Auswendiglernen ade
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/12
Wer das MCP-Diplom (Microsoft Certified Professional) will, muss sich seit Ende März einem verschärften Prüfungsverfahren unterziehen (siehe InfoWeek 06/2005). Mit der Umstellung wollte man mehr praktische Fähigkeiten prüfen, mit dem primären Ziel der Qualitätsverbesserung. Kritik kam insbesondere auf, weil Microsoft zu spärlich über die neuen Bedingungen informierte. Für viele kam die Umstellung zu früh. Befürchtet wurde in der Folge, dass die Durchfallquote ansteigen könnte.
Nach den nun vorliegenden ersten Erfahrungen haben sich diese Befürchtungen bewahrheitet. «Die Durchfallquote ist wie erwartet angestiegen», bestätigt Annette Fehr, Geschäftsleiterin von Microwin. «Es betrifft vor allem Teilnehmer, die das neue Prozedere nicht kennen und bereits Prüfungen im alten Stil absolviert hatten», so Fehr. Auch die Klubschule Migros verzeichnet höhere Durchfallquoten. Michael Achermann, MCSE-Trainer bei der Klubschule, spricht von 50 Prozent bei Lehrgängen mit Prüfungsvorbereitung. Bei unbegleiteten Kursen liege die Durchfallquote sogar bei 60 bis 70 Prozent. «Beim zweiten Anlauf bestehen mindestens 90 Prozent der Prüflinge», so Achermann. Er sieht die Hauptgründe für das häufige Scheitern beim ersten Anlauf darin, dass einerseits die benötigte Punktzahl erhöht wurde und andererseits Simulationen dazugekommen seien, die nicht ganz einfach zu lösen sind. «Auf gut Glück geht nicht mehr», sagt Achermann. Das bestätigt auch Fehr: «Die alten Braindumps nützen zu den neuen Prüfungen nichts mehr.» Auswendiglernen gehört also der Vergangenheit an. «Microsoft hat natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn genau das wollte man damit bezwecken», sagt Fehr.
Michael Achermann steht der neuen Regelung etwas gespalten gegenüber: «Es ist zwar gut, dass so der Missbrauch etwas eingedämmt wird. Und die Leute, die viel Geld und Zeit investieren, erhalten einen valablen Gegenwert.» Er findet es jedoch schade, dass die 60 bis 70 Prozent der Leute, die die Prüfung nicht auf Anhieb bestehen, für den zweiten Versuch erneut bezahlen müssen. Das hat Microsoft offensichtlich auch schon gemerkt. Denn die Aktion, die den zweiten Anlauf kostenlos offeriert, wurde vorläufig bis zum 31. August verlängert. Und Achermann rechnet damit, dass Microsoft die Bedingungen aufgrund der ersten Ergebnisse wieder etwas entschärfen wird.