Editorial

Visualisierung tut not


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/16

     

Eduard R. Tuftes stellt in seinem Buch «Visual Explanations» die These auf, dass sich der Absturz des Space Shuttles Challenger 1986 hätte vermeiden lassen, wären die damals bekannten Fakten nur richtig visualisiert gewesen.
Heute fallen immer mehr und immer komplexere Daten an. Es existieren zwar spezifische Analysetools für verschiedene Bereiche, doch beschränken sich diese in der Resultatpräsentation meist auf textuelle oder tabellarische Darstellungen. Das Problem dabei ist, dass sie weder die Komplexität noch die Dichte heutiger Daten erfassen und wiedergeben können. Moderne Verfahren aus der jungen Disziplin der Informationsvisualisierung nehmen sich diesem Defizit an. Sie haben zum Ziel, abstrakte Daten und deren Eigenschaften mit geeigneten Metaphern in visuelle Repräsentationen abzubilden. Die damit erzeugten interaktiven Grafiken beschleunigen den Prozess, aus den Datenbergen Informationen zu extrahieren, daraus Wissen aufzubauen und problemadäquat die richtigen Entscheide zu treffen. Sie können für die Analyse von Finanzdaten und sicherheitsrelevanten Systemkonfigurationen über Product Information Management und Fraud Detection bis hin zur Analyse sozialer Strukturen in Organisationen angewendet werden.





Obwohl man weiss, dass komplexe Zusammenhänge und somit ein wichtiger Teil an Informationen in den herkömmlichen Formen der Visualisierung gar nicht erkannt werden können, werden die heutigen technischen Möglichkeiten aber noch kaum genutzt. So ist es zum Beispiel trotz vieler guter Suchmaschinen oft eine mühselige Aufgabe, im Internet etwas Bestimmtes zu finden. Man überlege sich, wieviel Information verloren geht, wenn ein Dokument mit all seinen Eigenschaften allein über eine Position in der Trefferliste repräsentiert wird. Steckt in einer Trefferliste überhaupt noch Aussagekraft? Oder kann die Liste bezüglich der konkreten Absicht eines Anfragers nicht sogar falsch sein?






Wird im Internet nach mehreren Suchbegriffen gesucht, so ist in einer linearen Trefferliste nicht mehr auszumachen, ob ein Dokument weit oben erscheint, weil einer der Begriffe sehr viel oder viele der Begriffe einmal gefunden wurden. Ausserdem gehen wichtige Kontextinformationen und mögliche Zusammenhänge zwischen den gefundenen Dokumenten verloren.
Moderne Visualisierungsmethoden gehen anders vor. Bei mehrdimensionalen Datenvolumen wie etwa Dokumentsammlungen auf dem Internet startet man häufig mit einer ungerichtet, explorativen Suche, bei der man zu Beginn nicht präzise weiss, was man finden will. Zunächst geht es darum, sich auf einer qualitativen Ebene einen Überblick zu verschaffen, indem mit einer Clusteranalyse nach Mustern und Auffälligkeiten in
den Daten gesucht wird. Das Resultat sind Gruppierungen von Datenobjekten anhand der Semantik: Je näher zwei Objekte in der Visualisierung beieinander liegen, desto grösser ist ihre Ähnlichkeit im Datenraum. Das heisst, alle Objekte in einer räumlichen Gruppe sind einander auf eine definierte Art und Weise ähnlich. Eine Anwenderstudie hat ergeben, dass Benutzer einfache Aufgaben wie die zielstrebige Suche nach einem bestimmten Dokument mit der traditionellen Präsentation am schnellsten erledigen. Geht es aber darum, aus einer Fülle von Daten wichtige Muster zu erkennen, um schnell und effektiv Entscheide treffen zu können, sind endgültig die neuen Visualisierungswerkzeuge angesagt.




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