Software mieten oder kaufen: Hansjörg Gerster vs. Beat Schmied


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/06

     

Die Wirtschaft steuert immer hektischeren Zeiten entgegen: Dreijahresbudgets sind weitgehend einer Planung auf Jahresbasis gewichen. Nicht zuletzt deshalb haben alternative Finanzierungsmethoden von Software in den letzten Monaten Aufwind erhalten. Das Softwaremietmodell erlaubt eine transparentere und einfachere Planung der IT-Kosten, heisst es. Diese Flexibilität hat allerdings ihren Preis.


Die Preisfrage


Pro: Gerade in grösseren Organisationen steht das IT-Budget permanent in der Kritik, weil besonders grosse Investitionen anfallen. Durch eine Miete respektive Nutzungsgebühr hat der Kostenstellenverantwortliche eine höhere Transparenz nach dem Motto: Ich zahle, was ich nutze, und wenn ich Leute entlassen muss, habe ich eine "sofortige" Reduktion der Kosten - auch im IT-Bereich. Doch die Miete sorgt nicht nur für mehr Transparenz: Wer die Kosten über eine Investitionsdauer von 3 Jahren berechnet, stellt fest, dass das Mietmodell nicht teurer zu stehen kommt als ein Lizenzkauf. Ausserdem zwingt die aktuelle Marktsituation viele Software-Anbieter dazu, ein preislich gleichwertiges Modell anzubieten. Die Ausnahme bilden grosse Firmen mit Marktdominanz. Hier empfehle auch ich den Kauf der Lizenzen und rate von der sogenannten Software Assurance ab. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Software-Firmen, insbesondere im Neukunden-Geschäft, in Zukunft flexibler auf Kunden- und Marktbedürfnisse eingehen werden.




Kontra: Der klare Vorteil des Softwarekaufs ist, dass die Software zeitlich uneingeschränkt genutzt werden kann. Dadurch lassen sich die jährlichen Unterhaltskosten markant senken. Ein weiterer grosser Vorteil: Der Softwarekauf erlaubt die effiziente Konsolidierung der Rechnerinfrastruktur. So werden nicht nur die Kosten gesenkt, sondern überdies eine unternehmensweite Plattformeinheit erzielt.


Die Vertrauensfrage


Pro: Die Konditionen einer Softwaremiete werden normalerweise für mehrere Jahre vertraglich festgelegt. Deshalb ist das Mietmodell nicht der Willkür ausgesetzt. Falls sich die Bedingungen nach Vertragsende verschlechtern sollten, ist man frei, den Anbieter zu wechseln - was freilich ein Worst-Case-Szenario ist. Softwaremiete sorgt umgekehrt eher für eine engere Partnerschaft zwischen Hersteller und Anwender. Man kauft nicht einfach ein Produkt und geht sich danach aus dem Weg, sondern baut eine langjährige Beziehung auf.




Kontra: Es ist ganz klar: Wer Software mietet, liefert sich der Willkür des Anbieters aus. Nach Ablauf der Vertragsdauer werden einem neue, teurere Bedingungen quasi aufgezwungen. Die Bedingungen sind meistens haarscharf an der Grenze des Akzeptierbaren, die Preise sind gerade so hoch, dass sich ein Umstieg auf eine andere Plattform knapp nicht lohnt. Zahlreiche Beispiele aus der Softwareindustrie belegen diese Geschäftspraktiken. Wer hingegen Software kauft, besitzt die Möglichkeit, die Rechner zu konsolidieren. Macht er dies, verspürt er meist keine Lust mehr, möglichst häufig neue Software zu installieren, weil der Arbeitsaufwand einfach zu hoch ist.


Die Flexibilitätsfrage


Pro: Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs mit Entlassungen zeigen sich die Vorteile des Mietmodells. Viele Unternehmen bleiben nach Abbau von Stellen auf ihren teuer gekauften Lizenzen sitzen. Ein Softwarekauf hat hier klar Nachteile. An das Auf und Ab in der Wirtschaft wird man sich gewöhnen müssen. Zieht es wieder an, werden zunächst temporäre Stellen geschaffen. Dies führt dazu, dass Unternehmen ihre Budgets verstärkt auf einjähriger Basis planen. Dies spricht alles für die Softwaremiete.




Kontra: Alle paar Monate neue Software zu installieren, ist für einen mittelgrossen Betrieb mit viel Aufwand und Ressourcenverschleiss verbunden. Leider sind die Mechanismen zur automatischen Verteilung von Softwareapplikationen noch stark verbesserungswürdig, so dass bei einem Update immer noch sehr viel teure Handarbeit fällig wird. Aber klar, wer Software kauft, muss damit leben, dass er meist zuviel Lizenzen für den Betrieb gelöst hat. Das ist bestimmt kein Idealzustand. Doch realistisch gesehen, machen die Lizenzen an den Gesamtkosten einer IT-Anlage nur einen bescheidenen Anteil aus. Hinzu kommt, dass die Abstufungen der Volumenlizenzen so gesetzt sind, damit eine leichte Volatilität der Beschäftigtenzahl ein grosses Problem darstellt.


Die Updatefrage


Pro: Für ein Medienunternehmen wie unseres ist es eine Illusion zu glauben, durch Auslassung von Updates Kosten zu sparen. Dies zeigt sich insbesondere beim Dokumentenaustausch. Da können wir es uns nicht leisten, die neuesten Dokumentenformate nicht zu unterstützen. Wir müssen alles lesen können, was unsere Inseratekunden uns schicken. Wird sind deshalb gezwungen, auf den Maschinen stets die neuesten Versionen geladen zu haben. Davon ausgenommen ist die Basisinfrastruktur wie Server-Betriebssysteme.




Kontra: Es liegt in der Natur der Softwaregeschäfts, dass Updates zwecks Umsatzgenerierung so häufig wie möglich auf den Markt gebracht werden. Dies kontrastiert stark mit den Bedürfnissen der Anwender, für die häufig ein Update nichts bringt: Keine interessanten neuen Funktionen oder verbesserte Performance. Umgekehrt bedeutete eine Updateverteilung aber auch immer einen enormen Arbeits- und Zeitaufwand - was sich in der heutigen wirtschaftlichen Situation kaum rechtfertigt.


Die Funktionalitätsfrage


Pro: Ein Update per se löst noch keine Schulungslawine in einem Unternehmen aus und somit auch keine unkontrollierbaren Kosten. Es sind die neuen Funktionen eines Programm-Updates, die erlernt werden müssen und Kosten verursachen. Schulung kostet ganz klar Geld, aber es darf nicht vergessen werden, dass gleichzeitig immer auch eine Auffrischung des bestehenden Wissens stattfindet. Und das schadet niemandem. Oder wer würde von sich behaupten, er könne Allerweltsapplikationen wie Word oder Excel nicht noch effizienter einsetzen? Somit bietet ein Update immerhin die Chance für eine Produktivitätssteigerung.




Kontra: Neue Funktionen bedeuten immer einen Schulungsaufwand, der meist nicht gerechtfertigt werden kann. Da wir ohnehin nur einen Bruchteil der Funktionen nutzen, die ein Programm bietet, wäre es doch eigentlich nur recht und billig, sich mit diesen unbekannten Funktionen zu beschäftigen. Das würde die IT-Abteilung extrem entlasten, und sie könnte sich wichtigeren Aufgaben widmen als der Anwenderschulung. Wer Software kauft, hat ein Interesse daran, die Infrastruktur möglichst lange so zu belassen, wie er sie eingekauft hat. Anpassungen von diversen Applikationen sind aber dennoch sinnvoll, sie sollten aber ganz klar auf einem Minimum gehalten werden.

Die Kontrahenten

Pro: Hansjörg Gerster ist Leiter Informatik der Basler Mediengruppe.

Basler Mediengruppe

Anzahl Clients: 1000 (50% Windows, 50% Mac)

Anzahl Server: 50 (AS/400, Windows NT, Apple Server, Unix, Linux)

Anzahl Applikationen im Einsatz: 200

Mietsoftware im Einsatz: CA Unicenter






Kontra: Beat Schmied ist im IT-Team der Jungfraubahnen Management AG tätig.

Jungfraubahnen Management AG

Anzahl Clients: 200 (Windows 2000)

Anzahl Server: 10 (Windows 2000 Server)

Anzahl Applikationen im Einsatz: 7




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