Entbündelte Angebote ab Herbst
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/06
33.40 Franken (inkl. MWSt) will die Swisscom von ihren Konkurrenten für die Nutzung der letzten Meile sehen. «Absolut überrissen», wie sich Tele2-Chef Roman Schwarz empört, und auch Sunrise bezeichnet den Preis als «unrealistisch». Tatsächlich scheinen 31 Franken – gelinde gesagt – etwas hoch gegriffen, bedenkt man, dass Swisscoms eigener Endkundenpreis für einen Festnetzanschluss 25.25 Franken beträgt. Die Swisscom verteidigt sich, man habe für die Ermittlung des Preises die sogenannte LRIC-Methode umgesetzt, und diese habe schliesslich der Regulator vorgegeben. Doch scheint nicht allzu klar geregelt zu sein, was überhaupt alles in die LRIC-Methode, welche auf den Wiederbeschaffungskosten des Hausanschlussnetzes basiert, eingerechnet werden darf. So liess ComCom-Präsident Marc Furrer in einem Interview mit dem «Blick» verlauten, er werde selbst prüfen, welche Kosten der Swisscom aus Bau und Unterhalt des Kupferkabels entstehen. Es sei nämlich die Frage, was die Swisscom alles eingerechnet habe, um auf 33.40 Franken zu kommen.
Als angemessen würden die Konkurrenten einen Preis auf dem Niveau unserer Nachbarländer erachten. Sunrise führt das Beispiel Deutschland auf, wo der Preis aktuell 10,65 Euro beträgt und nach dem Willen des Regulators auf 10 Euro gesenkt werden soll – auch wenn die Deutsche Telekom eine Erhöhung auf über 12 Euro beantragte. Tele2 erachtet einen Preis in der Grössenordnung wie Italien für realistisch – rund 13 Franken. Netstream wiederum findet Kosten im Bereich von 19 bis 22 Franken als angebracht. So könne man wirklich attraktive Angebot lancieren, wie Marco Colonello gegenüber InfoWeek Auskunft gibt. Mit dem aktuell festgelegten Preis aber wird im Privatkundenbereich vorerst einmal gar nichts gehen. Laut Colonello wären vernünftige Angebote für Firmen eher noch möglich. Roman Schwarz jedoch sieht nicht ein, warum «nur Firmen billige Lösungen bekommen sollen».
An der Situation, wie man sie kennt, wird sich somit in den nächsten Wochen kaum etwas ändern, auch wenn Sunrise zu Protokoll gibt, man sei mit der Swisscom in Verhandlungen. Doch mit einer Einigung sei nur im Falle einer substantiellen Preisreduktion zu rechnen. Ansonsten müssten die Behörden entscheiden. Für Roman Schwarz ist das Einschreiten der Comcom bereits heute so gut wie sicher. «Herr Furrer will Wettbewerb, und wir zählen auf ihn. Leider müssen wir
3 Monate lang ‚verhandeln’, was letztlich nur eine Zeitverzögerung von 3 Monaten ohne Bewegung bedeutet.» Sunrise-Sprecher Mathieu Janin klärt weiter auf, dass die ComCom dann maximal
7 Monate Zeit hat, die Preise festzusetzen. «Die Swisscom kann das Verfahren jedoch wesentlich verzögern.» Dass sie dies tun wird, scheint mehr als wahrscheinlich, denn auch Marc Furrer ist sich bewusst, dass die Swisscom nur verlieren kann, wenn sie andere in ihren Markt einbrechen lassen muss. Deshalb, so Furrer, werde sie alle Register ziehen.
So dürfte es also noch ein schönes Stück dauern, bis vom Unbundling profitiert werden kann. Roman Schwarz rechnet, dass es durch das Vorgehen der Swisscom sicher noch bis Ende Jahr – wenn nicht länger – gehen wird, bis der Kunde von der Öffnung profitiert. Sunrise mag nicht so lange warten: «Wir gehen davon aus, dass wir ab Herbst die ersten entbündelten Angebote machen und das Netz dann progressiv ausweiten werden», so Janin gegenüber InfoWeek. Schliesslich sei es nicht das erste Mal, dass Sunrise sich der Situation von überhöhten Preisen seitens der Swisscom gegenüber sehe. «Schon in der Vergangenheit haben wir Produkte lanciert, obwohl eine Einigung beziehungsweise ein ComCom-Entscheid zu den entsprechenden Swisscom-Gebühren ausstand. Swisscom musste das Geld später zurückzahlen.» Nicht ungelegen dürfte Sunrise dabei die eigene, mit ehemaligen Swisscom-Topshots (Jens Alder, Christoph Brand) gespickte Führungsriege kommen, die ihrerseits wissen dürften, wo der realistische Swisscom-Preis der letzten Meile liegt.
Die Swisscom-Konkurrenz stört sich nicht nur am hohen Preis für die letzte Meile, sondern auch an der Weigerung der Swisscom, wie vom Parlament gewünscht, den Bitstream-Access (Breitband-Internet) zu öffnen. «Dies ist ein Affront gegenüber dem Parlament», so Roman Schwarz. Auch Marc Furrer hat sich im «Blick» verärgert gezeigt. Sonst berufe sich die Swisscom immer aufs Parlament, nur hier wolle sie nicht dem Willen von National- und Ständerat folgen. Die Swisscom begründet die Weigerung damit, dass sie beim Bitstream nicht marktbeherrschend sei.
(mw)