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Das lange Warten auf 802.11n

Im Januar 2006 wurde der erste Entwurf des WLAN-Standards 802.11n verabschiedet, die Ratifizierung steht aber bis heute aus. Was steckt hinter den Verzögerungen?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/16

     

Eine neue, zertifizierungsbedürftige Technologie wird normalerweise in einem ersten Schritt zum Standard, und erst dann werden die Produkte dazu lanciert. Nicht so beim WLAN-Standard 802.11n. Der erste Entwurf wurde am 20. Januar 2006 verabschiedet, auf die endgültige Ratifizierung wartet man seither vergeblich. Seit Juli 2008 liegt eine Draft-5.0-Version vor, Draft 6.0 kommt als nächstes zur Abstimmung. Mit der endgültigen Ratifizierung ist frühestens Ende 2009 zu rechnen.
Umso erstaunlicher ist, dass bereits seit Mitte 2006 eine ganze Reihe Draft-N-Produkte auf dem Markt verfügbar ist – obwohl der Standard noch nicht finalisiert ist. Die meisten dieser Geräte entsprechen dem Standard 802.11 Draft 2.0, der seit März 2007 vorliegt, und tragen das Logo der WiFi Alliance. Markt und Verkaufszahlen geben den Herstellern hier Recht, spiegeln sie doch deutlich eine rege Nachfrage wider. Warum aber geht es mit der Ratifizierung des neuen Wireless-Standards dennoch nur langsam voran?


Höhere Übertragungsraten

Der künftige Standard 802.11n – auch Wireless N – verspricht in erster Linie höhere Übertragungsraten. So können in der finalen Version theoretisch Brutto-Datenraten von bis zu 600 Mbit/s erreicht werden. Die Basis hierfür liefert die bereits bekannte MIMO-Technologie (Multiple Input, Multiple Output). MIMO ermöglicht das gleichzeitige Senden von vier parallelen Datenströmen, sogenannten Spatial Streams, was einen enormen Sprung bei den Datendurchsatzraten bewirken kann. Aktuelle Prototypen übertragen über drei Datenströme bereits bis zu 450 Mbit/s, doch die Mehrheit der derzeit am Markt befindlichen Geräte nutzt zwei parallele Datenströme und sendet mit einer Brutto-Geschwindigkeit von 300 Mbit/s. Das entspricht einer Netto-Übertragungsrate – damit sind die reinen Nutzdaten ohne jegliche Steuerinformationen gemeint – von etwa 100 Mbit/s.


Neben den höheren Übertragungsraten punktet Wireless N mit der Antennen-Diversity-Technologie, die erstmals in einem Funkstandard enthalten ist und dank der eine bessere Reichweite erzielt werden kann. «Antennen Diversity» bezeichnet ein Verfahren, das mehrere Antennen pro Sender oder Empfänger verwendet und beim Empfang der Daten jeweils das beste Signal nutzt. Auf diese Weise werden Interferenz-Effekte bei der Funkübertragung reduziert.



Weiterhin ist in 802.11n die Verwendung des 2,4-GHz- sowie des 5-GHz-Frequenzbands verankert. Damit wird Anwendern bei hohem Datenaufkommen eine Alternativfrequenz geboten. Die hohen Bandbreiten von bis zu 300 Mbit/s werden unter anderem durch den Einsatz von Kanalbündelung erreicht (s. Infobox). Nicht zuletzt aus diesem Grund wird der künftige Standard 802.11n sicherlich zu einer weiteren Verbreitung von WLAN führen. Probleme wie mangelnde Performance bei der Übertragung grösserer Datenmengen oder fehlender Reichweite, die bisher vor allem im professionellen Umfeld eine Hemmschwelle bei der Entscheidung für ein kabelloses Netzwerk waren, können durch die Wireless-N-Technologie weitgehend eingedämmt werden. Somit steht nicht nur im Consumer-, sondern auch im Geschäftskundenumfeld ein einschneidender Technologiewandel bevor.


Viele ziehen an einem Strang

In den Ratifizierungsprozess des neuen WLAN-Standards 802.11n involviert sind das IEEE, die WiFi Alliance und das Enhanced Wireless Consortium (EWC). Ursprünglich entwickelt wurde der Vorschlag für 802.11n vom EWC, die Spezifikation muss aber den Ratifizierungsprozess der IEEE durchlaufen. Im Januar 2006 hatten sich die Mitglieder des für den neuen WLAN-Standard zuständigen Gremiums auf einen gemeinsamen Entwurf verständigt. Im März 2006 nahm das Gremium den leicht überarbeiteten Vorschlag dann einstimmig an und reichte ihn bei der IEEE-Arbeitsgruppe 802.11 zur Abstimmung ein – doch der 11n-Entwurf fiel durch und ging zurück an das EWC anstatt in die nächste Ratifizierungsphase.


Knackpunkt ist die Kanalbündelung

Einer der Hauptgründe für die häufige Verschiebung der Ratifizierung von 802.11n war die kritische Frage, ob die Verdopplung der Bandbreite von Funkkanälen erlaubt ist oder nicht. Sowohl im 2,4- als auch im 5-GHz-Frequenzband gilt für Kanäle eine übliche Breite von 20 MHz. Zusätzlich dazu führt 802.11n einen optionalen 40-MHz-Betrieb ein, um das Datenvolumen bei der Übertragung zu erhöhen und zu beschleunigen.

Probleme bereiteten hier jedoch vor allem gemischte Umgebungen mit vorhandenen 802.11b/g-Produkten, da diese nur mit 20-MHz-Kanälen senden und deren Übertragungsmöglichkeiten durch einen präsenten 40-MHz-Kanal stark verringert würden. Nach der Implementierung von 40-MHz-Kanälen in die ersten Draft-Versionen von 802.11n konnte das Aufeinandertreffen von 802.11b/g-Geräten mit ersten, bereits verfügbaren Produkten nach dem vorläufigen neuen Standard unter realen Bedingungen getestet werden.


Einerseits soll die Wireless-N-Technologie hohe Brutto-Datenraten von bis zu 600 Mbit/s möglich machen. Andererseits aber sollen die vorhandenen 802.11b/g-Funknetze nicht zu stark eingeschränkt werden, da bereits eine Vielzahl dieser Produkte im Einsatz ist. Ziel war es also, eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Technologien 802.11b/g und 802.11n untereinander zu erreichen. Die Umstellung auf die 20-MHz-Kanäle – eine der bedeutendsten technischen Änderungen in der Geschichte von 802.11n – ist in der Folge in den Draft 3.0 eingeflossen.



Weitere technologische Änderungen ab Draft 3.0 waren zumeist weniger bedeutend; so bestimmen sie unter anderem etwa das Timing, das heisst den exakten Ablauf beim Übertragen bestimmter Datenpakete sowie deren Ac­knowledgements. Zum Teil haben die Änderungen von Draft zu Draft ausschliesslich den genauen Wortlaut des Entwurfs zum Inhalt. Nicht zuletzt gilt es selbstverständlich auch, die Anforderungen der einzelnen Mitglieder des Gremiums zu berücksichtigen und umzusetzen. Alle weiteren Unterschiede zwischen Draft 3.0 und Draft 6.0 beschränken sich grösstenteils auf Feinheiten. Dafür sprechen auch die kurzen zeitlichen Abstände zwischen der Genehmigung der letzten Drafts. Dennoch haben sie alle ihre Berechtigung, tragen sie doch entscheidend zur endgültigen Reife des Standards bei.


Grünes Licht für Anwender

Hersteller wie Anwender können also davon ausgehen, dass hinsichtlich des finalen Standards hardwareseitig nicht mit grossen Änderungen zu rechnen ist. Erforderliche Anpassungen der Wireless-N-Geräte nach 802.11n Draft 2.0 an den finalen Standard werden demnach über die Software und Firmware-Updates zu lösen sein. Aus diesem Grund zertifiziert die WiFi Alliance seit Mitte 2007 Wireless-N-Geräte auf Basis von 802.11n Draft 2.0. Das Logo «802.11n Draft» steht für die Kompatibilität der Geräte untereinander und zu älteren Geräten sowie für diverse Sicherheitsanforderungen. Für den Anwender bedeutet dies, dass die bereits verfügbaren Draft-2.0-Geräte sehr wahrscheinlich voll kompatibel zu neuen 802.11n-Produkten wie auch zu 802.11b/g-Geräten sein werden.



Auch wenn zu Beginn nicht alle Anwender davon überzeugt waren und sich aufgrund des Draft-Status von 802.11n vor allem im Geschäftsumfeld eine deutliche Kaufzurückhaltung abzeichnete, so spielt die noch ausstehende Ratifizierung durch das IEEE inzwischen eine eher geringe Rolle. Nach wie vor überwiegt allerdings der Anteil der Nutzer aus dem Privatumfeld; bei den Geschäftskunden wird sich die neue Technologie wohl erst mit dem finalen Standard endgültig durchsetzen. Was lange währt, wird endlich gut? Die Working Group IEEE 802.11n trifft sich wieder Mitte und Ende 2009 – dann könnte der Wireless-N-Standard endgültig ratifiziert werden.


Ausblick: Stossen die Funkverbindungen an ihre Grenzen?

Die neue Technologie 802.11n kann technisch in zwei Funkbändern arbeiten, nämlich im 5-GHz- und im 2,4-GHz-Band. Während im 5-GHz-Band die gebündelten 40-MHz-Kanäle weitgehend akzeptiert sind, sorgen sie im 2,4-GHz-Band für Unmut. In das weltweit höchstens 83 MHz breite Band passen normalerweise nur drei Kanäle von 20 MHz Bandbreite. Nun ist der Bereich um 2,4 GHz aber nicht an eine bestimmte Technik gebunden, sodass sich hier weltweit neben Funkamateuren auch bereits WLAN (802.11), Bluetooth und ZigBee tummeln. Dazu gesellen könnten sich in absehbarer Zeit WiMAX und Fernsteuerungen für Modellflugzeuge – nicht zu
vergessen 802.11n, der den 40-MHz-Betrieb vorsieht.



Bei Geräten, die nach dem Standard Draft 2.0 arbeiten, kann die Bildung eines 40-MHz-Kanals durch das Setzen eines sogenannten «40-MHz-Intolerant-Bit» unterbunden werden. Doch die Sache hat einen Haken: Nicht alle Geräte sind in der Lage, das 40-MHz-Intolerant-Bit zu erzeugen. Die WiFi Alliance hat bereits reagiert und in den weiteren Entwürfen zu 802.11n (Draft 3.0/4.0/5.0) festgelegt, dass 802.11n-Geräten der 40-MHz-Betrieb im 2,4-GHz-Band nicht gestattet ist.


Der Autor

Dominik Fritzsche ist Produkt Manager
bei D-Link (Deutschland).




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