Mitarbeiterführung in der IT

Die Qualität der computerunterstützten Informationsverarbeitung (IT) in einem Unternehmen steht und fällt mit der Qualität der Mitarbeitenden und ihren Leistungen. Vornehmste Aufgabe einer Führungskraft ist es daher, für gute MitarbeiterInnen zu sorgen und sie im weitesten Sinne des Wortes zu befähigen, ihr bestes zu geben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/12

     

Unternehmerische Führungskräfte haben die Fähigkeit und auch die Freude am gesamthaften, eben unternehmerischen Gestalten und Managen ihrer Organisationseinheit. Neben den Kenntnissen und Fähigkeiten im Umgang mit geeigneten Führungsinstrumenten, erfordert unternehmerisches Führen einen bewussten Entwicklungs- und Qualifikationsprozess der Führungskraft selbst.

Dazu braucht es z.B. selbst erlebte Krisen und Konflikte, dazu braucht es ein bewusstes und damit reflektiertes Leben und es braucht den Mut, durch Selbsterfahrung zu lernen und mit anderen das eigene Tun zu hinterfragen. Es braucht die Einsicht, die Bereitschaft, das Wollen und das konkrete Tun zur eigenen persönlichen Entwicklung als Grundlage für die Förderung der Entwicklung und des Tuns der zu führenden MitarbeiterInnen.
Ist Mitarbeiterführung im IT-Bereich anders als in anderen Bereichen des Unternehmens? NEIN – nicht wirklich!



Mitarbeiterführung bewegt sich immer und überall zwischen den gegebenen Möglichkeiten und den zu erreichenden Zielen. Und diese Möglichkeiten und Ziele sind immer und überall «spezifisch» – je nach den herrschenden Rahmenbedingungen, der Branche, der Unternehmensgrösse, dem Reifegrad, der aktuellen Situation etc. Die Arbeit im IT-Bereich ist sehr stark dienstleistungsorientiert und damit automatisch in den meisten Fällen auch kundenorientiert. Aber das finden wir in immer mehr Unternehmen und Bereichen auch. Selbst die Tatsache, dass in der IT viel in Projekten gearbeitet wird, ist nichts besonderes. Besonders scheint aber die Tatsache zu sein, dass viele Führungskräfte in der IT nur schwer mit der Tatsache zurecht kommen, dass Menschen nicht programmierbar sind wie Computer.



So lohnt es sich bestimmt für jede Führungskraft – auch in der IT – von Zeit zu Zeit innezuhalten und zu wieder einmal zu überlegen:



- Worin besteht meine Führungsaufgabe?

- Welche Rollen gehören zu meiner Führungstätigkeit?

- Welche Führungsinstrumente stehen mir zur Verfügung und wie setze ich sie ein?

- Was heisst Führungspersönlichkeit für mich und wie gehe ich damit um?



Hauptaufgabe einer Führungskraft ist: für Resultate sorgen:

- für zufriedene Kunden durch gute Produkte / Dienstleistungen

- für zufriedene MitarbeiterInnen durch gute Führungsarbeit

- für zufriedene Vorgesetzte durch Geschäftserfolg aus und

- für ein zufriedenes Ich durch Erfüllung der eigenen Erwartungen.


Führen schafft Mehrwert

Dazu ist es erforderlich, dass Führungskräfte und Mitarbeitende im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder aushandeln, was die einen von den anderen (wirklich) brauchen, um den bestmöglichen Job machen zu können.
Nicht alles, was eine Führungskraft tut, ist automatisch Führungstätigkeit. Die Praxis zeigt leider, dass Führungskräfte – auch in der IT – in vielen Fällen nur zu gerne etwas «richtiges arbeiten»wollen und so viel zu viel Zeit für Sachbearbeiteraufgaben verwenden und ihre eigentliche Aufgabe, das Führen von Mitarbeitenden zum Teil geradezu sträflich vernachlässigen.



Führen schafft Mehrwert und hat deshalb für eine Führungskraft immer erste Priorität! Führen muss man dürfen, können, wollen und dann auch tatsächlich tun. Und das braucht Zeit. Es mag gefährlich sein, für den dafür erforderlichen Zeitaufwand eine Richtzahl zu nennen. In der IT ist die Führungsspanne, das heisst, die Zahl der zu führenden Mitarbeiterinnen, sehr beschränkt und sollte zehn in der Regel nicht übersteigen. Und für jede(n) dieser Zehn sollte im Durchschnitt pro Woche eine Stunde «zum Führen» reserviert werden. Und dazu muss man gut in Kontakt sein; nur zu sagen, «meine Türe ist immer offen für Sie» genügt bei weitem nicht.


Rollen in der Mitarbeiterführung

Folgende Rollen gehören zur Mitarbeiterführung:

- als «Leader» inspiriert und motiviert die Führungskraft ihr Team


- als «Entwickler» sorgt die Führungskraft für die Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter und der Teams, der Organisation und der eigenen Person


- als “Manager” unternimmt die Führungskraft alle notwendigen Aktivitäten, um den laufenden Betrieb zu managen und


- als “Experte” stellt die Führungskraft
das für ihre Position entsprechende Fachwissen
und -können zur Verfügung.



Ein gutes Rollenbewusstsein und die Fähigkeit, das auch zu kommunizieren und praktizieren sind für gute Führungskräfte unerlässlich.
Im Laufe der Zeit haben wir Menschen uns für alles und jedes nützliche Werkzeuge gebaut – so auch für die Mitarbeiterführung. Die Liste der Führungsinstrumente ist lang. Auch in der Mitarbeiterführung zeigt sich Professionalität unter anderem darin, viele unterschiedliche Instrumente zu kennen und situativ richtig einzusetzen.


Portfolio der Führungsinstrumente

Dabei kann ein Portfolio der Mitarbeiter-Führungsinstrumente helfen, aus dem ersichtlich ist, wie die Wirkung der einzelnen Instrumente einzuordnen ist im Hinblick auf den Wirkungsraum und die Wirkungsdauer. Logischerweise soll eine Führungskraft sowenig wie möglich (explizit) führen, nur soviel wie nötig, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Die eher langfristig wirksamen Instrumente, die für alle oder doch viele Mitarbeitende gelten, dienen in erster Linie zur Orientierung in der (Selbst-)Entwicklung der Menschen im Unternehmen, um ihnen einen höheren Grad an Selbststeuerungskompetenz zu ermöglichen. Die kurzfristig wirksamen und/oder für einzelne Menschen gedachten Instrumente dienen zur mehr oder weniger intensiven Begleitung und Sicherung der Betroffenen bei deren Leistungserbringung im beruflichen Alltag.



So finden wir in einem solchen Portfolio der Führungsinstrumente beispielsweise:



- Leitbilder für das Unternehmen, einen Bereich oder ein Projekt

- Jahres-Ziele oder Projektziele

- Verschiedenste Arten von Plänen

- Führungsrichtlinien

- Organigramme

- Rollenbeschreibungen

- Job Designs

- Laufbahnplanungen

- Schulungspläne

- Prozessbeschreibungen

- Arbeitsanweisungen / Checklisten

- MitarbeiterInnengespräche

- Definierte Leistungsziele / -vereinbarungen

- Einzelne Arbeitsaufträge

- Ratschläge

- Kritik und Anerkennung

- Persönliche Unterstützung und Hilfeleistungen



Mitarbeiterführung ist natürlich nicht nur Handwerk! Erfolgreiche Mitarbeiterführung ist immer und
überall – so natürlich auch in der IT – eine Frage der Führungspersönlichkeit und damit des Führungsverhaltens.


Eigenschaften der Authentizität

Authentizität ist gefragt. Wann empfinden wir eine Führungskraft als authentisch – worauf kommt es in erster Linie an? Es sind im wesentlichen vier Eigenschaften eines Menschen, die ihn authentisch erscheinen lassen.



- Beständigkeit: Auch wenn eine Führungskraft selbst Überraschungen in Kauf nehmen muss, so sollte sie doch ihre Mitarbeiter davor bewahren. Führungskräfte sind aus einem Guss; sie halten den Kurs.




- Kongruenz: Führungskräfte tun, was sie sagen. Die Theorien, die sie vertreten, und ihre praktischen Handlungsweisen klaffen nicht auseinander.



- Zuverlässigkeit: Führungskräfte sind da, wenn man sie braucht; sie sind gewillt, ihre Mitarbeiter in den entscheidenden Momenten zu unterstützen.



- Integrität: Führungskräfte erfüllen ihre Verpflichtungen und halten ihre Versprechungen.



Und jetzt noch kurz zum Thema Motivation – nicht zu verwechseln mit Motivierung (=Manipulation).
Es scheint, dass sich auch heute noch Führungskräfte selbst mit der Frage quälen: Wie motiviere ich meine Mitarbeiter? Diese Frage bringt nur Unglück. Jeder Mensch ist mit seiner Geburt energetisiert und motiviert und drängt auf Bewegung – körperlich und geistig – etwas schaffen zu können, ein Werk zu erstellen oder daran mitwirken zu können.
Motive sind die Ursachen des Handelns. Erfolgreich Führen heisst auch, seine eigenen Motive und die der Mitarbeitenden zu kennen und zu verstehen; heisst Demotivation zu vermeiden und immer wieder für Rahmenbedingungen zu sorgen, in denen sich die Mitarbeitenden gut bewegen und entfalten können.


Unterschiedliche Motivkonstellationen

Es ist gut zu wissen, dass Menschen unterschiedliche Leitmotive haben – generell und situativ. Leistungsmotive treiben an zum Erfolg, Machtmotive ermöglichen Einfluss und Entwicklung und soziale Motive führen zu Teamgeist. Es gibt heute bewährte Methoden, um die Motivkonstellationen herauszufinden und einer entsprechenden Berücksichtigung zugänglich zu machen.


Und wie wünschen sich die Mitarbeitenden ihre ideale Führungskraft?




«Ich wünsche mir eine Führungskraft

- für die Menschen-Führen keine Ergänzung zum Papier- und Maschine-Bearbeiten ist, sondern umgekehrt,

- die, wenn es darauf ankommt, Zeit hat für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

- deren Kritikfähigkeit in Bezug auf sich selbst genauso gut ausgebildet ist wie in Bezug auf andere,

- die uns «in unseren besten Momenten erwischt», nicht nur, wenn wir Fehler machen,

- die vorlebt, was sie sagt und fordert,

- die uns unsere Erfolge auch selbst verbuchen lässt und sie nicht als ihren Erfolg ausgibt,

- die selbst konfliktfähig ist und nicht nur «Ja-Sager» um sich haben will,

- die mich unterstützt, wo ich es brauche, mir aber auch etwas zutraut,

- die akzeptiert, dass dort, wo sich Menschen engagieren, auch Fehler passieren und die auch eigene Fehler zugibt,

- die akzeptiert und nützt, dass wir Mitarbeiter in Spezialgebieten oft mehr wissen als sie selbst,

- für die Arbeit und Spass keine Gegensätze sind,

- die uns als Partner sieht und akzeptiert, dass wir eigene Vorstellungen, Ideen, Wünsche … haben».


Was ist zu tun?

Führen ist schön – am schönsten ist es Menschen gut zu führen, für win-win zu sorgen. Mitarbeiterführung ist ein lebenslanger Lernprozess für alle Beteiligten. Führen braucht Zeit. Führen braucht Nachhaltigkeit. Die Art und Weise Mitarbeitende zu führen, ist der Kern der Unternehmenskultur, die unermüdlich gepflegt und gehegt werden muss.


Wenn man weiss, wie viel Zeit und Energie Führungskräfte gerade im IT-Bereich in ihre fachliche/technische Aus- und Fortbildung stecken, dann kann nur empfohlen werden, gleichwertig in die eigene persönliche Entwicklung und die Fähigkeit, Mitarbeitende gut zu führen, zu investieren. Führen kann man nicht einfach – führen muss man lernen und üben. Bücher lesen, Seminare besuchen, kollegiale Beratung praktizieren, mit Vorgesetzten sprechen und last but not least: tun – ganz bewusst tun, d.h. Führung planen (wen, wann, wie, wie viel, wo, womit, wozu?), Führung tun, Führung prüfen und kontinuierlich verbessern.


Der Autor

Dr. Walter Wintersteiger, Management & Informatik, Dornbirn




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