Komplexität zerstört Vertrauen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/20
Das globale Finanzsystem hat uns in den letzten Wochen ein Schulbeispiel dafür geliefert, wie Vertrauen rasch verloren und nur äusserst mühsam wieder aufgebaut werden kann. Dabei liegt der Hauptgrund für den Vertrauensverlust darin, dass die Komplexität dieses Finanzsystems und der darin gehandelten Finanzprodukte auch von den professionellen Beteiligten nicht mehr vollständig durchschaut werden kann. Niemand weiss genau, welche Auswirkungen von welchen Quellen ausgehen. Aus Sicht der Informatik ist an diesem Beispiel besonders interessant, dass bei Finanzprodukten sowohl die Objekte – das Geld – wie auch die Methoden und Werkzeuge ausschliesslich informationstechnische Gebilde sind, somit virtuell und nur in Computern realisiert, aber mit sehr konkreten Auswirkungen auf die reale Welt. Das ist Informationsgesellschaft pur.
Die Informationsgesellschaft basiert auf digitalen Geräten (Hardware) einerseits, auf Programmen und Daten (Software) anderseits. Beide Bereiche haben im letzten halben Jahrhundert eine gewaltige Entwicklung erlebt. Geräteseitig ermöglichte der noch immer andauernde exponentielle Leistungszuwachs der Mikroelektronik (Moore’s law) ständig grössere Prozessoren und Speicher. Diese Geräte könnten aber ihre heutigen Leistungen nicht erbringen ohne die zugehörigen Programme. Und in diesen steckt die wohl grösste Gefahr für die Informationsgesellschaft und damit auch für das Vertrauen in deren Funktionsfähigkeit: Es geht um die Komplexität der Software-Lösungen. Gerade weil die Programme selber immateriell sind, gibt es praktisch keine Grenzen für deren Umfang. Professionelle Programmsysteme umfassen Millionen von Elementarbefehlen, deren Fehlerfreiheit niemand mit Sicherheit garantieren kann.