Auf eine gute Zusammenarbeit
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/44
Geht es um die Beziehung zu ihren Kunden, möchten IT-Anbieter ein möglichst partnerschaftliches Verhältnis pflegen. Zumindest wird dies in den Marketingunterlagen, Kundengesprächen und Offerten so betont. Der Zweck ist meist derselbe: Der Anbieter will den Eindruck erwecken, dass es bei seinen Aktivitäten nicht um den geschäftlichen Austausch von Waren und Dienstleistungen geht, sondern um eine echte Beziehung zwischen Lieferant und Kunden zum Zwecke des Wohlergehen des Kunden.
Entsprechend häufig ist in den Verträgen, die solche Beziehungen regeln, von Partnerschaften, Zusammenarbeit und dergleichen die Rede. Doch so wohlklingend solche Formulierungen sein mögen, so gefährlich sind sie aus rechtlicher Sicht - und zwar für beide Seiten. Dahinter steckt etwas, was die Juristen als "einfache Gesellschaft" bezeichnen.
Das Gesetz definiert das Rechtskonstrukt der "einfachen Gesellschaft" in Artikel 530 Obligationenrecht (OR) als "die vertragsmässige Verbindung von zwei oder mehreren Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln".
Die einfache Gesellschaft ist keine juristische Person, allerdings können juristische Personen an einer solchen teilhaben. Die gemeinsame Einreichung einer Klage, der gemeinsame Verkauf von Aktien, der Kauf eines Autos für eine Ferienreise, die gemeinsame Führung eines Anwaltsbüros, ein Aktionärsbindungsvertrag - all das sind rechtlich gesehen mögliche Beispiele für einfache Gesellschaften.
Häufig sind die Beteiligten sich gar nicht bewusst, dass sie eine einfache Gesellschaft bilden. Doch gibt es genügend Hinweise, dass ein Wille zur gemeinschaftlichen Realisierung trotzdem vorliegt, wird ein Richter vom Vorhandensein einer einfachen Gesellschaft ausgehen, die aus den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hervorgeht.
Doch warum ist die Frage der einfachen Gesellschaft so wichtig? Der Grund dafür liegt in den weitreichenden rechtlichen Folgen, die ein solches Gebilde hat. So haben die "Gesellschafter" eine Treuepflicht (Art. 536 OR), die ein Konkurrenzverbot im Bereich des angestrebten Zwecks zur Folge hat.
Eine weitere, oft unliebsame Folge ist die solidarische Haftung aller Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der einfachen Gesellschaft (Art. 543 Abs. 3 OR). Dazu kann es kommen, wenn einer der Gesellschafter im Namen der anderen Geschäfte mit Dritten tätigt. Jeder einzelne muss gegenüber dem Dritten dafür gerade stehen. Auch die Auflösung einer einfachen Gesellschaft birgt Tücken: Kommt es zum Streit unter den Gesellschafter, weil einer die Regeln schwer verletzt hat, kann nur der Richter die Gesellschaft auflösen, falls für diesen Fall kein vertragliches Kündigungsrecht vorgesehen ist. Und selbst wenn dies geschieht, kann es geschehen, dass der Gesellschafter für das, was er eingebracht hat, nur den (damaligen) Gegenwert in Geld erhält (Art. 548 OR).
Nun mag dies auf den ersten Blick nicht als aussergewöhnlich erscheinen. Heikel werden die Regelungen aber dann, wenn sich die Beteiligten ihrer Geltung nicht von Anfang an bewusst sind. Nehmen wir das Beispiel eines Vertrages zur Entwicklung einer Software, den ein Unternehmen mit einem Softwarehaus abschliesst. Um einen Teil der Kosten zu amortisieren und den Preis tief zu halten, wird vereinbart, dass die Software an Dritte verkauft werden darf, wofür das Unternehmen einen Prozentsatz der Einnahmen erhält und im Produkt genannt wird. Schliesslich hat es sein Know-how miteingebracht.
Damit liegt bereits eine einfache Gesellschaft vor: Kommt es zu Problemen mit der Software, muss das Unternehmen unter Umständen ebenfalls mit Forderungen eines Dritterwerbers rechnen. Will es mit einer anderen Softwarefirma auf ähnliche Weise ein Programm entwickeln, weil es mit der ursprünglichen Lösung nicht mehr zufrieden ist, kommt ihm die Treuepflicht in die Quere. Und will es deshalb die einfache Gesellschaft auflösen, geht das womöglich gar nicht so rasch, weil für diesen Fall die Auflösung nicht vorgesehen wurde.
Es gibt in der IT-Branche zahlreiche Konstellationen, in denen es soweit kommen kann. Die einfache Gesellschaft muss dabei nicht die gesamte Vertragsbeziehung zweier Parteien abdecken. Sie kann auch nur für einen Teilbereich bestehen. Standardklauseln, die festhalten, dass die Parteien keine einfache Gesellschaft wollten, schützen im übrigen nicht, wenn der Vertrag wirklich anders gemeint war und gelebt wird.
Soll einer solchen einfachen Gesellschaft vorgekehrt werden, muss darauf geachtet werden, dass die Beziehung der Parteien vor allem den Austausch von Leistungen zu jeweils eigenen Zwecken jeder Partei bezweckt und nicht die Erreichung gemeinsamer Ziele. Das kann sich bereits an Kleinigkeiten zeigen, so etwa bei Regelungen, die Prozente von Verkaufseinnahmen vorsehen, das gemeinsame Entwickeln von Software oder auch Projektgremien, in denen die Parteien gemeinsam über Dinge entscheiden, die eigentlich jeweils der einen oder anderen Partei vorbehalten sein sollten. Gerade in Outsourcing-Verträgen und langdauernden IT-Projekten kommen solche Gremien häufig vor. Wer also das nächste Mal in einem Vertrag auf Formulierungen wie "gemeinsame Ziele", "partnerschaftliche Zusammenarbeit" oder dergleichen stösst, sollte sich gut überlegen, ob er diese wirklich will.