Salärvergleiche richtig lesen

Vergütungsbenchmarks und ihre Aussagekraft - was bei der Lektüre von typischen Vergütungsvergleichen zu beachten ist.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/12

     

Vergütungsbenchmarks sind für Unternehmen ein wichtiges Instrument zur Vergleichbarkeit von Vergütungsstrukturen und
-höhen. Gerade vor dem Hintergrund knapper Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt, speziell bei Fach- und Führungskräften, ist es enorm wichtig, Positionen hinsichtlich ihrer Vergütung im Markt richtig zu beurteilen. Liegen die Vorstellungen des Unternehmens zu weit unter den gängigen Rahmenbedingungen, wird es sich schwertun, neue Mitarbeiter zu finden und/oder muss riskieren, dass bereits angestellte Fach- und Führungskräfte sich nach attraktiveren Alternativen umschauen. Dies gilt im übrigen in guten wie in schlechten Zeiten.



Ein weiterer Grund dafür, dass die Bedeutung von Vergütungsbenchmarks in der jüngsten Zeit erheblich gestiegen ist, liegt in der Notwendigkeit einer sogenannten internen Vergütungsgerechtigkeit. Ihr liegt das Prinzip zugrunde, dass vergleichbare Tätigkeit respektive vergleichbare Leistung im Unternehmen auch vergleichbar entlöhnt wird.


Das Vergleichbarkeits-Prinzip

Dieses Prinzip klingt selbstverständlich, kann sich aber in Betrieben, die nicht über eine so zu bezeichnende Vergütungssystematik verfügen, zu einem Kernproblem entwickeln: Wenn Mitarbeiter wahrnehmen, dass Kollegen mit weit weniger Einsatz und schlechteren Ergebnissen besser vergütet und höher angesehen werden, ist das schlicht frustrierend.

Nicht nur, dass diese Mitarbeiter zukünftig ihre Leistungsbereitschaft herunterfahren werden, sie gehen auch weniger engagiert zu Werke, was sich wiederum auf ihr Arbeitsumfeld und nicht zuletzt auf die Kundenbeziehungen auswirkt. In der Tat belegen Studien, dass die interne Vergütungsgerechtigkeit und mit ihr die Transparenz von Vergütungsprozessen, nicht notwendig jene von Vergütungshöhen, eine besonders starke Rolle bei der Bindung und Motivation von Mitarbeitern spielt.


Anhaltspunkt für Arbeitnehmer

Aber nicht nur Unternehmen wollen wissen, wo sie mit ihren Salären stehen. Auch Mitarbeiter zeigen sich zunehmend interessiert an Informationen zu Vergütungsstrukturen und -höhen, nicht zuletzt speziell mit Blick auf das eigene Tätigkeitsfeld. Jeder Ratschlag eines Karriere-Experten läuft früher oder später darauf hinaus, sich über das auf einer bestimmten Position zu erzielende Gehalt zu informieren. Das klingt logisch, ist aber oftmals leichter gesagt als getan, sind doch Lohndaten in unserem Kulturraum kein übermässig freizügig gehandeltes Gut. Über Geld spricht man nicht, so eine gängige Redewendung, die auch mit Blick auf Vergütungsdaten noch als zentrale Leitidee gesehen werden kann. So ist es bei uns Mitarbeitern aller Stufen in nicht seltenen Fällen sogar vertraglich verboten, im eigenen Unternehmen über den eigenen Lohn zu sprechen.



Einen Ausweg bieten auch hier unabhängige Vergütungsvergleiche, wie sie mittlerweile verschiedene auf Personal-Management oder auch nur auf Vergütung spezialisierte Beratungsgesellschaften anbieten.


Verschiedene Anbieter

Grundsätzlich ist hier zwischen zwei Typen von Anbietern zu unterscheiden: Da sind zunächst diejenigen zu nennen, die als Service für Privatpersonen Vergütungsvergleiche durchführen. Ihre Datenbasis sind die Angaben zu den Vergütungen, die sie von eben jenen Privatpersonen nach bestem Wissen und Gewissen zur Verfügung gestellt bekommen, diese mit den Angaben von anderen relevanten Privatpersonen vergleichbar machen und gegen ein Entgelt die Analyse an den jeweiligen privaten Auftraggeber veräussern.


Auf der anderen Seite stehen die für Unternehmen tätigen Anbieter, in der Regel Unternehmensberatungen mit dem Fokus auf HR-Management-Themen. Ihre Zielgruppe sind die Vergütungsexperten in den Unternehmen und sie beziehen die benötigten Vergütungsdaten direkt aus deren Personalsystemen. Die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Angaben der Unternehmensberater ist in der Regel deutlich höher, weil die Sammlung und Aufbereitung der Daten wesentlich systematischer erfolgen kann.



Vergütungsvergleiche dieser Anbieter sind mittlerweile in vielen Karrieremagazinen, aber auch in den Karriere-Seiten von Tages- und Wochenzeitungen zu finden, mehr oder weniger detailliert und ausführlich erläutert. Beim Lesen dieser Vergütungsvergleiche sind jedoch einige wichtige Aspekte zu beachten, die im nebenstehenden Kasten näher beleuchtet werden.


Alles in allem stellen die in den Medien verfügbaren Vergütungsvergleiche eine gute Orientierungshilfe dar. Die dort dargestellten Werte sollte aber niemand für sich selbst in der exakt abgebildeten Grösse als bindend erachten – zu gross sind die Unsicherheiten hinsichtlich der mit diesen Werten verknüpften Mitarbeiterprofile.


So interpretiert man Salärvergleiche richtig

• Vergütungsvergleiche bieten statistische Auswertungen, ihr Kern sind in der Regel Durchschnitts- oder Mediandaten. Der Median als mittlerer Wert einer Zahlenreihe ist dabei die verlässlichere Grösse, weil extreme Datenausreisser nach oben und unten hier nicht ins Gewicht fallen. Diese Ausreisser kommen bei den Durchschnittswerten voll zur Geltung und verfälschen das Ergebnis – gerade bei geringen Datenmengen – unter Umständen erheblich.



- In einigen Auswertungen ist auch die Rede von oberem respektive unterem Quartil, das heisst den jeweils 25% höchsten oder niedrigsten Werten einer Datenmenge. Hierdurch erhält man einen Hinweis auf die Spreizung der Ergebnisse.




- In der Regel werden Vergütungsdaten gerundet angegeben, je nach Dienstleister und Fall auf Hunderter oder auch Tausender, mit der entsprechenden Konsequenz in der Genauigkeit der Aussagekraft.



- Beim Ausweis von Branchendaten ist zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls Sub-Branchen sich extrem von den für eine Branche getroffenen Aussagen abheben können. Ein Beispiel: So liegt der Verdienst von Experten im Bereich Software-Engineering deutlich über dem vergleichbaren Wert für die gesamte IT-Branche.



- Bedingt durch die Struktur eines Unternehmens gibt es für bestimmte Positionen in einem Vergütungsvergleich unterschiedlich grosse Datenmengen, so dass die Aussagekraft schwanken kann. Nur selten wird auf eine eventuell schwache Datengrundlage hingewiesen.



- Repräsentativität im strengen statistischen Sinne ist in den Vergütungsvergleichen oft nicht gegeben. Allerdings ist die Anzahl der Vergleichsdaten, zumindest bei den von Business-to-Business-Anbietern ausgewiesenen Daten, stets so hoch, dass von einer aussagefähigen Stichprobe ausgegangen werden kann.



- Die für eine bestimmte Position ausgewiesenen Vergütungswerte haben auf den ersten Blick eine wunderbar konkrete Aussagekraft. Allerdings geht aus den Werten nie hervor, über welche Qualifikationen und Kompetenzen ein Bewerber genau verfügen muss, um diese Position zu besetzen. Ein Marketing-Manager im Unternehmen A oder der Branche B kann zwar die gleich ausgewiesene Vergütung, aber muss nicht notwendig das gleiche Profil haben wie in Unternehmen C oder Branche D.



- Vorsicht ist bei Vergütungsvergleichen geboten, die rein auf Posi­tionsbezeichnungen basieren. Hinter gleichen Bezeichnungen können sich nämlich sehr unterschiedliche Inhalte verbergen. So kann der Chief Accountant sehr wohl der Oberbuchhalter sein, in anderen Unternehmen aber auch der Leiter des Rechnungswesens.



- In der Regel spielt auch die Grösse eines Unternehmens bei der Vergütungshöhe eine Rolle. Dabei gilt: je grösser das Unternehmen desto höher die Vergütung. Dies stimmt allerdings nicht immer. Es gibt Spezialistenpositionen, bei denen es so gut wie keine Rolle spielt, wo der Mitarbeiter beschäftigt ist. Dies sind im Moment Ingenieure, aber auch Kräfte im Kreativbereich.



- Führungskräfte verdienen oft mehr als Spezialisten, aber auch hier ist Vorsicht geboten. Manche Vergütungsvergleiche machen nur unzureichende Angaben über die Führungsverantwortung, die mit einer Position verbunden ist. Auch stimmt die pauschale Aussage nicht immer. Es gibt gerade im Projektmanagement immer wieder Posi­tionen, in denen ein Spezialist oder Projektleiter mehr verdient als eine Führungskraft.



- Last but not least ist die Aufteilung der Vergütung in feste und variable Bestandteile von hoher Bedeutung. Hier müssen Vergütungsvergleiche sauber arbeiten, denn oft verdient die variable Vergütung nicht wirklich die Bezeichnung.


Der Autor

Jörg-Peter Domschke ist Principal und Vergütungsexperte beim Unternehmensberater Towers Perrin.




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