Informatik-Verantwortung ist nicht abschiebbar
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/15
Selbst in Kleinbetrieben, in jeder Gemeindeverwaltung und in Schulhäusern stehen heute derart viele Computer und andere Informatikmittel, dass es üblich geworden ist, jemanden aus der Mitarbeiterschar als «verantwortlich für die Informatik» zu bezeichnen. Diese Person wird damit zur Anlaufstelle bei Fragen um Informatikbeschaffungen und -betrieb und bei Informatikpannen. Mit dieser Ernennung fühlen sich aber oft alle übrigen von Informatiksorgen entlastet: der Chef von der fremd gebliebenen Informatikführung und die Arbeitskolleginnen von unangenehmen Pflichten wie Virenabwehr und Passwortdisziplin. «Der Informatikverantwortliche wird's ja schon richten.»
Nun hat aber die Informatik und deren Nutzung für viele Betriebe eine so zentrale Bedeutung erlangt, dass diese durchaus mit der Bedeutung des Blutkreislaufs für den menschlichen Körper verglichen werden kann. Auch für den Blutkreislauf gibt es Verantwortliche. Bei «Pannen» wenden wir uns vertrauensvoll an den zuständigen Spezialisten, an einen Arzt nämlich. Aber kein vernünftiger Mensch sieht diesen Arzt als für «meine» Gesundheit so abschliessend verantwortlich, dass «ich» mich bei «meinem» Essen, Trinken oder Arbeiten nicht mehr darum kümmern müsste. Im Gegenteil: Jedermann muss trotz der Verfügbarkeit von Ärzten und Spitälern primär selber für die eigene Gesundheit sorgen und Verantwortung übernehmen. Der Arzt gibt dazu Rat und Unterstützung.
Analog sind auch Nutzer von Informatikmitteln primär selber für deren gutes Funktionieren zuständig. Sie besuchen Kurse zur effizienten Nutzung der eingesetzten Programme, sie machen Sicherheitskopien, sie kennen die Grenzen des Zulässigen beim Kopieren von Dokumenten und Programmen. Dabei werden sie selbstverständlich von Informatik-Fachleuten beraten und unterstützt. Diese Fachleute ihrerseits werden – wenn sie klug sind – ihre Ratschläge nicht als verletzende Befehle und in unverständlicher Sprache erteilen, sondern angepasst und die Anwender in die Informatikverantwortung einbeziehen – wie ein guter Arzt eben.
Die Informatik-Fachleute können die Verantwortung für die Informatik eines Betriebes nicht allein tragen. Dass sie aber angesichts ihrer höheren Fachkompetenz eine besonders qualifizierte und umfassend ausgerichtete Verantwortung wahrzunehmen haben, ist offensichtlich. Sie müssen dabei nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche, personelle, rechtliche und viele andere Aspekte berücksichtigen, eingebettet in einen Rahmen, den wir als Arbeitsethik bezeichnen können.
Interessant, dass gerade gegenwärtig einer der beiden grossen Informatikverbände der Schweiz, die SI (Schweizer Informatik Gesellschaft), sich an die Formulierung von Ethik-Richtlinien gemacht hat (www.s-i.ch/ethik). Ich zitiere daraus zwei Beispiele:
«Ich werde ... in Ausübung meines Berufes
2.9 die Überprüfung meiner Arbeit durch andere ermöglichen und selber bei der Überprüfung der Arbeit anderer mitwirken;
2.11 unnötige und unkontrollierbare Komplexität vermeiden».
Verantwortung in der Informatik hat viele Facetten.