Staatliche Startup-Förderung: Dr. Urs Althaus vs. Urs Bernegger


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/19

     

Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Flaute ertönt der Ruf nach staatlicher Start-up-Förderung immer lauter. Der Staat solle Mittel für Jungfirmen bereitstellen, damit die Schweiz ihre eklatante Wachstumsschwäche überwindet und den Einstieg in Zukunftsmärkte nicht verpasst. Doch so einfach ist es nicht: Was ist, wenn der Staat die falschen Akzente setzt, am Markt vorbei gefördert wird, Branchen künstlich aufheizt oder gar nicht-staatlich geförderte Firmen benachteiligt werden?


Katalysator oder Überhitzung?


Pro: Damit es nicht zur Überhitzung kommt, wird ein Katalysator geregelt. Bei der KTI-Start-up-Förderung regelt der freie Wettbewerb das Bestehen und den Erfolg der Unternehmen im Markt. Die Start-up-Förderung beschränkt sich auf ein Coaching, das heisst: die fachliche Begleitung des Unternehmens von der Geschäftsidee bis zum Zeitpunkt, wo sie das Geschäft nachhaltig weiterentwickeln kann. Das Ziel des Coachings ist, den Startup mittels professionellem Geschäftsaufbau auf den Markteintritt sowie einen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten vorzubereiten.




Kontra: Staatliche Wirtschaftsförderung beschränkt sich meist auf Teilbereiche der Wirtschaft, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse als besonders förderungswürdig gelten. Die Katalysatorwirkung solcher Förderungen ist deshalb gering, weil sowohl das Know-how als auch die notwendigen Technologien bereits vorhanden sind. Ob es zu einer Überhitzung kommt, ist ungewiss und hängt von den heute meist nur begrenzt verfügbaren Mitteln ab. Je geringer die eingesetzten Mittel sind, desto kleiner ist ein Überhitzungsrisiko in den betroffenen Branchen und desto kleiner sind aber auch die zu erwartenden Katalysatorwirkungen. Die Wahrscheinlichkeit einer Wirkung sinkt überproportional.


Falsche Akzente am Markt vorbei?


Pro: Mit dem KTI Start-up-Coaching werden Unternehmen unterstützt, deren innovative Produkte und Dienstleistungen
auf Hightech-Gebiete ausgerichtet sind. Solchen Firmen können eine hohe Wertschöpfung und einen hohen Beschäftigungseffekt erzielen. Mit einer Ausrichtung auf die internationalen Märkte werden so wichtige Akzente für die Wettbewerbsposition und damit für den Wirtschaftsstandort Schweiz gesetzt. Da letztlich immer der Markt entscheidet, ob ein Start-up erfolgreich ist, werden falsche Akzente sehr rasch, bereits während des Coaching ersichtlich und können sofort korrigiert werden.




Kontra: Ein Grundproblem staatlicher Förderung der Wirtschaft ist die Tatsache, dass Strukturen geschaffen werden, welche eine reine Marktlösung unter Umständen nicht hervorbringen würde. Damit übernimmt der Staat eine gewisse Mitverantwortung für die getätigten Investitionen und daraus folgen Forderungen nach Schutzmechanismen zu Gunsten der allenfalls für die Volkswirtschaft zu gross bzw. zu wichtig gewordenen Branchen. Beispiele wären Bereiche in Landwirtschaft, Bergbau, Stahlindustrie, Fahr- oder Flugzeugbau. Nachträgliche Strukturanpassungsprogramme entlasten zwar die Volkswirtschaft von den erforderlichen Transfers, sind aber meist ebenfalls teuer, mit Imageverlusten oder gar mit sozialen Problemen verbunden.


Benachteilung der freien Wirtschaft?


Pro: Die staatliche Förderung in der Schweiz ist im internationalen Vergleich zurückhaltend und sehr liberal. Das zur Verfügung stehende Budget ist klein und bei der KTI werden Unternehmen nie direkt finanziert. Mit der KTI Experten-Prüfung fachlicher und wirtschaftlicher Aspekte der Geschäftsidee und dem Coaching wird eine realistische Positionierung am Markt in einer sehr frühen Phase der Unternehmensentwicklung geprüft und anhand konkreter Meilensteine verifiziert. Wie alle Unternehmen sind die geförderten Start-ups dem freien Wettbewerb ausgesetzt. Sie müssen sich im Markt mit ihren Produkten und Dienstleistungen behaupten.




Kontra: Dem Staat fehlen Informationen über die zu fördernden Unternehmen und Bereiche. Er muss sie deshalb "einkaufen". Das heisst, bereits im Markt tätige Unternehmen müssen, gleich wie die Neueintreter, Projekte verfassen, nur um konkurrenzfähig bleiben zu können. Andernfalls verlieren sie ihren Marktvorteil. Einerseits sinken Marktpreise für diese Pioniere, anderseits haben sie mit zu hohen eigenen Kosten zu kämpfen, weil ihre Investitionen nicht mit Fördermitteln subventioniert worden sind. Sie verlieren allfällige Pionierrenten und sind somit gezwungen, an den Förderprogrammen mitzumachen. Staatliche Wirtschaftsförderung erweist sich so als Behinderung von Pionierunternehmen.


Förderung auf Grundlagenforschung beschränken?


Pro: Die Schweiz ist bezüglich Publikationen und Patenten unter den führenden Nationen weltweit. Auf der andern Seite fallen wir beim Wachstum des BIP seit Jahren gegenüber den wichtigen Industrienationen zurück. Wir haben also ganz offensichtlich ein Problem mit der Umsetzung der Forschungsresultate. Und genau hier setzt die KTI zusammen mit den Wissenstransferstellen an. KTI setzt sich zudem stark für die Förderung des Unternehmertums ein und damit für eine sehr wichtige "Innovations-Zelle".




Kontra: Prinzipiell ist diese Aussage richtig. Die Struktur der schweizerischen Wirtschaft mit der grossen Bedeutung von KMU würde die Effizienz von Forschung allerdings erhöhen, wenn der Staat auch im Bereich angewandter Forschung Mittel einsetzen würde. KMUs sind oft nicht in der Lage, alleine Forschungsprogramme zu realisieren. Koordination und Förderungsmassnahmen können hier helfen. Ein weiterer Bereich wäre die Förderung von Aus- und Weiterbildung. Ziel dieser Massnahmen müsste es sein, die Mobilität der Arbeitskraft zu erhöhen und Know-how zu verbreiten.


Amerikanisches Stiftungsmodell als Alternative?


Pro: Die USA haben eine lange Tradition philanthropischen Handelns. Förderlich dabei sind auch steuerliche Vorteile bei Stiftungen oder privaten Engagements. Dies wäre auch in der Schweiz zu begrüssen. Viele der Stiftungen in den USA sind aber thematisch beschränkt. In der kleinen Schweiz würden mit einer solchen Segmentierung nur wenige Start-ups gefördert. Die staatliche Förderung, immer ohne direkte Finanzierung, steht breiteren Kreisen offen.




Kontra: Grundsätzlich haben Stiftungen die selben Schwierigkeiten wie staatliche Förderstellen oder letztlich auch die Banken, wenn es darum geht, Geld "richtig" zu investieren. Ihnen fehlen weitgehend die dafür notwendigen Informationen. Deren Beschaffung ist auch kaum günstiger, als die für die Staatsstellen. Ein wesentlicher Vorteil des Stiftungsmodells wäre der Wegfall staatlicher Mitverantwortung bei verfehlten Investitionen. Diese wäre dann durch die Stiftungen zu tragen und könnte (vermutlich) nicht wiederum dem Staat übertragen werden.

Die Kontrahenten

Pro: Dr. Urs Althaus ist Vertreter des Exekutivorgans des Innovationsförderprogramm KTI des Bundes und Vorsteher des KTI-Bereichs Start-up.




Kontra: Urs Bernegger ist Privatdozent und Mitglied der Direktion des Forschungsinstituts für empirische Ökonomie und Wirtschaftspolitik der Universität St. Gallen.




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