Der Link von der Supply Chain zum ERP-System

Supply Chain Management sorgt für optimale Prozesse von der Anlieferung der Rohstoffe bis hin zur Auslieferung der Produkte.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/20

     

Eine reibungslos laufende, gut geschmierte Supply Chain ist die Hauptschlagader produzierender Unternehmen.



Supply Chain Management hat sich in den letzten Jahren denn auch zu einem Kernthema für Unternehmen entwickelt. Der Markt, auf dem sich noch vor wenigen Jahren fast ausschliesslich spezialisierte Anbieter wie Manugistics und i2 bewegt haben, wird mehr und mehr zu einem Massenmarkt. Die führenden Hersteller im ERP-Umfeld (Enterprise Resource Planning) wie SAP, J.D. Edwards und Oracle haben mittlerweile eigene Angebote für das Supply Chain Management. Auf der anderen Seite drängen aber auch Unternehmen aus dem B2B-Umfeld wie Ariba mit seinem Konzept des Value Chain Management (VCM) in diesen attraktiven Markt.




Das Schlagwort Collaborative Commerce, das auch von Anbietern wie J.D. Edwards aufgegriffen worden ist, zeigt wiederum den wachsenden Anspruch beim Supply Chain Management. Es geht nicht mehr nur darum, Lieferungen zu planen und zu verwalten, sondern vielmehr um die Vernetzung der verschiedenen Unternehmen entlang der Supply Chain, so dass die Interaktion zwischen den Menschen über die Unternehmensgrenzen hinaus optimal unterstützt wird.



Dieser Aspekt des Collaborative Commerce führt zu der Herausforderung, die für die wachsende Bedeutung des Supply Chain Management verantwortlich ist: zur Schaffung unterbrechungsfreier Wertketten. Die Kosten für das Management von Wertketten sind durch Unterbrechungsstellen zu hoch. Manuelle Eingriffe führen darüber hinaus dazu, dass Prozesse zu langsam ablaufen.



Die Kernherausforderung im Supply Chain Management ist daher eine reibungslose Integration mit bestehenden IT-Systemen - und hier natürlich insbesondere auch ERP-Lösungen - in allen Unternehmen, die an einer Supply Chain beteiligt sind. Dazu gehört aber auch die optimale Vernetzung von Menschen, wie sie mit dem Collaborative Commerce adressiert wird.



Diese Herausforderungen werden von weiteren Anbietergruppen aufgegriffen. Zum einen gibt es für den Bereich des Collaborative Commerce neben den Anbietern aus dem B2B-Umfeld und den klassischen ERP- und Supply-Chain-Anbietern auch spezialisierte Unternehmen wie ArsDigita, MatrixOne oder Intraspect, die sich auf die Entwicklung von optimierten Netzplattformen für die Interaktion auch über die Grenze einzelner Unternehmen hinaus und andere Lösungen für Collaborative Commerce spezialisiert haben.



Zum anderen verlagert sich der Fokus auch mehr und mehr auf Spezialisten für die Integration. Dazu zählen Anbieter wie das Schweizer Unternehmen Redtoo oder Softwarehersteller wie Seebeyond oder auch TIBCO. Die Unterstützung durchgehender Prozesse sowohl zwischen Systemen als auch zwischen Menschen ist eine Hauptanforderung für effiziente Supply-Chain-Lösungen.


Standards für Supply Chains

Die Problematik wird dadurch verschärft, dass es derzeit praktisch keine Standards für die Abbildung von Supply Chains und die Integration von Lösungen unterschiedlicher Hersteller gibt. Der am weitesten gediehene Lösungsansatz ist derzeit RosettaNet, eine Sammlung von Protokollen für Hersteller von elektronischen Geräten. Auch in anderen Branchen wie beispielsweise der Chemie gibt es vergleichbare Standardisierungsbestrebungen. RosettaNet erfreut sich mittlerweile auch einer sehr breiten Unterstützung. Microsoft wird diese Standards mit seinem BizTalk-Server ebenso unterstützen wie beispielsweise SilverStream, ein Hersteller von grafischen Werkzeugen für die Integration unterschiedlicher Systeme über XML-Standards. Die Standardproblematik bleibt aber dennoch bestehen. Dies liegt daran, dass es eine Vielzahl von Prozessen gibt, die sich einer Standardisierung entziehen, aber auch daran, dass die Kosten für die Implementierung solcher Standards für kleine und mittlere Unternehmen oft deutlich zu hoch sind - zumindest solange, bis diese als integrierte Funktion von den dort eingesetzten ERP-Systemen angeboten werden.



Ein Aspekt darf dabei ohnehin nicht übersehen werden: Die Standardisierung von Prozessen erstreckt sich auf Güter, die in einem normierten Prozess bestellt werden. Dieser Bereich wird aber von Grossunternehmen auch heute schon vergleichsweise gut beherrscht. Die höchsten Prozesskosten entstehen aber, wenn spezielle Bestellungen durchgeführt werden müssen. Hier kommt dem kollaborativen Prozess der Auftragseinholung und Bestellabwicklung - also der Interaktion zwischen Menschen - eine weitaus höhere Bedeutung zu als einer standardisierten Supply Chain. Ohne Lösungen für Collaborative Commerce, die auf solche Situationen fokussieren, lassen sich damit keine vollständigen Supply-Chain-Lösungen realisieren.





ERP-integrierte Ansätze

Der erste Adressat für Supply-Chain-Lösungen sind typischerweise die Hersteller von ERP-Systemen. SAP hat beispielsweise in den letzten Monaten das Marketing für seine eigenen Angebote in diesem Bereich massiv forciert. SAP R/3 SCM ist für Unternehmen, die auf SAP R/3 setzen, auch ein naheliegender Lösungsansatz.



Die Gartner Group weist allerdings zurecht darauf hin, dass die Integration zwischen den ERP-Systemen und ihren Transaktionssystemen und den SCM-Lösungen keineswegs in allen Fällen wirklich überzeugend ist. Zudem gibt es im Supply Chain Management je nach Industrie und Unternehmen stark unterschiedliche Anforderungen.




Der erste Schritt muss daher darin bestehen, einen Anforderungskatalog zu erstellen und diesen mit den Angeboten verschiedener Hersteller abzugleichen. Falls das ERP-Produkt, das ohnehin im Einsatz ist, die gestellten Anforderungen erfüllt, ist diese Lösung naheliegend. Aber auch dann gilt es, die Integration mit dem eingesetzten ERP-System genau zu überprüfen.



Hinzu kommt, dass Hersteller wie Manugistics und i2 auch eigene Integrationsprogramme haben und damit das Problem der Anbindung an bestehende ERP-Systeme adressieren. Und diese Hersteller bieten dann optimale SCM-Lösungen und eine umfassende Erfahrung in diesem Bereich. Weiter muss beachtet werden, dass keineswegs alle Supply-Chain-Management-Angebote wirklich eigenentwickelte Lösungen der verschiedenen Anbieter sind. Oracle hat beispielsweise einen Best-of-Breed-Ansatz, der eine Integration von Lösungen rund um die eigene Technologie vorsieht. Der Datenbankspezialist ist allerdings auch der Anbieter im SCM-Sektor, der derzeit wohl von den grossen Anbietern noch den stärksten Fokus auf die Planung hat und am wenigsten auf Collaborative Commerce ausgerichtet ist.



Betrachtet man die verschiedenen Lösungen und Angebote, so erscheint es heute notwendiger denn je, das Hauptaugenmerk auf die Integration zu legen. Die IT der Zukunft ist nicht mehr auf Lösungen, sondern auf die Integration derselben ausgerichtet. Gute Lösungen gibt es heute für jeden Bereich. Mehrwert für Unternehmen liefern diese aber nur, wenn sie optimal in die bestehende IT-Infrastruktur eingebunden werden.



Das Angebot von ERP-Herstellern verspricht zunächst eine solche Integration. In einer Supply Chain müssen aber viele Unternehmen zusammenarbeiten. Dabei ist kaum davon auszugehen, dass alle mit dem gleichen ERP-System arbeiten. Nur wenn der Anbieter der SCM-Lösung wirklich in der Lage ist, Integrationsprobleme umfassend zu lösen, macht sein System auch wirklich Sinn.




Die führenden Anbieter

Im Bereich des Supply Chain Management sind zwei Anbietergruppen führend. Einerseits haben alle grossen ERP-Hersteller wie SAP, J.D. Edwards, Oracle und PeopleSoft auch Supply-Chain-Lösungen im Portfolio. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Regel auf dem planerischen Aspekt, was bei der Historie dieser Anbieter auch naheliegend ist. Auch das unlängst von Microsoft erworbene Unternehmen Great Plains Software verfügt über eine eigene Supply-Chain-Management-Software, wobei auch hier der Schwerpunkt auf den quantitativen Aspekten liegt.



Genauso hat Manugistics, neben i2 einer der beiden Grossen, auf SCM spezialisierten Anbieter, einen deutlichen Fokus auf dem quantitativen Aspekt des Supply Chain Management mit der Planung und Optimierung von Beschaffungsvorgängen. Die Lösungen von Manugistics lassen sich unter dem Stichwort der Enterprise Profit Optimization zusammenfassen. Dabei geht es einerseits um das Management der Supply Chain, andererseits um die Preis- und Umsatzoptimierung. i2 hat hier einen deutlich breiteren Fokus. Um den Content herum, der sich insbesondere auf Produktkataloginformationen bezieht, gibt es basierend auf der i2 Tradematrix Platform Lösungen für das Supply Chain Management, das Supplier Relationship Management und CRM (Customer Relationship Management). Mit der Akquisition von Rightworks hat i2 zudem seinem Portfolio auch eine leistungsfähige Lösung für B2B-Marktplätze und E-Procurement hinzugefügt.





Collaborative Commerce

Wie immer, wenn ein Thema neu ist, gibt es zu Beginn eine Vielzahl von Lösungsanbietern. Das gilt auch für Collaborative Commerce. Eine beachtliche Zahl von Unternehmen hat sich in diesem Feld positioniert. Interessant ist dabei aber vor allem, dass die etablierten Anbieter dieses Feld bisher noch weitgehend vernachlässigen. Kaum einer der führenden Hersteller im Bereich des Supply Chain Management kann bisher mit innovativen Lösungen für die Zusammenarbeit von Personen entlang der Supply Chain glänzen. Dieses Feld wird neuen Anbietern wie Agile Software, Click Commerce oder Comergent überlassen.



Da dabei aber der grösste Teil der Prozesskosten entsteht, weil auch die komplexen und nicht standardisierbaren Prozesse adressiert werden, muss Collaborative Commerce auf der Agenda von IT-Verantwortlichen ganz weit oben stehen. Denn hier bietet sich das grösste Einsparungspotenzial. Die richtigen Anbieter sind diejenigen, die neben Collaborative Commerce auch Enterprise Application Integration (EAI) beherrschen und damit in der Lage sind, nicht nur eine zusätzliche Lösung zu liefern, sondern diese mit vorhandenen ERP- und SCM-Systemen zu einer Gesamtlösung zu verbinden.





Klassisches ERP

Nachdem mit Baan einer der grossen Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-Lösungen ausgeschieden ist, ist die Auswahl im Bereich von ERP-Systemen für grössere Unternehmen doch ziemlich eng geworden.



SAP, PeopleSoft, J.D. Edwards und Oracle dominieren den Markt. Auf den weiteren Plätzen folgen Unternehmen wie Bäurer im deutschsprachigen Markt oder Great Plains Software mit deutlichem Schwerpunkt auf den USA sowie eine Vielzahl weiterer weniger bekannter Anbieter.




Auch hier gilt aber wie für das Supply Chain Management: Es kommt zunehmend weniger auf die reine Leistungsfähigkeit der Software, sondern mehr und mehr auf ihre Integrationsfähigkeit in bestehende IT-Infrastrukturen an. Denn nur wenn es gelingt, Prozesse durchgehend und ohne Medienbrüche abzubilden, können diese schnell und effizient abgewickelt werden. Und nur dann wird es gelingen, die Prozesskosten in Unternehmen zu reduzieren.



Davon profitieren werden einerseits die grossen Anbieter in diesem Markt, die auf der einen Seite selbst über umfassende Kompetenzen in der Integration verfügen und zum anderen auf einen grossen Markt von Lösungs- und Implementierungsspezialisten verweisen können. Zum anderen spricht einiges dafür, dass der nur mühsam in Gang kommende ASP-Markt davon ebenfalls profitieren wird. Denn dort kann das Integrationsproblem zum ASP-Anbieter verlagert beziehungsweise dessen Kompetenz in der Integration seiner ASP-Lösungen mit der bestehenden IT-Infrastruktur der Kunden genutzt werden.



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