Editorial

Die Synergiefalle oder 2+2=3

Synergien sind keine selbstreifenden Früchte, sie müssen vielmehr mühsam erschaffen werden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/02

     

Etwas über zwei Jahre ist es her: AOL schluckte für 156 Mrd. Dollar den Medienkonzern Time Warner. Die aufgeblasenen Aktien von AOL machten es möglich - und entsprechend besetzte AOL-Chef Steve Case die Führung. Enthusiastische New-Economy-Evangelisten wie Case liess man gewähren, weil ihnen der Erfolg von damals Recht zu geben schien. Case hat kürzlich seinen Rückzug angekündigt; der Druck der alten Garde war zu gross geworden. Fast 200 Milliarden Dollar Börsenwert wurden unter seiner Führung in den letzten zwei Jahren vernichtet, und wie es mit AOL Time Warner weitergeht, ist offen.



Was aber ist aus den versprochenen Synergien geworden? Es klang nicht unlogisch, dass der Zusammenschluss eines erfolgreichen Online-Konzerns mit einem ebenso erfolgreichen Medienkonzern zusätzliche Geschäfte erlauben würde. So sollte aus 2 und 2 nicht nur 4, sondern 5 werden.




Doch Synergien sind keine selbstreifenden Früchte, sie müssen vielmehr mühsam erschaffen werden. Diese Einsicht hat auch im Falle von AOL Time Warner gefehlt.


Betroffene einbeziehen

Der erste Grund für nicht realisierte Synergien liegt in der Optik. Die grossen "Synergievorhaben" werden regelmässig auf der Ebene nur des obersten Managements eingefädelt und verhandelt. Diese Entscheidungsstufe hat langfristig zu denken und ist der strategischen, vielleicht auch taktischen Sicht verpflichtet. Die operative Umsetzung eines Zusammenschlusses wie AOL Time Warner ist nicht ihre Arbeit und sie wollen sich um diese Dinge auch nicht kümmern. Die Realität ist aber anders: Genau auf dieser operativen Ebene ergeben sich letztlich die angestrebten Synergien und eben dort zeigen sich auch die wesentlichen Hürden. So genügt es nicht, dass die Chefs sie wollen. Es braucht die Mitwirkung auch der betroffenen Bereiche (und ihrer Chefs).



Eine wichtige Voraussetzung ist die Informatik: Firmen müssen bereit sein, sich technisch zu integrieren, sie müssen ihre Daten und Systeme einander öffnen wollen. Ansonsten wird der nötige Informationsaustausch nicht oder nicht mit der nötigen Effizienz stattfinden können.





Die Win-Win-Situation

Der zweite Grund für erfolglose Fusionen ist der Umstand, dass ein gemeinsames Dach der Zusammenarbeit oft eher ab- statt zuträglich ist. Die besten Partner für gemeinsame Projekte sind jene, die ebenfalls ein wirtschaftliches Interesse daran haben. Es muss für beide etwas "drinliegen". Ist das der Fall, werden die Partner sofort jene Bereiche finden, in denen sie sich gegenseitig zum Vorteile beider ergänzen können.
Darum geschieht es allzu häufig, dass zwei und zwei eben nicht vier oder sogar fünf ergibt, sondern nur noch drei. So war das auch bei AOL Time Warner: Mit dem Zusammenschluss bremsten und belasteten sie sich nur gegenseitig. AOLs Buchhaltungspraktiken bescherten dem Konzern ein laufendes Verfahren. Mit ihren Angeboten für schnelle Internetzugänge trugen Time-Warner und AOL dazu bei, dass ihr eigenes Musik-Geschäft durch Raubkopien aus dem Netz unter Druck kam. Doch einander völlig öffnen wollten sich die Bereiche nicht; stattdessen verteidigten deren Chefs eifrig ihre Pfründe. Sie werden sich über den Weggang von Case freuen.



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