PDAs mit Palm OS: Kleine feine Unterschiede

PDA-Marktführer Palm gerät auch in der eigenen Betriebssystemwelt zusehends unter Druck. Noch kann er aber die Konkurrenz ausstechen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/20

     

InfoWeek liess vier Palm-basierende Handhelds zu einem Vergleichstest antreten. Sämtliche getesteten Geräte sind erst seit kurzem am Schweizer Markt erhältlich und in etwa für dieselbe Zielgruppe positioniert. Jeder der vier Hersteller versucht, sich mit verschiedenen Gimmicks von der Konkurrenz abzuheben und sich bei möglichen Käufern einzuschmeicheln. So kann denn vorab das Fazit gezogen werden, dass sich bei den auf dem Palm OS basierenden PDAs für die meisten Geschmäcker etwas finden lässt und die Preis/Leistungsunterschiede nicht allzu gross sind.



Palm ist ohne Zweifel nach wie vor der Platzhirsch unter den PDA-Herstellern. Aber immer mehr knabbert die Konkurrenz an den Marktanteilen. Jüngst sind vom britischen Marktforschungsinstitut Canalys PDA-Verkaufszahlen für das erste Quartal in Westeuropa ermittelt worden. Sie zeigen, dass die Marktanteile von Palm am Schmelzen sind wie kürzlich der Schnee in der Frühlingssonne. Mehr als 10 Prozent hat man gegenüber der Vorjahresperiode eingebüsst und liegt nun bei 41,3 Prozent. Gewinner ist Compaq mit dem auf Microsofts Pocket-PC-Plattform basierenden Gerät namens iPaq (11,9%). Aber nicht nur von der Konkurrenz-Plattform droht Ungemach.




Seit geraumer Zeit wird das Palm OS auch an Dritthersteller lizenziert. Das war sicher ein weiser Schachzug des Herstellers. Damit hat man sich mit den Lizenzgebühren eine zweite Einnahmequelle erschlossen und ist nicht mehr allein auf die Hardwareverkäufe angewiesen. Allerdings muss sich Palm dadurch zusehends auch in der eigenen Betriebssystemwelt vor der Konkurrenz fürchten. Immer mehr aufstrebende Konkurrenten entwickeln PDAs, die auf demselben OS basieren und den Geräten von Palm - wenn man sich die Features vergegenwärtig - kaum in etwas nachstehen.



Für den Kunden bringt diese Konkurrenzsituation nur Vorteile: Palm muss sich einerseits um mehr Innovation bei den Produkten bemühen, und andererseits wirkt sich der verstärkte Wettbewerb auch auf das Preis/Leistungsverhältnis bei den mobilen Begleitern aus. Schliesslich zwang der Konkurrenzdruck Palm auch dazu, Produkte für das Tiefpreissegment zu entwickeln.



Der vorliegende Vergleichstest nimmt das Top-End der Monochrom-Palm-Handhelds unter die Lupe. Die Preise sind in diesem Bereich zwar relativ hoch, im Vergleich zu den Pocket PCs sind sie aber durchaus wettbewerbsfähig.


HandEra 330

Auf den Namen HandEra ist man spätestens mit dem jüngsten Modell mit der Bezeichnung 330 aufmerksam geworden, reizt es doch mit einer Hardware-Ausstattung, die man bei andern Palm-PDAs vergeblich sucht. So bietet das HandEra-Gerät beispielsweise das grösste Display und die feinste Auflösung der hier getesteten Geräte. Beim Bildschirm unterscheidet sich der HandEra 330 zudem in einem weiteren Punkt von den Geräten der übrigen Hersteller: Die Fläche für die stiftbasierte Eingabe von Text und Zahlen wird virtuell auf dem Display dargestellt, ebenso die Icons, die bei den anderen Geräten um die Eingabefläche herum gruppiert sind. Dieser Bildschirmabschnitt kann zum Verschwinden gebracht werden, wodurch schliesslich bis zu 240x320 Pixel dargestellt werden können. Allerdings gibt es erst wenige Anwendungen für das Palm OS, die diese Auflösung auch ausnutzen - beispielsweise eine E-Book-Reader-Software, die HandEra empfiehlt.



Ein weiterer Vorteil dieser virtuellen Eingabefläche besteht darin, dass sie bei eingeschalteter Hintergrundbeleuchtung ebenfalls erhellt wird, während man bei allen andern Geräten in diesem Test nachts bei der Dateneingabe buchstäblich im Dunkeln tappt.




HandEra bietet überdies eine weitere Exklusivität. Gleich zwei Einschubschächte für Erweiterungskarten sind im Gerät eingebaut. Bei der Konkurrenz muss man sich - wenn überhaupt - mit einem zufriedengeben. Die Einschubschächte sind aber mit dafür verantwortlich, dass das Gerät vergleichsweise dick und schwer ist.



Unterstützt werden wie beim Palm m500 die sogenannten SD/MMC-Karten (Secure Digital/MultiMediaCard). Darüber hinaus schluckt der HandEra 330 auch CompactFlash-Karten (Typ I und II). Mit Backup und CardPro sind zwei Applikationen enthalten, die den Einsatz der Speichererweiterungen vereinfachen.
Erwähnenswert ist beim HandEra 330 zudem das Jog Wheel, ein auf der Seite angebrachtes Rädchen für die Navigation ohne Stift, sowie das eingebaute Mikrofon und der für die vorhandenen Grössenverhältnisse stattliche Lautsprecher. Mit der installierten Anwendung namens Voice Pad lassen sich Sprachnotizen aufnehmen und abspielen.



HandEra liefert mit der Vollversion von QuickOffice zudem eine Anwendung, mit der Word- und Excel-Dateien auf dem Handheld editiert werden können.
Die bis jetzt beschriebenen Leistungsmerkmale machen glauben, dass das Gerät auf allen Ebenen überzeugt. Dem ist leider nicht so. Bei genauer Betrachtung offenbaren sich einige Mängel. Das Gehäuse hinterlässt einen billigen Eindruck - das mag einige nicht stören, stösst aber bei einem PDA in dieser Preisklasse sauer auf. Und die mitgelieferte Plastikabdeckung ist alles andere als stabil konzipiert. Eine weitere Unschönheit ist, dass der HandEra 330 seinen Strom aus AAA-Batterien bezieht.



Aufladbare Zellen sowie ein Netzteil müssen separat erstanden werden. Geld sparen können hingegen User, die bis anhin mit einem Palm III gearbeitet haben. Der HandEra unterstützt aufgrund der identischen Schnittstelle Zusatzhardware wie beispielsweise die portablen GoType-Keyboards von Landware.




Handspring Visor Edge

Es war die Firma Handspring, die Palm vormachte, wie man preisgünstige Geräte auf den Markt bringt. Trotzdem wollte man auch bei Handspring jene Kunden nicht verschmähen, die bereit sind, für ein formschönes Gerät mehr zu bezahlen. Darum wurde Ende März der Visor Edge lanciert. Der PDA, der in vielen bunten Farben erhältlich ist, kostet 749 Franken und ist damit genau gleich teuer wie das Palm-Modell m500.



Was den Visor Edge von der Konkurrenz abhebt, sind seine Erweiterungsmöglichkeiten über die sogenannten Springboard-Module, die aufgesteckt werden können. Dadurch wird das eigentlich flache und handliche Gerät aber unförmig. Zudem muss man für die Springboard-Erweiterungen unter Umständen nochmals viel Geld in die Hand nehmen. Das Modul, das beispielsweise den Handheld zum Mobiltelefon macht, kostet 800 Franken. Günstiger sind die Speicherkarten in verschiedenen Formaten sowie die Digitalkamera oder auch der MP3-Player, die zur Auswahl stehen. Ohne Zusatzmodule steht der Handheld im Vergleich mit den Mitbewerbern aber ziemlich nackt da.




Die Synchronisation mit dem PC erfolgt beim Visor Edge über den Universal Serial Bus. Darüber werden sich vor allem Windows-NT-User ärgern, die über keinen USB-Support verfügen und deshalb zusätzlich eine Docking-Station für die serielle Schnittstelle anschaffen müssen. Kostenpunkt: 50 Dollar.



Bei den auf dem PDA installierten Anwendungen sticht die erweiterte Kalenderfunktion heraus. Zur Verfügung stehen eine Wochenansicht, wie man sie bei der Papieragenda antrifft, eine Jahresansicht sowie auch eine chronologische Liste mit allen erfassten Terminen. Die Taschenrechner-Anwendung bietet ebenfalls mehr Funktionen als die Standardlösung, die bei den andern Geräten vorzufinden ist. Schliesslich ist noch die Weltzeituhr zu erwähnen, die man in dieser Art ebenfalls bei keinem andern der Mitbewerber findet.



Wieso ein Mikrofon eingebaut wurde, für das es aber standardmässig keine Anwendung gibt, bleibt wohl das Geheimnis der Gerätdesigner. Ein Lautsprecher ist ebenfalls nicht zu finden. Und bemängelt werden muss auch, dass die Schnittstelle zur Docking-Station nicht mit anderen Handspring-Modellen kompatibel ist.




Palm m500

Der Palm m500 ist der einzige hier getestete PDA, der bereits auf dem Palm OS 4.0 basiert; PC-seitig steht für die Synchronisation Palm Desktop 4.0 zur Verfügung. Die Neuerungen gegenüber der bei den Konkurrenten vorherrschenden Version 3 können aber als marginal bezeichnet werden. Der m500 ist zeitgleich mit dem m505 auf den Markt gekommen, der abgesehen vom Farbdisplay praktisch baugleich ist.



Beim neuen Palm lohnt sich ein kurzer Vergleich mit dem früheren Top-Modell Vx aus demselben Haus. Diesem gegenüber besteht die einzige bahnbrechende Neuerung darin, dass nun ein Erweiterungs-Slot zur Verfügung steht, der SD/MMC-Module aufnehmen kann. Für diese Schnittstelle entwickeln Dritthersteller zur Zeit eifrig Peripherie, die den Springboard-Modulen von Handspring in nichts nachstehen sollen. So ist beispielsweise ein Bluetooth-Adapter geplant, aber auch eine aufsteckbare Digicam oder ein Aufsatz für die Mobiltelefonie. Namentlich Bluetooth und die Handy-Funktion sollen im nächsten Jahr sogar direkt in die Palm-Geräte integriert werden.




Der m500 wird mit einer neuen Docking-Station geliefert. Sie kann wie beim Sony Clié und beim Handspring Visor Edge an den USB-Port angeschlossen werden, was im Vergleich mit der alten Lösung über die serielle Schnittstelle eine schnellere Datensynchronisation garantiert. Der Hersteller lässt aber jene Anwender im Regen stehen, die auf ihrem Rechner keinen USB-Support geniessen. Ist dies der Fall, muss man auch bei Palm die optional erhältliche serielle Docking-Station anschaffen. Zudem ist wie bei Handspring die neue Schnittstelle für den Anschluss an der Docking-Station nicht abwärtskompatibel mit anderen Modellen. Der Nachteil: Bereits erstandene Peripherie für diese Schnittstelle wie beispielsweise die faltbare Tastatur passt nicht mehr.



Neben diesem Ärgernis für die User gibt es aber durchaus sinnvolle Neuerungen beim m500. Das Palm OS 4.0 unterstützt erstmals einen direkt im Gerät implementierten Vibrationsalarm. Alternativ dazu kann man sich auch mit der LED beim Einschaltknopf an wichtige Termine erinnern lassen.



Die neuen Modelle heben sich zudem durch die längere Akkubetriebsdauer vom Vorgänger ab. Im Einsatz steht eine Lithium-Polymer-Zelle, die gemäss Herstellerangaben den PDA mit einer Ladung über drei Wochen am Leben erhalten soll.



Auf der Applikationsseite hat sich bei Palm einiges getan. Das Mobile Internet Kit, das auch separat erhältlich ist, wird dem m500 standardmässig beigelegt. Damit kann man unter anderem über die Infrarotschnittstelle via Mobiltelefon auf verschiedene Web-Dienste zugreifen und direkt über den Palm den E-Mail-Account abfragen. Erwähnenswert ist auch das neue Time-Management. Reisende können nun recht einfach die Zeitzone anpassen, ohne gleich die Uhrzeit umstellen zu müssen.




Sony Clié

Für den Kauf des Sony Clié spricht für einige Zeitgenossen wohl der Erweiterungs-Slot im MemoryStick-Format. Wer sich bereits bei einem Notebook oder einer Digitalkamera diesem proprietären Speicherformat verschrieben hat, wird auch beim PDA darauf setzen. Und Sony wird's danken. Jenen, die nicht auf Sony-Hardware setzen, beschert der Clié aber ein Storage-Format, das ihnen abgesehen von zusätzlicher Speicherkapazität kaum nützt. Trotzdem gibt es auch Faktoren, die den Sony Clié zu einer lohnenswerten PDA-Lösung machen. Das Gerät fällt vor allem durch seine kompakte Bauform auf. Zudem ist der Preis von rund 600 Franken vergleichsweise günstig. Die Geräte von Handspring und Palm kosten immerhin 150 Franken mehr.



Der Hersteller liess es sich nicht nehmen, den eigenen PDA um ein sogenanntes Jog Wheel zu ergänzen, das man in so manchen andern Sony-Geräten vorfindet. Damit kann man Anwendungen aufrufen, und einzelne Applikationen wurden eigens für die Bedienung mit dem kleinen Drehrädchen vorbereitet.




Zudem hat Sony die Basisapplikationen, die in Lizenz von Palm erstanden wurden, um einige Zusätze erweitert. So können beispielsweise bei den Adressen auch Bildchen der betreffenden Personen eingefügt werden - über den Nutzen dieses Gimmicks kann man sich allerdings streiten.



Mit der gMedia-Software lassen sich Video-Clips und mit PictureGear 4.2 Lite Bilder von der Speicherkarte einlesen und betrachten. Ob die Bilder in monochromer Darstellung allerdings ein Genuss sind, sei dahingestellt. Ferner liefert Sony auch Verwaltungssoftware für die MemorySticks mit.



Auch der Sony Clié wird über die USB-Schnittstelle synchronisiert. Allerdings wird dabei - im Gegensatz zum Handspring- und Palm-Modell - das Mac OS aussen vor gelassen. Deshalb kommt dieser PDA für die Mac-Gemeinde nicht in Frage.



Bei Sonys Clié fällt zudem das Display negativ auf, das einen Grünstich aufweist. Dies ist der Lesbarkeit massiv abträglich ist. Trotz dieser Vorbehalte hat der Clié in unserem Vergleichstest die zweitbeste Wertung erzielt. Den Ausschlag gaben primär Preis und Formfaktor.



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