Schluss mit Kursannullierungen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/20
n In der Schweizer Bildungslandschaft gehören Kursannullierungen leider zum Alltag. Es gibt nur wenige Weiterbildungsinstitute, die eine Garantie auf die Durchführung eines bestimmten Kurses anbieten können. Die Konkurrenzsituation ist zudem so verzettelt, dass Kooperationen unter den einzelnen Schulen kaum stattfinden.
Diese Erfahrung musste auch Beat-Felix Stocker machen. Der ehemalige Schulleiter einer Basler Ausbildungsstätte verlor seinen Job, weil die Verzettelung dazu geführt hatte, dass keine rentable Kursgrösse mehr möglich war. «Vor allem bei der Informatik und im Multimedia-Bereich gab der Markt nicht genügend Schüler her», erinnert sich Stocker. Also kam ihm vor rund drei Jahren die Idee seiner «Vision Education». Stockers Vision war ein Pool, der alle Lernwilligen und alle Kursangebote koordiniert, um so möglichst Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit entstand vision-e.ch. Die Plattform ist nun seit Juli dieses Jahres auf dem Markt und das Interesse an der Dienstleistung wird immer grösser.
Unter www.vision-e.ch können sich Bildungswillige einschreiben. Bildungsinstitute hinterlegen auf der Plattform ihre Kursangebote. In einem sogenannten Matching-Verfahren werden aufgrund von vier Merkmalen passende Angebote gesucht. Die vier Kriterien sind dabei der Kursinhalt selbst, die regionale Eingrenzung, der Zeithorizont und die Kosten des Bildungsgangs. Findet die Plattform passende Angebote, erhält der Kurswillige ein Mail mit den entsprechenden Angeboten. Daraufhin bewertet er selber die Kursangebote mit einer Note von 0 (keinesfalls) bis 3 (jawohl, bei dieser Schule am allerliebsten). Alle diese Bewertungen laufen in eine Datenbank, werden ausgewertet und die Schulen kommen aufgrund dieser Angaben in ein Ranking. Die Schule, die von den Suchenden auf Rang eins gesetzt wird, erhält schliesslich die Teilnehmer vermittelt.
«Der Kunde entscheidet im Endeffekt, welche Schule das Rennen macht. Wir stellen nur das Werkzeug zur Verfügung», erklärt Stocker die Vorteile dieses Verfahrens. «Ausserdem gewinnt nicht immer dieselbe Schule, weil immer wieder andere Leute im Pool sind.» Dabei muss das siegreiche Institut allerdings auch eine Voraussetzung erfüllen: Eine Vereinbarung kommt nur dann definitiv zustande, wenn die Schule alle Interessenten (die eigenen und die von vision-e.ch) aufnehmen kann.
Sollten sich die Lernwilligen aus irgend einem Grund schliesslich doch nicht für den Kurs anmelden, wird das entsprechende Dossier der Schule auf Rang zwei weitervermittelt.
Mittlerweile konnte Stocker schon 20 Schulen von seiner Idee überzeugen. Darunter befinden sich namhafte Institutionen wie die Benedict Schule, Comicro Netsys oder die Digicomp Academy. «Monatlich kommen zehn weitere Schulen hinzu», so Stocker. Diese Partnerschulen bezahlen einen Jahresmitgliederbeitrag, der sich für kleinere Schulen (bis drei Schulzimmer) auf 250 Franken und für grosse Schulen auf 500 Franken beläuft. Filialen erhalten einen Rabatt. In diesen Beiträgen enthalten ist ein Kursportal, auf das die Schulen fast beliebig viele Kurse raufladen können. Bei einer erfolgreichen Vermittlung wird zudem eine Provision in der Höhe von zehn Prozent der Kurskosten fällig. Diese Provision ist von der Schule zu bezahlen.
Für alle anderen ist die Dienstleistung kostenlos. Nach einmaliger Registrierung haben sie unbeschränkten Zugriff auf das Portal.
Stocker hat die Erfahrung gemacht, dass überwiegend Schulen aus dem IT-Bereich Gebrauch von seiner Plattform machen. Das hat aber nicht zuletzt mit der Person zu tun, die hinter der Idee steckt, ist doch Stocker selber Informatiker. Nichtsdestotrotz möchte er sein Angebot ausweiten. So hat er beispielsweise als nächste Gruppe Kaderschulungen im Visier. Aber auch Sprachschulen könnten je nach Region ein Thema sein. Ausserdem sieht Stocker ein erhebliches Potential bei grösseren Unternehmen: «Grossfirmen stecken oft in Projekten und müssen auf Zeit Leute ausbilden. Und wenn ein Kurs ausfällt, haben sie ein Problem.»
So innovativ die Idee von vision-e.ch auch ist, so richtig in Fahrt ist das Projekt bisher noch nicht gekommen. Einerseits liegt das natürlich daran, dass die Firma noch jung ist. Andererseits aber sind die Schulen nur zögerlich bereit, mit anderen Institutionen zu kooperieren. Viele versuchen nach wie vor, das Annullierungsproblem selber zu lösen. Dabei gibt es gemäss Stocker fast keine Möglichkeiten, diese Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. «Die konkurrenzierenden Schulen haben eigene Interessen und werden deshalb das Problem mit den Annullierungen nicht bilateral selber lösen können», so Stocker. Auch wenn zwei, drei Schulen miteinander kooperieren würden, bliebe das Pooling-Potential bescheiden klein. Unberücksichtigt blieben ausserdem weitere Quellen, die bei diesem Pooling eine Rolle spielen könnten wie zum Beispiel Kursinteressenten von Firmen. «Das grösste Ziel der Schulen ist es, den anderen die Schüler abspenstig zu machen», bringt Stocker die Problematik auf den Punkt.
Stocker bietet den Aus- und Weiterbildungsinstitutionen deshalb an, ihnen ihre Annullierungsopfer «abzukaufen». Das heisst, wenn eine Schule einen Lernwilligen meldet, der den Kurs nicht machen konnte, schreibt Stocker dieser Schule zwei Prozent vom Kurspreis gut, die dann bei der nächsten Vermittlung in Abzug gebracht werden können.