Informatica08 - ein Rückblick
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/22
Auf der Verbandsebene hat das Jahr der Informatik sehr vieles bewirkt. Wie immer wirkt sich ein Grossprojekt in der Zusammenarbeit positiv aus: Man geht aufeinander zu, es kommt Aufbruchstimmung auf. Sicher führten die vielen Kontakte und Gespräche dazu, dass die Verbände auf eine ihrer wichtigsten Aufgaben aufmerksam wurden, die der Nachwuchsförderung. Ohne Fachleute – keine Informatik in der Schweiz. Man hat erkannt, dass deutliche Anstrengungen für die Beschaffung des Personals in notwendiger Qualität und Quantität nötig sind.
Dies gilt unabhängig vom Bildungsweg und nicht nur für die höheren Bildungswege. Nicht alle haben es verstanden, dass am Malaise infolge des völlig ausgetrockneten Informatiker-Marktes nicht einfach nur der Staat schuld ist. Diejenigen, die noch dieser Meinung sind, müssten einsehen, dass die Hochschulen wohl nie über 1‘000 Schweizer Informatiker jährlich ausbilden können – dazu müssten 12% aller Maturanden in diesem Lande ein Informatikstudium beginnen, wovon üblicherweise nur die Hälfte von ihnen bis zum Abschluss gelangt! Der viel höhere Bedarf bedingt deshalb, dass auch bei der Grundbildung, also bei Lehre, Informatikmittelschule usw. massive Anstrengungen unternommen werden. Was auch dem üblichen Berufswerdegang entspricht, 70% der Schulabsolvent/-innen absolvieren eine Lehre und bilden sich danach weiter.
Negative Medienmitteilungen sind verschwunden! Erfreulich waren die sehr vielen Publikationen in den grossen Zeitungen und in vielen, vielen regionalen Medien – dort wo Eltern und Kinder ihre Informationen beziehen. Viele haben zwar Beiträge in der Tagesschau und wiederkehrende grosse Artikel in den grossen Tageszeitungen erwartet. Doch angesichts der vielen anderen ebenso wichtigen Themen und Fragen, die auch auf die Publikation warteten, war dies wohl ein unrealistischer Traum.
Schon dadurch, dass sie Sponsoren wurden, haben viele Betriebe bewiesen, dass Ihnen Image und Nachwuchsförderung ein dringendes Anliegen sind und dass sie sich engagieren wollen. Sie haben belegt, dass sie den Informatikstandort Schweiz sehr wichtig finden und hier bleiben wollen. Auch wenn einige von ihnen im Ausland Entwicklungszentren führen. Wobei zu sagen ist, dass dies gemessen an der Gesamtzahl der Informatikerinnen und Informatiker einen sehr kleinen Teil ausmacht. Erfreulich ist, dass die Grossbanken wahrgenommen haben, dass man mit Abbaubotschaften zwar die Aktionäre beeindrucken, aber gleichzeitig auch den Arbeitsmarkt nachhaltig ruinieren kann! Sie begannen, junge Leute in die Betriebe einzuladen und an Messen zu gehen, um ihnen die Vielfältigkeit der Informatik darzulegen. Wenn diese Erkenntnisse das Jahr der Informatik überleben, hat sich das Ganze schon gelohnt!
Eigentlich ist es phantastisch, wie viele Firmen, Verbände, Schulen usw. gute Ideen entwickelten und Ver-anstaltungen durchführten. Da ist eine Kraft losgetreten worden, die sicher Auswirkungen haben wird. Es gelang, der Bevölkerung zu zeigen, dass der Informatik-Standort Schweiz eine beachtliche Grösse erreicht hat und viel zum wirtschaftlichen Wohl beiträgt. Wie viel? Das wissen wir leider nach wie vor nicht. Dabei wäre gerade das für künftige Botschaften wichtig! Neueste Schätzungen kommen auf 320‘000 Personen, die im Berufsfeld Informatik arbeiten (inside-it.ch).
In Volksschulen und Gymnasien hat sich einiges bewegt, das bewies ein Workshop in Bern. Da ist vieles im Tun, von den Pädagogischen Hochschulen bis zur einzelnen Schule. Noch vermissen die Verantwortli-chen deutliche Signale eines starken Verbandes, der sagt, dass die Schulen nicht wegen des Personal-
mangels Informatik in die Bildung integrieren sollen, sondern weil jede und jeder tagtäglich mit Informatik-getragenen, -betriebenen oder -gesteuerten Produkten konfrontiert wird. Und jede und jeder später Berufstätige muss in ihrem/seinem Beruf mitdenken, neue Produkte mit Swiss Made Software und Hardware noch attraktiver zu machen, um damit Marktanteile im internationalen Konkurrenzkampf zu sichern und Neue zu gewinnen. Das betrifft sämtliche Berufsfelder… also sind Grundlagenkenntnisse für alle von Nöten. Es braucht ein Mehrfaches an Informatik-Sachverständigen wie Informatikerinnen und Informatiker selber.
Heute sagen wir leider zu allem «Informatik», ob Tastaturschreiben, Word bedienen, Fotobearbeitungskurs oder Programmieren – kein Wunder, dass das Bundesamt für Statistik Power-User zu den Informatikern zählt. Nicht von ungefähr hat die Hasler-Studie in einer Schulumfrage herausgefunden, dass für Schüler/-innen und Lehrkräfte Informatik gleichbedeutend ist mit PC und Office und dass die Software aus Amerika kommt und man damit umgehen können sollte. Warum also sollte man Informatiker werden und neue Lösungen schaffen, wenn schon alles erfunden ist? Da ist offenbar noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig.
Bei diesen ist am Wenigsten auszumachen. Sind sie heute tatsächlich so weit, dass sie selber den eigenen Kindern oder denen von Bekannten die Informatik empfehlen würden? Oder reden sie eher über Unsicherheit in diesem Berufsfeld?
Ich persönlich komme zum Schluss: Das Jahr der Informatik war eine geniale Idee. Es hat sehr vieles bewirkt, hat aufgerüttelt, mobilisiert und viel Goodwill geschaffen. Rund 300‘000 Personen arbeiten in unter-schiedlichsten Branchen in der Informatik, sie erarbeiten wohl über 50 Mia CHF jährlich und erarbeiten somit rund 18% des Bruttosozialprodukts. Wir merken langsam, dass die Informatik nicht für den Informa-tik-Betrieb da ist, sondern für Ihre Kunden und dass sie in jedem neuen Produkt und Prozess eine zentrale Rolle eingenommen hat. Und damit schlechthin zur zentralen Drehscheibe wurde. Es geht nicht mehr nur um die Frage, ob und wie sich der Markt bei fehlenden Fachleuten hilft, sondern um die Frage, wie hoch der Verlust einer Firma ist, wenn ein Produkt zu spät, nicht oder zu schlecht an den Markt kommt und die Firma dadurch Marktanteile verliert oder schlimmer noch vom Markt gefegt wird.
Es war nötig und gut, das Jahr der Informatik. Es heisst nun, die angefangene Arbeit auszubauen und fortzusetzen und Nachhaltigkeit zu sichern und Begonnenes deutlich zu intensivieren. Die anderen Berufsverbände machen es uns vor: Es braucht hoch qualifizierte Profis in der Verbandsarbeit, die für Image, Anerkennung, Bildung, Qualitätsförderung und für die politische Präsenz sorgen.
Alfred Breu, Fachgruppe Lehr- und
Praktikumsbetriebe