Editorial

Den flexiblen Prozessen gehört die Zukunft!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/03

     

Konventionelles Geschäftsprozess-Management ist gut, flexible Prozesse sind besser! Geschäftsprozesse fördern die Produktivität durch die Vorgabe eines strukturierten und standardisierten Vorgehens. Workflow-Systeme unterstützen dies durch die proaktive Bereitstellung von Informationen für die einzelnen Arbeitsschritte und durch die Kontrolle der Abläufe. Letztere erhöht die Compliance und ermöglicht die Identifikation wiederkehrender Probleme – vorausgesetzt, dass das Workflow-System nicht umgangen oder ignoriert wird. Für ein solches Umgehen gibt es bisweilen gute Gründe. Die Nicht-Verfügbarkeit von Ressourcen kann Prozesse blockieren, wenn das Workflow-System das Ändern des Arbeitsablaufs oder ein Vorziehen von Arbeitsschritten nicht zulässt. Diese Prozessblockaden zu umgehen, ist zwar nicht «korrekt», aber produktiver als ein Einhalten der Vorgaben. Ziel ist es deshalb, eine maximale Flexibilität bei korrekten Prozessabläufen zuzulassen.



Der erste Schritt zur Prozessflexibilisierung ist das Aufbrechen der monolithischen Modellierungsansätze, um (auf der Basis einer SOA) die Wiederverwendung von ausführbaren Prozesskomponenten zu ermöglichen. Der nächste Schritt ist, (auf der Basis einer POA, Process Oriented Architecture) menschlich erbrachte Fachleistungen in unterschiedliche Prozesse standardisiert einzubinden. Danach stellt sich die Frage, ob die Ressourcennutzung überhaupt vorab bestimmt werden muss. Oder ob es nicht vorteilhafter wäre, vorab nur die Arbeitsinhalte und zwingende Abhängigkeiten zu spezifizieren – um dann zur Laufzeit den tatsächlichen Ablauf auf der Basis der aktuell vorhandenen Ressourcen zusammenzustellen. Letzteres verhindert nicht nur ein unnötiges Blockieren der Prozesse, sondern erlaubt auch ein Ausdehnen des Geschäftsprozess-Managements auf Ad-hoc-Kooperationen mit externen Partnern (d.h. auf «dynamische virtuelle Unternehmen»).




Grundvoraussetzung für flexible Prozesse sind einerseits ein brauchbares Begriffssystem (d.h. eine «Ontologie») zur Beschreibung von einzelnen Prozessschritten und andererseits ein auf flexible Prozesse ausgerichtetes Workflow-System. Ausserdem muss das Konzept der flexiblen Prozesse zur Strategie, Kultur, Organisation und Wertschöpfung einer Unternehmung passen und diese muss eine hohe Prozessmaturität besitzen. Insbesondere sollten Prozessstandards bezüglich Qualität und Performance existieren, ein gemeinsames Verständnis der Probleme von starren Prozessen im konkreten Wertschöpfungskontext sollte vorhanden sein und die «Ontologie» sollte von allen Mitarbeitern verstanden werden.



Die Anforderungen an das Management flexibler Prozesse sind hoch und ihre Einführung ist aufwendig, aber ihr Nutzen ist gross. Er beschränkt sich nicht auf eine simple Erhöhung der Produktivität. Er liegt vor allem in der Erhöhung der Flexibilität bei der Wertschöpfung: Flexible Prozesse erleichtern das Steuern der Arbeitsabläufe in Unternehmensnetzwerken und den bedarfsorientierten, schnellen und einfachen Umbau interner Prozesse. Sie machen so völlig neue Geschäftsmodelle möglich. Konven-
tionelles Geschäftsprozess-Management hat die 90er geprägt – flexible Prozesse werden ein zentrales Thema des nächsten Jahrzehnts sein.




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