PC-Erneuerungswelle steht bevor
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/04
Dass Marktforscher Robert Weiss an seinem Weissbuch-Seminar gerne einmal gewagte Prognosen aufstellt, ist kein Geheimnis. Eine dieser Prognosen zu Beginn dieses Jahres war, dass 2003 beziehungsweise Anfang 2004 eine grosse Erneuerungswelle bei Firmen-PCs ansteht. InfoWeek wollte es genauer wissen, ging grosse Schweizer Unternehmen an, und siehe da: Weiss lag mit seiner Vorhersage schon ziemlich nahe an der Wahrheit.
Gleich bei mehreren Unternehmen steht die Neuanschaffung von
Client-PCs vor der Tür. Folgendermassen sieht es bei den befragten Unternehmen im Detail aus:
Basler Versicherungen: Am weitesten verbreitet bei der Basler sind derzeit Rechner mit Pentium-III-Prozessoren. Für die Desktop-Rechner steht zwar für 2003/04 keine Erneuerungswelle an, die Notebooks aber werden in diesem Jahr sehr wohl ausgetauscht - genau genommen schon im zweiten Quartal. Bei den Neuanschaffungen soll die neueste Prozessorgeneration zum Einsatz kommen.
Cablecom: 1999 wurde bei der Cablecom die gesamte PC-Plattform ersetzt und 75 Prozent dieser Geräte sind auch heute noch im Einsatz. Dabei handelt es sich um Pentium-III-Rechner mit 500 MHz (Desktops) beziehungsweise Pentium-II-Geräte mit 400 MHz (Notebooks). Jetzt steht die Erneuerung der meisten Clients unmittelbar vor der Tür. Der Rollout der 2,4-GHz-Desktops bzw. 1,8-GHz-Notebooks soll Ende des ersten und Anfang des zweiten Quartals erfolgen. Zudem wird auch gleich von NT 4.0 auf Windows XP umgesattelt.
Coca-Cola: Getränkeriese Coca-Cola Beverages setzt bereits auf Pentium-4-Geräte, weshalb sich eine Erneuerungswelle nicht aufdrängt. Ein grosser Teil der Rechner wurde im Rahmen eines umfangreichen SAP-Projekts 2001/02 angeschafft. Bei Neuanschaffungen werden Geräte im Verbund mit Schwesterorganisationen eingekauft. "So können wir von einer Einkaufskraft profitieren", informiert CIO Richard Meister.
Coop: Beim Grossverteiler Coop wurden sämtliche Clients im vierten Quartal 2001 ersetzt. Aktuell stehen Geräte des Typs Dell GX150 (Desktops) sowie Dell Latitude C800 (Notebooks) im Einsatz, und voraussichtlich bis Ende 2005 wird dies auch so bleiben. Die Leistung der aktuellen Rechner würde immer noch den Business-Anforderungen genügen, so Coop.
Credit Suisse: Wer durch die weitläufigen Gänge der CS schreitet, findet derzeit am häufigsten Pentium-II-Maschinen mit 350 bis 450 MHz. Im ersten Quartal 2004 soll dies aber geändert werden. Es werden neue Rechner angeschafft, jedoch nicht die neueste CPU-Generation. Dies aus Kosten- und Risikoüberlegungen, so die CS.
Orange: Beim Mobilfunkanbieter Orange steht eine ziemlich moderne Rechnerflotte mit Pentium-III- und Pentium-4-Geräten im Einsatz. Trotzdem wird eine Reihe von Thin-Clients eingeführt, voraussichtlich im letzten Quartal 2003. Dabei wird auch eine ältere CPU-Generation in Betracht gezogen.
Post: Bei der schweizerischen Post trifft man derzeit am häufigsten auf Pentium-III-Rechner mit 733 bis 800 MHz, gefolgt von Celerons mit 1 GHz und tiefer getakteten Pentium-IIIs mit 400 bis 500 MHz. Als 2002 auf Windows 2000 gewechselt wurde, hat man eine grosse Zahl dieser Rechner eingeführt, so dass eine Erneuerungswelle im Moment nicht ansteht. Anfang 2004 sollen jedoch die
Pentium-II-PCs abgelöst werden. Wenn neue Maschinen gekauft werden, kommt beim gelben Riesen die neueste CPU-Generation zum Zug. Massgebend für diesen Entscheid seien das Preis/Leistungsverhältnis sowie der zu erwartende Lebenszyklus der Prozessorgeneration.
Roche: Beim Basler Pharmariesen Roche dominieren bereits heute Pentium-4-Rechner. Trotz dieser neuen CPU-Generation steht über das ganze Jahr verteilt die Beschaffung neuer PCs an. Dabei wird jedoch nicht die neueste, sondern vor allem die letzte und vorletzte Prozessorgeneration in Betracht gezogen. Aber auch das Aufrüsten von Rechnern sei "zum Teil" ein Thema.
SBB: Bei der SBB ist seit 1998 T-Systems für die eingesetzte Hardware und deren Beschaffung verantwortlich. Dabei beträgt die festgelegte Mindesteinsatzdauer eines Rechners vier Jahre. Der Ersatz der Geräte erfolge bei Bedarf und sei somit ein laufender Prozess. Derzeit werde zwar an der Standardisierung der IT-Plattform gearbeitet, nichtsdestotrotz soll die Hardware so weit wie möglich weiterverwendet werden.
Swisscom: Beim Telekomriesen sind 47 Prozent der Rechner Desktops mit 450 MHz oder weniger Taktfrequenz. Bei 21 Prozent der Clients handelt es sich um Notebooks mit weniger als 450 MHz. Angesichts dieses grossen Anteils an älteren Rechnern steht ab dem dritten Quartal 2003 eine Erneuerungswelle an. Bei der Auswahl werden die neuesten CPUs berücksichtigt - jedoch beträgt der Beschaffungs-Lifecycle rund neun Monate.
UBS: Die Schweizer Grossbank arbeitet derzeit mit Pentium-III-Rechnern des Typs Compaq Deskpro EN 667, und bis auf weiteres soll das auch so bleiben. Eine Erneuerungswelle steht nicht an, da die Rechner im Rahmen einer Infrastruktur-Standardisierung erst Ende 2001 eingeführt wurden.
Winterthur Versicherungen: Bei den Winterthur Versicherungen stehen je zu 50 Prozent Pentium-II- und Pentium-III-Systeme im Einsatz. Um den Jahreswechsel 2003/ 04 ist die Erneuerung der ältesten Clients geplant - rund 3000 Desktops und Notebooks mit Pentium-II-CPUs an der Zahl. Es soll dabei auf die neuesten System-Typen gesetzt werden, die jedoch schon eine gewisse Verbreitung haben, um nicht von technologischen Kinderkrankheiten überrascht zu werden.
Das Aufrüsten von Rechnern ist in den meisten Firmen kein Thema, auch wenn diese Option ab und an geprüft wurde, beispielsweise bei Cablecom: "Wir haben verschiedene Szenarien durchgespielt und sind zum Schluss gekommen, dass der Ersatz der Rechner auf jeden Fall die beste und langfristig günstigste Variante ist", so Reto Jaeggi, Head of Internal Computing.
Die Winterthur Versicherung spricht davon, dass vereinzelt durch gezieltes Nachrüsten die Lebensdauer einer verbreiteten Gerätepalette verlängert werden soll. Vor allem durch den Preiszerfall für IT-Equipment lohne sich das Aufrüsten von Geräten aber meist nicht. Bei Swisscom wird höchstens einmal der Speicher partiell aufgerüstet.
Mangelnde Rechnerleistung aufgrund von gestiegener Software- und vor allem Betriebssystem-Anforderungen ist zwar bisweilen ein häufiger Grund, die Client-Landschaft in einem Unternehmen auszutauschen, aber bei weitem nicht der einzige.
Bei Orange beispielsweise spielen auch ergonomische Anforderungen und die Standardisierung der Rechner zur Senkung der TCO eine Rolle. Bei Coop geht der Trend in den Anschaffungsüberlegungen in Richtung mobiler Einsatz und somit hin zu Notebooks. Die UBS führt ausserdem den Punkt Zuverlässigkeit im Einsatz an, die bei
älteren Rechnern nachlässt. Ein Aspekt, der nicht vergessen werden darf und von vielen Firmen angeführt wird, ist aber die Garantieleistung. "Die Garantiezeit beträgt für Business-PCs in der Regel drei Jahre. Bei einem Gerätedefekt nach
Ablauf der Garantiezeit wird der Vergleich des Kostenaufwands für eine Reparatur gegenüber dem einer Neuanschaffung ausschlaggebend für den Entscheid einer Ablösung", so Post-Mediensprecher Oliver Flüeler. Die Basler Versicherungen führen dazu noch an, dass die Verlängerung der Herstellergarantie verhältnismässig teuer ist.
Die Garantiefrage ist auch der Hauptgrund, weshalb die Binsenwahrheit, dass ein Rechner nach drei Jahren veraltet ist, noch heute zumindest beschränkt gilt. Trotzdem tendieren mehrere Unternehmen dahin, einen Rechner eher länger im Einsatz zu halten. So zum Beispiel die Winterthur Versicherungen: "Wir tendieren heute auf eine Einsatzzeit von vier Jahren und haben bereits einen Durchschnitt erreicht, der näher bei vier als bei drei Jahren liegt", so Markus Zürcher, Leiter User & Project Support. Auch die UBS erachtet drei Jahre "als den kürzesten vertretbaren Erneuerungszeitraum". Ein weiteres Argument gegen die 3-Jahre-Regel führt die Credit Suisse an: "Die Situation wird insbesondere durch die längeren Lebenszyklen der Microsoft-Produkte verändert", so Sprecher Matthias Friedli.
Für das Gros der befragten Unternehmen ist die Anschaffung von Rechnern im GHz-Bereich nicht überdimensioniert. Verantwortlich für den Bedarf an ultraschnellen Rechnern sind vor allem die Anforderungen moderner Software, so das allgemeine Echo. Aber auch andere Gründe spielen eine Rolle: "Durch den Einsatz von schneller Hardware kann die Effizienz am Arbeitsplatz gesteigert werden. Lange Wartezeiten der Mitarbeiter in Form von Arbeitsausfällen kosten die Firma auch sehr viel Geld", so Reto Jaeggi von Cablecom. Trotzdem reicht für einfache Anwendungsgebiete der Einsatz von leistungsschwächeren Rechnern. Die Post beispielsweise hat aus diesem Grund im Low-End-Bereich auf Celeron-CPUs gewechselt. Und für die UBS sind die Kapazität der Harddisk und die Grösse des Speichers nach eigenen Angaben wichtigere Komponenten als die Taktfrequenz der CPU.
Trotzdem: Leistung scheint zu locken. Dazu Coca-Cola-CIO Reinhard Meister: "Ich finde nicht, dass man jemals zuviel Rechnerleistung haben könnte. Es ist wie beim Auto, man hat gerne etwas Reserve."
Abschliessend scheint es also, als könnten sich die PC-Hersteller in diesem und im nächsten Jahr auf einige grössere Bestellungen freuen. Aber nicht euphorisch werden, liebe Verantwortliche bei HP, Dell, IBM und Co. - danach dauert es wieder drei oder eher vier Jahre, bis die nächste Erneuerungswelle kommt.