SOA löst Widersprüche auf

Die Fragestellung findet sich in allen Unternehmen einer bestimmten Grössenordnung wieder: Soll in der IT Standardsoftware verwendet werden oder erlauben die komplizierten Geschäftsprozesse nur die Programmierung individueller Lösungen? Eine Antwort mit Beispiel aus der Praxis: Dank SOA (Service-Oriented Architecture) lassen sich Anwendungen auf der Basis standardisierter Bausteine individualisieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/06

     

Hinter der Diskussion, in welchem Umfang die Anpassung einer Standardsoftware wie SAP an vorhandene Geschäftsprozesse wirklich notwendig ist, steht oft die Angst vor ausufernder Wartung und unkontrollierbarer Verzögerung in der Entwicklung. Aber es lohnt sich nicht, deswegen auf Usability, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu verzichten.


Schon vor mehr als drei Jahren gab SAP auf die genannte Diskussion mit dem NetWeaver-Konzept eine eigene Antwort. Doch immer noch begegnen Kunden den NetWeaver-Anwendungen und -Konzepten mit Zurückhaltung, auch in aktuellen Projekten werden vorzugsweise «alte» Technologien eingesetzt.



Um von neuen Anwendungen und deren Vorteilen zu profitieren, müssen Kunden zuvor meistens ihre vorhandene SAP-Installation auf die aktuelle Technologie upgraden. Diesen einschneidenden Änderungen stehen sie grundsätzlich skeptisch gegenüber – selbst dann, wenn der potenzielle Nutzen einer Änderung offensichtlich geworden ist.


Neue Anwendungen aus Bausteinen entwickeln

Zudem ist es noch immer verbreitet, dass eine eigenständige Organisationseinheit für die SAP-relevanten Fragen verantwortlich ist, während sich eine allgemeine Informatikabteilung mit den übrigen klassischen IT-Aufgaben beschäftigt. Dank der zunehmenden Implementierung von Landschaften, die auf Service Oriented Architecture (SOA) basieren, sind heute jedoch übergeordnete Organisationseinheiten gefragt, die ausschliesslich integriert und technologieneutral in Businessprozessen denken und handeln.


Enterprise Service-Oriented Architecture (SOA) drängt die Diskussion Standard- versus Individualsoftware weiter in den Hintergrund. Denn Enterprise SOA verspricht zweierlei: eine einfachere Umsetzung von Individualisierungen bei gleichzeitiger Nutzung vorhandener SAP-Standards.



Enterprise SOA setzt auf die Plattform NetWeaver als technisches Fundament und kombiniert in der Regel eine Reihe von Web Services mit einfacher Geschäftslogik, auf die zur Unterstützung eines bestimmten Geschäftsprozesses wiederholt zugegriffen werden kann. So entstehen Enterprise Services als flexible Bausteine für die Automatisierung unternehmensweiter Geschäftsszenarien.


Mithilfe dieser Enterprise Services können auf effiziente Weise zusammengesetzte Anwendungen entwickelt werden. Sie vereinen Funktionen und Daten aus vorhandenen Systemen, um neue Geschäftsprozesse oder -szenarien zu unterstützen. Alle Enterprise Services kommunizieren über Web-Service-Standards und lassen sich in einem zentralen Repository beschreiben.


Statt Anwendungen von Grund auf neu zu entwickeln, lassen sich neue Anwendungen aus bereits bestehenden Bausteinen erstellen. Enterprise SOA bietet ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Offenheit, die auch die spätere kostengünstige Realisierung von Prozessänderungen ermöglicht. Damit liegt ein Grundkonzept für die Zusammenstellung innovativer neuer Anwendungen durch die Erweiterung vorhandener Systeme vor.


Praxisbeispiel: 22 000 Güterwagen in Bewegung

Der Ahaus Alstätter Eisenbahn AG in Baar ist der Spagat zwischen Standardsoftware und Individualentwicklung mit der NetWeaver-Strategie der SAP gelungen. Damit hat AAE den Rücken frei für ihr Kerngeschäft.
AAE ist in Europa marktführend im Sektor der Vermietung von Standardgüterwagen. Nach einer starken Expansion in den letzten zehn Jahren betreibt AAE heute eine Flotte von über 22 000 Güterwagen mit einem Marktwert von mehr als zwei Milliarden Schweizer Franken.


Vorhandene Standardsoftware deckte die Erfordernisse dieser Expansion nicht ab, da im Nischenmarkt Flottenmanagement und Disposition von Eisenbahnwagen kein bestehendes ERP-Produkt auch nur annähernd taugliche Lösungen bot. Daher war eine Eigenentwicklung gefragt, die trotzdem auf einem standardisierten System aufsetzen sollte.



Nach eingehender Analyse wurde für AAE eine voll integrierte Lösung entwickelt. Sie basiert auf dem mySAP-ERP-System und NetWeaver 2004. Es zeigte sich, dass das ERP-System Vorteile in den Bereichen Vertrieb, Finanzen, Controlling und Beschaffung bietet und NetWeaver in der Logistik punktet.


Dieser Bereich konnte nur durch individuelle Prozesse abgebildet werden. Mit wenigen Anpassungen am SAP-Standard im Bereich Logistik konnte der Aufwand für Eigenentwicklungen auf einem Minimum gehalten werden. Die hier zugrunde liegende Technologie ist für flexible Anpassungen offen und verlässt den Standard nur so wenig wie unbedingt notwendig. Mit dieser Lösung profitiert Ahaus Alstätter Eisenbahn von Standardsoftware, ohne auf die notwendige Individualität zu verzichten.


Der Autor

Werner Zecchino ist Mitbegründer und CEO der
emineo AG, Zürich.




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