OpenOffice: Erfolgreich migrieren
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/11
OpenOffice.org erfreut sich immer grösserer Beliebtheit. So zeigen Marktstudien, dass von den Kleinstunternehmen bereits rund ein Drittel OpenOffice.org einsetzen, und auch Verwaltungen setzen immer mehr auf die Alternative zum Microsoft-Pendant. Die wichtigsten Projekte, welche diese Aussage stützen, sind der Kanton Solothurn, die Stadt Freiburg i. Br. und natürlich die Stadt München, welche rein durch ihre Grösse ein Projekt der Superlative realisiert.
Aber auch Banken und Versicherungen setzen sich intensiv mit OpenOffice.org auseinander, um zu prüfen, was die Konsequenzen einer Umstellung wären. Denn auf der einen Seite steht mit OpenOffice.org die Verlockung auf niedrigere Gesamtkosten. Auf der anderen Seite drohen bei einer Migration auf eine neue Lösung die Risiken des Unbekannten. Was sind aber die Bausteine, um OpenOffice.org-Projekte erfolgreich umzusetzen?
Zuerst drängt sich ein Vergleich zwischen den beiden Kontrahenten auf. OpenOffice.org ist gegenüber Microsoft Office lizenzfrei, ein Faktor, der bei der heutigen Lizenzpolitik grosser Softwarehäuser eine gewichtige Rolle spielt. Der Umfang an Funktionalität ist vergleichbar, denn beide Office-Suiten haben eine sehr hohe Funktionalität, welche die Anforderungen der Benutzer grundsätzlich abdeckt. Wie sich diese Funktionalität präsentiert, ist jedoch unterschiedlich und manifestiert sich hauptsächlich in der Handhabung der Anwendung, was von jedem Benutzer anders empfunden und gewichtet wird. Für ihn sind die technischen Details in der Praxis nicht so relevant. So wird ein Entscheid für oder gegen OpenOffice.org meist übermässig durch subjektive Faktoren beeinflusst.
Wer sich in einem Unternehmen mit der Thematik OpenOffice.org auseinandersetzt, trifft deshalb auf viele Sympathisanten und genau so auf Gegner von OpenOffice.org. Diese spielen im Entscheidungsprozess eine gewichtige Rolle, aber dazu später. Zuerst wollen wir einige der Unterschiede zwischen den beiden Welten aufzeigen.
Damit sind einige wenige, aber wichtige Merkmale der Lösungen aufgezeigt. Neben der benötigten Funktionalität, welche bei beiden Office-Welten vorausgesetzt werden darf, sind die Erfolgsfaktoren für eine OpenOffice.org-Migration ganz andere. Es geht darum, mittels geeigneter Projektmethodologie respektive Vorgehensmodell die richtigen Schritte zu definieren, die richtigen Entscheide herbeizuführen, um die Risiken zu minimieren.
Die technischen Risiken lassen sich lösen. Die grössten Risiken sind meist auch nicht auf der technischen Ebene zu finden, sondern liegen in der Akzeptanz der Benutzer. Wie eingangs erwähnt, bewertet der Benutzer sehr emotional und subjektiv und ist generell eher ablehnend Neuem gegenüber. Der Benutzer muss gewonnen werden. Das heisst, der Benutzer soll frühzeitig mit der neuen Lösung vertraut gemacht werden.
Neben der Benutzerakzeptanz ist die nächste Herausforderung einer Migration von Microsoft Office zu OpenOffice.org einerseits die Übernahme der Dokumente und andererseits die Migration der Vorlagen und Makros. Ein Grossteil der bestehenden Dokumente wird in der Regel nur noch als Archiv benutzt. Vorzugsweise werden diese Dokumente gar nicht migriert. Erst wenn ein Dokument verändert werden muss, sollte es als OpenOffice.org-Datei abgespeichert werden. Eine andere Möglichkeit ist, Dokumente, die nur noch als Archiv dienen und nicht mehr verändert werden, als PDF-Dokument abzulegen. Der Datenaustausch findet, wenn die Dokumente nur zum Lesen sind, sinnvollerweise im PDF-Format statt, und wenn sie von beiden Seiten bearbeitet werden müssen, im OpenOffice.org-Format oder im Microsoft-Format. OpenOffice.org unterstützt beide Formate. Es ist jedoch darauf zu achten, Dokumente einfach zu halten, um Probleme zu minimieren.
Bei Vorlagen und Makros sieht es anders aus. Als erster Schritt muss eine Übersicht geschaffen werden, die eine Konsolidierung der Vorlagen erst ermöglicht. Denn es ist nicht selten der Fall, dass bei einem Scan über die Netzwerkinfrastruktur tausende Vorlagen zum Vorschein kommen, da sich jeder Benutzer seine eigenen Versionen ablegt. Wenn schon eine Migration erfolgt, sollte dies zum Anlass genommen werden, über ein neues Vorlagenkonzept mit dem Vorlagen-Tohuwabohu aufzuräumen. Ziel muss sein, Vorlagen zu erstellen, die zentral administriert werden können und dynamisch mit Userdaten versehen werden. Um dies umzusetzen, hat die FOSS-Group mit dem Kanton Solothurn die OpenOffice Tool Box (OOTB) entwickelt, mit der Benutzerprofile und Vorlagen menügesteuert erstellt werden, womit garantiert ist, dass sie immer einheitlich sind und der CI entsprechen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Schulung. Um den Schulungsaufwand für OpenOffice.org möglichst effizient zu gestalten, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Der Anwender soll sich selber trainieren können.
- Der Anwender muss Lösungswege nachschlagen können.
- Es muss ersichtlich sein, wer welche Aufgaben absolviert hat.
Aufgrund dieser Kriterien wurde von der FOSS-Group der Virtuelle Tutor (VT) entwickelt, ein intelligentes E-Learning-System. Der Tutor besteht aus Theorieseiten mit Screenshots und Animationen, aus Theoriefragen mit Multiple-Choice-Antworten sowie aus praktischen Aufgaben, die direkt in OpenOffice.org gelöst und vom Tutorsystem korrigiert werden. Der Tutor macht den Benutzer durch gezieltes Feedback auf eventuelle Fehler aufmerksam, um ihm später die Möglichkeit zu geben, die Aufgabe erneut zu lösen. Sowohl OOTB als auch VT stehen als Open-Source-Lösungen zur Verfügung.
Die Erfahrung zeigt, dass OpenOffice.org-Projekte sehr erfolgreich umgesetzt werden können. Gesamthaft ist der Aufwand für eine OpenOffice.org-Migration vergleichbar mit einer Migration auf die neuste Version von Microsoft Office. Die Erfolgsfaktoren dafür sind, wie erwähnt, die frühzeitige Integration der Benutzer mittels Projektmarketing inklusive Schulung, strategisches Vorgehen bei der Migration der Vorlagen und Dokumenten in Hinsicht auf Konsolidierung und Benutzerfreundlichkeit und die Umschiffung von mittlerweile bekannten Klippen.
Beat Stebler (beat.stebler@foss-group.ch) ist CEO beim Schweizer Open-Source-Systemhaus FOSS-Group AG.
OpenOffice.org-Varianten existieren mittlerweile von Sun (Star Office), Novell und IBM (Lotus Symphony). Die ersten drei Varianten sind in der Funktionalität nahezu identisch. IBM geht mit Lotus Symphony einen eigenen Weg.
· Star Office
Star Office enthält Enterprise-Werkzeuge wie Migrations Tools und
den Star Office Configuration Manager, der eine zentrale Benutzerkonfiguration ermöglicht. Dazu kommen u.a. qualitativ hochwertige Wörterbücher und Schriftarten.
· Novell-Edition
Umfasst Kompatibilitätserweiterungen zu Microsoft Office, proprietäre Fonts und Unterstützung vom Groupware-Client Evolution.
· Lotus Symphony
Sie basiert auf OpenOffice.org 1 und enthält eine Textverarbeitung, ein Präsentationsprogramm und eine Tabellenkalkulation. Dazu kommt ein eigenes Erscheinungsbild. Sie nutzt standardmässig ODF. Beim Start von Lotus Symphony werden immer alle drei Programmteile geladen. Für den professionellen Einsatz der Office Suite von IBM ist es noch zu früh.