Höhere Berufsbildung - eine noch unentdeckte Perle!
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/22
Die höhere Berufsbildung umfasst die so genannten Berufsprüfungen, die Höheren Fachprüfungen (Meisterprüfungen) sowie die Höheren Fachschulen. Wenn man die wichtigsten Merkmale der Höheren Berufsbildung zur treffenden Charakterisierung heranzieht, fallen die folgenden fünf sofort ins Auge:
Kaum eine Ausbildung ist derart praxisorientiert und arbeitsmarknah wie die Bildungsgänge der Höheren Berufsbildung. Ein hoher Anteil (nebenamtlicher) Lehrkräfte sind Praktiker/innen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung an die Lernenden weitergeben. Nur Länder mit einem starken dualen System verfügen auch über eine ausgebaute Höhere Berufsbildung. In erster Linie sind es die deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und Schweiz.
Entscheidend für das Bestehen einer Berufsprüfung oder einer Höheren Fachprüfung ist allein, dass die Kandidierenden über die verlangten Kompetenzen verfügen. Der Besuch eines vorbereitenden Kurses ist nicht zwingend, dennoch tun es rund 90 Prozent der Absolvierenden.
Die höhere Berufsbildung wird meistens von Privaten getragen, sehr häufig von Organisationen der Arbeitswelt (Berufsverbänden), die damit ihren Fach- und Führungsnachwuchs ausbilden. Es sind denn auch diese Organisationen, welche die inhaltlichen Anforderungen an die Abschlüsse festlegen.
Seit dem 1. Januar 2008 erfolgen die Finanzbeiträge mit Kopfpauschalen, die gemäss der interkantonalen Fachschulvereinbarung von den Kantonen ausgerichtet werden. Im Vergleich zur Tertiärstufe A (Universitäten, Technische Hochschulen, Fach- und pädagogische Hochschulen sind die Beiträge der öffentlichen Hand an die Höhere Berufsbildung jedoch bescheiden. Dadurch hat ein Absolvent, der das gesamt höhere Berufsbildungssystem durchläuft, Kosten von bis zu 90‘000 Franken selber zu tragen.
Für die KMU (Klein- und Mittelbetriebe) in der Schweiz hat die Höhere Berufsbildung eine grosse Bedeutung. Das vielfältige Angebot entspricht den organisch gewachsenen Bedürfnissen der Wirtschaft und trägt dazu bei, den sich sich in den nächsten Jahren abzeichnenden Fachkräftemangel zu vermindern.
Seit 2006 ist die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in der schweizerischen Bundesverfassung verankert. Dennoch fristet die Höhere Berufsbildung in der Öffentlichkeit eher ein Mauerblümchen-Dasein. Wer in unserer Bildungslandschaft heutzutage von der Tertiärstufe spricht, meint meistens die Fachhochschulen und die Universitäten (Tertiär A). Dass es neben dieser Stufe auch eine Stufe Tertiär B gibt, wird häufig ausgeblendet. Dabei ist die Höhere Berufsbildung für Absolvierende einer Berufslehre sozusagen die logische Fortsetzung des dualen Bildungswegs. Kein Aschenputtel, sondern die eigentliche Perle des dualen Berufsbildungssystems!
Die Bildungsmöglichkeiten im Bereich höhere Berufsbildung
Josef Widmer ist Präsident der SBBK – Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz und und leitet als Amtschef die Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern.