Verpasste Chancen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Eine Firma hat eine geniale Idee für ein neues Produkt, das den Markt revolutionieren wird. Das hat die Marktanalyse erkennen lassen. Auch scheint der Einführung auf das Wintergeschäft und die Messe X realisierbar zu sein. Man konnte hoffen, erfolgreich zu sein und deutlich Marktanteile zu gewinnen. Doch bald bestätigte sich leider, dass das Produkt erst ein halbes Jahr später bereit sein wird. Die Informatikfirma, die einen wesentlichen Beitrag zu dem neuen Produkt liefern sollte, ist voll ausgelastet, kann infolge des bekannten Fachleutemangels nicht ausbauen und kommt mit bestehenden Aufgaben kaum nach. Die Vergabe ins Ausland platzte schlussendlich an der Umsetzung, die Schweizer Qualität und Niveau nicht entsprechen konnte.


Als das Produkt der Firma X dann endlich so weit war, befanden sich die Produkte der koreanischen Konkurrenz bereits höchst erfolgreich in den weltweiten Märkten. Fazit? Verpasstes Geschäft, verpatzte Marktanteile, ein anderer hat die Nase vorne. Warum? Weil die Schweizer Firmen zu wenig Informatiker-Nachwuchs generieren – leider.



Gregor Hengers Buch «Informatik in der Schweiz» beschreibt die «Erfolgsgeschichte verpasster Chancen» der Schweizer Informatik. Doch betrafen sie bisher hauptsächlich die Informatik selber, so sind heute deutlich umfassendere Konsequenzen zu berücksichtigen. Praktisch alle Produkte und Prozesse sind von einer guten Informatik-Lösung abhängig. Entsprechend ist es unumgänglich, die nötige Menge Fachleute mit dem nötigen Rüstzeug auszubilden. Leute, die das Business kennen, die in der Lage sind, an der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mitzuwirken. Vor allem dann, wenn die gute Idee kommt.


Alles beginnt mit einem Studium oder einer Berufslehre. Für mehr Informatikstudenten wird nun vieles gemacht und sollte in einigen Jahren Früchte tragen. Rascher würde die Ausbildung via Lehre wirken. Das Interesse der Jugend ist geweckt – jetzt brauchen wir dringend mehr Lehrplätze. Was ist nahe liegender, als Interesse der Jugend und Bedürfnis der Wirtschaft in Einklang zu bringen? Lehrlinge ausbilden braucht keine Instruktoren, nur eine Fachperson, die Willens ist, mit einer/einem
Jugendlichen im Tandem die Fertigkeiten einzuüben und im produktiven Umfeld einzusetzen. Vom Groben zum Detail, vom Einfachen zum Komplexen.



Alfred Breu, Präsident ZLI – Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik




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