen zur Rechnungslegung (Ge­schäftsbericht, Reserven, Offenlegung der Jahres- und Konzernrechnung) gelten.

- Unter dem noch geltendem Recht besteht für die GmbH keine gesetzliche Pflicht, eine Revisions­stelle zu benennen. Neu verweist das GmbH-Recht diesbezüglich im Wesentlichen auf die Bestimmun­gen des mit der Revision ebenfalls geänderten Aktienrechtes.


Weitere Änderungen im Gesellschaftsrecht

A. Bestimmungen über die Revisionsstelle



Im Rahmen der Gesetzesrevision wurden auch die aktienrechtlichen Bestimmungen der Art. 727 ff. OR über die Revisionsstelle geändert. Entgegen der früheren allgemei­nen Pflicht einer AG zur Ernennung einer Revisionsstelle wird diese Pflicht neu von gewis­sen Voraussetzungen abhängig gemacht. Diese Voraus­setzungen gelten nicht nur für die AG, sondern kraft der Verweise in Art. 818 OR auch für die GmbH und in Art. 906 OR für die Genossenschaft. Ähnliche Bestimmun­gen gelten neu auch für Vereine (Art. 69b ZGB) und Stiftungen (Art. 83b ZGB).
In den Art. 727 ff. OR nimmt sich der Gesetzgeber den verschiedenen Prüfungsbedürfnissen von kleinen und grossen Unternehmen an. Wo eine ordentliche Revision nicht erforderlich ist, soll eine eingeschränkte genügen. Unter gewissen Voraussetzun­gen kann eine Prüfung auch ganz unterbleiben.
Die in Art. 727 OR näher definierten Publikumsgesell­schaften sowie Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrech­nung verpflichtet sind, müssen ihre Jahresrechnung und gegebenenfalls ihre Konzernrech­nung durch eine unabhän­gige Revisions­stelle ordentlich prüfen lassen. Dasselbe gilt auch für andere Gesell­schaften (ob AG, GmbH, Genossen­schaft, Verein oder grundsätzlich auch eine Stiftung), welche zwei der nachste­henden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjah­ren überschreiten:




- Bilanzsumme von CHF 10 Millionen;

- Umsatzerlös von CHF 20 Millionen;

- 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.



Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann eine einge­schränkte Prüfung stattfinden. Unter gewissen Voraussetzun­gen kann von dieser Prüfung auch ganz abgese­hen werden, nämlich bei Zustimmung sämtlicher Gesell­schafter, und sofern die Gesellschaft nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahres­durchschnitt hat.
Die Unterscheidung zwischen ordentlicher und einge­schränkter Prüfung richtet sich einerseits nach dem Prüfungsinhalt und –umfang und anderseits nach den Qualifikationsmerkmalen des Revisors. Dabei wird zwischen zugelassenen «Revisionsexpertinnen und Revisionsexperten» und zugelassenen «Revisorinnen und Revisoren» unterschie­den und für deren Anforde­rungen auf das ebenfalls neue Revisionsaufsichtsgesetz verwiesen (vgl. Ziffer 4). Revisionsunter­nehmen, die Revisionsdienstleistungen für Publikums­gesellschaften erbringen, bedürfen weiter einer eben­falls im Revisions­aufsichtsgesetz geregelten besonderen Zulassung und stehen unter staatlicher Aufsicht (staat­lich beaufsichtig­tes Revisionsunternehmen). In diesem Zusam­menhang sei noch erwähnt, dass für die ordentli­che Revision der Revisionsleiter sein Mandat während längstens sieben Jahre ausfüh­ren darf (Art. 730a OR).
B. Harmonisierungen im Gesellschaftsrecht
Die Gesetzesrevision vom 16. De­zember 2005 hat weitere Auswirkungen auf andere Gesellschaftsformen als die GmbH. Zu erwähnen sind die folgenden:



- Wie die GmbH kann neu auch eine AG durch eine einzige Person gegründet werden.

- Die Wohnsitz- und Nationalitätserfordernisse für die Organe der Gesellschaften werden erheblich gelockert. Bislang mussten bei der AG die Mitglie­der des Verwal­tungsrates mehrheitlich aus Personen bestehen, die in der Schweiz wohnhaft und Schwei­zer oder EU-Bürger sind. Nach Inkrafttreten des Ge­setzes muss nur noch eine für die AG vertretungs­berechtigte Person Wohnsitz in der Schweiz haben. Dieses Erfordernis kann durch ein Mit­glied des Verwaltungsrates oder einen Direk­tor erfüllt wer­den. Nationalitätserfordernisse bestehen keine mehr. Dasselbe gilt entsprechend für die GmbH und die Genossenschaft. Diese Erleichterungen werden in besonderem Masse schweizerischen Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne zu­gute kommen.

- Verträge zwischen einer AG, GmbH oder einer Genossen-
s­chaft einerseits und ihren Vertretern anderseits für Leistungen von mehr als CHF 1’000 müssen zu ihrer Gültigkeit schriftlich abgefasst sein.

- Neu sieht das OR bzw. ZGB für die AG, GmbH, Genos­senschaft, den Verein und die Stiftung Mass­nahmen bei Vorliegen von Mängeln in der Organi­sation der Gesell­schaft vor.

- Schliesslich – und in der Praxis nicht ganz irrelevant – müssen alle AGs, GmbHs und Genossenschaften fortan in ihrer Firma die Rechtsform angeben. Dies gilt auch für bereits bestehende Gesellschaften. Wo nötig, müssen diese ihre Firma innert der zweijähri­gen Übergangsfrist anpassen.

Übergangsbestimmungen

Gemäss den Übergangsbestimmungen findet das neue Recht ab Inkrafttreten unmittelbar Anwendung auch auf bestehende Gesellschaften. Wurde jedoch die recht­liche Ausge­staltung von Gesellschaften in den Statuten konkreti­siert, so ist für die Anpassung an das revidierte Recht eine Frist von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen.
Bisher noch nicht voll liberierte Stammanteile einer GmbH müssen innert der Zweijahresfrist voll liberiert werden. Die subsidiäre persönliche Haftung der Gesell­schafter bleibt jedoch bis zur vollständigen Leistung der Einlagen bestehen.
Die Revisionsstelle ist – wo erforderlich – ab dem ersten Geschäftsjahr, das mit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder danach beginnt, einzusetzen.
Schliesslich sieht das Gesetz weitere Übergangsbestim­mungen für besondere Sachverhalte vor.



Gleichzeitig mit der Totalrevision des GmbH-Rechts wurde ein neues Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichti­gung der Revisorinnen und Revisoren (Revisionsauf­sichtsgesetz) erlassen. Aus Platzgründen kann leider nicht im Detail darauf eingegangen werden.




(Hinweis der Redaktion: Auszug aus dem Newsletter, Februar 2006, Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte mit gleichzeitigem Dank für die Publikationsgenehmigung.)



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