Barrierefreier Zugang und Qualitätssicherung im Internet

Nur wenige Betreiber von Websites und Portalen erleichtern älteren Menschen, Menschen mit Sprach- oder Sehschwierigkeiten oder Menschen mit körperlichen Behinderungen einen barrierefreien Webzugang. Bezüglich Benutzerfreundlichkeit, Kommunikationsangebot, Inhaltssicherung und ethischen Kriterien gibt es ebenfalls Nachholbedarf.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/02

     

Unter Accessibility oder barrierefreiem Webzugang wird die Fähigkeit einer Website verstanden, von allen Benutzern gelesen und benutzt werden zu können. Insbesondere müssen Websites und Portale für behinderte Menschen zugänglich sein, so beispielsweise für Sehbehinderte, Farbenblinde oder Gehörlose. Zudem haben Menschen mit Bewegungsschwierigkeiten oder Menschen, die weder eine Tastatur noch eine Maus bedienen können, ebenfalls das Recht, Webinhalte zumindest öffentlicher Stellen konsultieren zu können. Menschen mit Sprachschwierigkeiten oder mit Sprachstörungen oder Menschen mit Lernstörungen muss ebenfalls ein Zugang auf Webseiten und Portale möglich bleiben.



Beim EU-Ministertreffen in Riga (11. Juni 2006) wurde festgestellt, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien eine starke Triebfeder für Wachstum und Beschäftigung darstellen. Darüber hinaus fördern Internettechnologien und Anwendungen den Austausch über soziale, gesellschaftliche und kulturelle Grenzen hinweg. Allerdings bestehen gemäss einer Erhebung aus dem Jahr 2005 erhebliche Lücken bei der Nutzung von webbasierten Anwendungen. 57 Prozent von den in der Europäischen Gemeinschaft lebenden Menschen und 90 Prozent der über 65-jährigen nutzen das Internet nicht.



Es überrascht zudem nicht, dass das Bildungsniveau eine wichtige Rolle spielt: 24 Prozent der Menschen mit geringem Bildungsniveau gegenüber 73 Prozent jener mit höherer Bildung verwenden das Internet. Schliesslich entsprechen nur 3 Prozent der untersuchten Websites von öffentlichen Einrichtungen den oben angesprochenen Leitlinien für den Zugang zum Web, womit Menschen mit Behinderungen stark benachteiligt sind.


Forderung der EU Ministerdeklaration von Riga

Die Ministerkonferenz forderte daher, dass Programme entwickelt werden sollen, um Netzzugang und Webnutzung für ältere Menschen zu fördern. Insbesondere sollen Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsbedingungen und Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch innovative Internetlösungen verbessert werden. Ferner verlangten die Minister, geographische Unterschiede zu verringern, damit Austausch- und Zusammenarbeitsformen zwischen öffentlichem und privatem Sektor gefördert werden.


In ländlichen und rückständigen Gebieten ist die Netzinfrastruktur mittels Breitbandtechnologien zu verbessern, damit Konnektivität und Internetnutzung in Schulen, in Gesundheitszentren und in der öffentlichen Verwaltung erhöht werden. Darüber hinaus müssen für Menschen mit Behinderungen der Zugang zum Web leichter gemacht und die Nutzung webbasierter Angebote gefördert werden. Insbesondere sind elektronische Inhalte und Dokumente für Blinde oder für Menschen mit Sehbehinderungen notwendig.




Spezifische Initiativen sollen zudem digitale Fertigkeiten und Alphabetismus verbessern. Dabei müssen Aktionen auf die Bedürfnisse von Gruppen zugeschnitten werden, die wegen ihrer gesellschaftlichen Lage durch Ausgrenzung bedroht sind. Nicht zuletzt lag den Ministern die Förderung der europäischen Integrationsprozesse am Herzen, weshalb die kulturelle und sprachliche Vielfalt im digitalen Raum ausgebaut werden sollen. Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien soll in den europäischen Ländern ein integratives eGovernment ermöglichen,
um öffentliche Dienstleistungen zu fördern und demokratische Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen voran-
zubringen.


Web Content Accessibility Guidelines

Die Richtlinien WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) des World Wide Web Comsortiums (W3C) erläutern, wie Inhalte im Web für Behinderte zugänglich gemacht werden können.



Jede der insgesamt 14 Guidelines enthält konkrete Empfehlungen, die jeweils mit Prioritätsangaben versehen sind (Priorität 1 = Muss, Priorität 2 = Soll, Priorität 3 = Kann). In der ersten Guideline wird verlangt, Text-äquivalente für Bilder, Symbole, Karten, Zeichnungen, Video oder Audio zu erstellen. Solche Textinhalte können dem Benutzer als synthetisierte Sprache, Blindenschrift oder als visuell dargestellter Text präsentiert werden. Zudem sollten Text und Grafik verständlich sein, auch wenn sie ohne Farben betrachtet werden.




Die inkorrekte Verwendung von Markup-Befehlen beeinträchtigt den Zugang für die Benutzer. Wenn Tabellen für Layoutzwecke oder für Überschriften missbraucht werden, um beispielsweise die Schriftgrössen zu verändern, kann der Aufbau einer Seite schlecht verstanden und die Navigation erschwert werden. Zudem sollen Stylesheets verwendet werden, um Layout und Präsentation zu beeinflussen. Als weitere wichtige Forderungen dienen Geräteunabhängigkeit, Informationen zur Orientierung und Navigation, sowie klar und einfach gehaltene Dokumente.


Qualitätssicherung im Internet

Neben Sicherheitsaspekten stellt die Qualitätssicherung im Web eine der wichtigsten Herausforderungen dar. Qualität von Websites oder Webportalen lässt sich schwer definieren. Meistens werden zur Bewertung Bedienbarkeit (Usability), Inhalt und Ethik herangezogen. Kriterien der Usability sind:



Accessibility – Es muss geprüft werden, ob der Webzugang barrierefrei realisiert ist: Haben Menschen mit Behinderungen Zugang zur Website oder zum Portal? Können Inhalte mittels Sprachausgabe für Blinde oder Sehbehinderte abgerufen werden? Gibt es Textäquivalente für Bilder oder Grafiken? etc.




Benutzerfreundlichkeit – Hier geht es darum, Struktur, Navigation und Verständlichkeit zu beurteilen: Ist die Information klar strukturiert? Ist der Aufbau nachvollziehbar? Gibt es Navigationshilfen? Ist die Sprache einfach und verständlich? Werden komplexe Begriffe erläutert? Gibt es Suchmöglichkeiten? etc.



Kommunikation – Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten müssen vorhanden sein: Gibt es eine eMail Adresse für Kontaktaufnahme? Wird ein Diskussionsforum für den Themenbereich zur Verfügung gestellt? Ist klar, wer für welche Anliegen Ansprechpartner ist? Werden Bürgerinnen und Bürger zu Meinungsäusserung animiert? etc.



Die überprüfung des Inhalts von Webseiten stellt eine besondere Herausforderung dar. Bei Webseiten oder Portalen aus dem Gesundheitsbereich ist es notwendig, dass die Angaben korrekt sind und dem neusten Stand der Medizin entsprechen. Die Stiftung Health on the Net akkreditiert beispielsweise Websites mit medizinischen Informationen mit dem Qualitätssiegel HONCode, damit der Internetnutzer Vertrauen in die Qualität der Information erhält. Der HONCode beruht auf den folgenden acht Beurteilungskriterien:



Autorität – Alle medizinischen Informationen und Ratschläge stammen von qualifizierten Fachleuten und Medizinern; übrige Informationen müssen deutlich gekennzeichnet werden.



Komplementarität – Die Informationen auf der Website unterstützen existierende Beziehungen zwischen Patient und Arzt und ersetzen diese keineswegs.



Vertraulichkeit – Website Entwickler und Betreiber verpflichten sich für die Vertraulichkeit der Identität und der Daten von Internetnutzern.



Zuordnung – Referenzen zu den Informationsquellen müssen vorhanden sein. Auf Webseiten mit klinischer Information muss das Datum der letzten änderung aufgeführt werden.



Belegbarkeit – Die Angaben zur Wirkung einer Therapie, einer Behandlung oder eines medizinischen Produktes müssen durch ausgewogene wissenschaftliche Beweise belegbar bleiben.



Kontakt – Kontaktinformationen für Verfasser und Betreiber von medizinischen Websites sind verpflichtend; Hilfestellungen werden angeboten.



Trägerschaft – Trägerschaft und Sponsoren der Website werden genannt.



Werbung – Sofern Webung eine Einnahmequelle darstellt, muss dies klar ausgedrückt werden.
Neben dem HONCode gibt es weitere Zertifikate für medizinische und gesundheitsbezogene Websites wie auch für andere Informationsangebote.



Die stark anwachsende Anzahl von Webinhalten (Information Overload) zwingen dazu, die Qualitätssicherung mehr und mehr zu automatisieren und den Computer dazu einzusetzen. Internettechnologien erlauben, die Präsentation und den Inhalt von Webseiten zu analysieren und Hinweise für Qualitätsverbesserungen zu liefern.


Guidelines für den barrierefreien Webzugang

Bestandesaufnahme der Zugänglichkeit von Schweizer Websites des Gemeinwesens für Menschen mit Behinderungen. Schweizerische Stiftung zur behindertengerechten Technologienutzung, Zürich 2007. Im Web verfügbar unter http://www.access-for-all.ch, abgerufen am
28. November 2007



- Riga 2006, European Ministerial Declaration, Conference ICT for an inclusive society, Riga, Littauen, 11. Juni 2006, verfügbar im Web unter http://ec.europa.eu/information_society/activities/einclusion/events/riga_2006/index_en.htm, abgerufen am 28. November 2007




- WCAG 1.0 – Web Content Accessibility Guidelines, Version 1.0, W3C Recommendation May 5 1999, verfügbar unter http://www.w3.org/WAI/, abgerufen am
28. November 2007



- WCAG 2.0 – Web Content Accessibility Guidelines, Version 2.0, W3C Recommendation May 17 2007, verfügbar unter http://www.w3.org/WAI/, abgerufen am
28. November 2007


Der Autor

Andreas Meier, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Fribourg und Leiter der SwissICT Fachgruppe eHealth




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER