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IT-Realities: Unternehmenskultur ist, wenn...

Unternehmenskultur erschöpft sich nicht im gelegentlichen Arrangieren von netten kleinen Anlässen für das Personal. Das fängt viel früher an und hört viel später auf – eigentlich nie.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/09

     

"Kultur", pflegte mein Englischlehrer zu definieren, "ist, wenn man alleine zuhause Kaffee trinkt und den Zucker trotzdem mit der Zange aus der Dose nimmt." Schön - aber nicht zwingend, würden die meisten von uns heute sagen. Und schon gar nicht im Unternehmen. Aber das Stichwort "Kaffee trinken" passt sehr gut zum Thema - denn gehört nicht gerade die gemeinsame Pause zu den "Standardelementen" einer guten Unternehmenskultur?
Unter anderem, ja. Aber Unternehmenskultur erschöpft sich nicht im gelegentlichen Arrangieren von netten kleinen Anlässen für das Personal. Das fängt viel früher an und hört viel später auf - eigentlich nie.



Unternehmenskultur ist eine jener Chefsachen, die (leider) erst in den letzten Jahren in ihrer Bedeutung voll erkannt worden sind. Sie kann im Guten eine Firma und ihre Mitarbeiter/innen zusammenhalten, auf ein Ziel ausrichten, für ungeahnte Kraftakte und gewaltige Effizienz sorgen. Oder sie kann ein Unternehmen in kurzer Zeit ruinieren: Wenn's allen stinkt vor lauter Un-Kultur und die miese Stimmung die meisten bereits dazu gebracht hat, innerlich zu kündigen.




Zwischen beiden Polen liegt ein weites Aktionsfeld für die verantwortlichen Key-Players. Denn viele Unternehmensbereiche sind "kultursensibel", sofern man Unternehmenskultur als etwas begreift, das erzeugbar ist und vor allem mit persönlichem Verhalten weitergetragen werden kann. Vielleicht besteht das Problem für viele Vorgesetzte darin, dass sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Warum eigentlich ist das Angebot an Managementkursen auf diesem Gebiet so dürftig?



Es gibt aber ein paar Fixpunkte, die leicht einsichtig sind und fast überall Gültigkeit besitzen. Die erste Ebene besteht in formellen, oft aber informellen Massnahmen und Ritualen, welche dauernd spürbar sein müssen. Die zweite Ebene wird dann wichtig, wenn unternehmerische oder persönliche Krisen auftreten.



Vorgesetzte können beispielsweise schon dann in die Kultur investieren, wenn sie bei einem Einstellungsgespräch nicht nur die fachlichen Qualifikationen von Bewerber/innen berücksichtigen, sondern auch deren Bereitschaft, die entscheidenden Elemente der Unternehmenskultur mitzutragen. Das heisst aber auch, dass die Unternehmenskultur "formuliert" vorliegen muss - mindestens zum Teil. Das Leitbild ist normalerweise viel zu schwammig, um konkrete Handlungshinweise zu liefern.



Was die Unternehmenskultur wert ist, wird besonders in einer rasanten Wachstumsphase deutlich. Simples Indiz mit Konsequenzen: Was ist zu tun, wenn die Cafeteria des "explodierenden" Startup-Unternehmens beim besten Willen die vervielfachte Belegschaft nicht mehr fasst und die Abteilungen immer mehr auseinanderdriften?



Da hilft nur ein gezielter Wechsel der Dimension: Die Inhalte können und müssen auf Abteilungs- oder Bereichsebene übertragen und dort konsequent umgesetzt werden. Das schliesst vor allem die persönliche, individuelle Kommunikationsqualität ein.



Unterstützen lässt sich dieser Prozess u.a. mit Workshops oder mit überlegter Teambildung. Es geht darum, jedem Individuum in der Firma das Gefühl zu vermitteln, aufgehoben und akzeptiert zu sein.



Fast existentiell kann die Sache werden, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit einem "unlösbaren" Problem konfrontiert wird. Typisches Beispiel in unserer Branche: Bei einem IT-Consultant stimmt im Verhältnis zu einem Kunden die Chemie nicht mehr, und das Projekt droht zu kippen. Kultur heisst in diesem Fall, dass der Vorgesetzte darauf eingeht und im Dialog eine Lösung sucht. Sinnvollerweise sieht sie so aus, dass der Consultant aus der Schusslinie genommen und nicht verheizt wird. Das so gestützte Vertrauen in die "Familie" wird sich immer auszahlen. Eine Missbrauchsgefahr besteht kaum, denn Leute, die Unternehmenskultur mit einem Freipass für Liederlichkeit verwechseln, spült man ohnehin schnell hinaus: Love me or leave me - Unternehmenskultur kann und darf durchaus auch selektive Wirkung haben.



Zugegeben, damit ist die Frage, was gute Unternehmenskultur ist, noch nicht beantwortet. Kultur ist, zum Beispiel, wenn man sie ungestraft kritisieren darf.




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