Bologna und der Titeldschungel

Wer gelernt hat, soll das belegen können. Doch die Schweizerische Titellandschaft ist alles andere als übersichtlich. Auch die Bologna-Reform ist da nicht gerade förderlich.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/01

     

MSc, MA, BA, MAS, lic., Dr... die Liste der akademischen Titel, welche heute in der Schweiz an Fachhochschulen oder Universitäten erworben werden können, ist ziemlich lang. Doch damit nicht genug: Ein Master ist auch nicht immer ein Master. Viele der Titel sind heute ausserdem nicht mehr aktuell, so dass es mitunter zwei Begriffe für denselben akademischen Grad gibt. Und dass vor gut zwei Jahren die Bologna-Reform in der Schweiz umgesetzt wurde, hat die Situation kurzfristig noch verschärft.


Doch beginnen wir langsam. Die wichtigste neue Regelung in den letzten Jahren war die Bologna-Reform. Und einige der oben aufgeführten Verwirrungen lassen sich tatsächlich auch durch sie erklären. Seit den 90er-Jahren versuchen europäische Länder, die Zusammenarbeit zwischen ihren Ausbildungsstätten und die Möglichkeiten der Studierenden (wie beispielsweise die Möglichkeit eines Austauschsemesters) auf allen Stufen durch Reformen zu verbessern.



Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Bologna-Reform ausgearbeitet. Sie beinhaltet im Wesentlichen zwei Kernpunkte: Sämtliche Ausbildungen an Universitäten und Fachhochschulen sollen in zwei Stufen aufgeteilt werden. Einerseits die Bachelorstufe und, als den nächsthöheren akademischen Grad, die Masterstufe. Ein zweiter Punkt ist die Einführung eines Kreditpunktesystems, dem ECTS (European Credit Transfer System).

Ziel des ECTS ist es, die Leistungen, welche Studierende verschiedener Länder erbringen, einheitlich bewerten zu können und so die Anerkennung von akademischen Titeln über die Landesgrenzen hinaus zu gewährleisten. Ein ECTS-Punkt entspricht in sämtlichen Ländern, welche die Bologna-Reform bereits umgesetzt haben, einem Arbeitsaufwand von 30 Stunden. Während eines Studienjahres, so die Faustregel der Reformatoren, können 60 ECTS-Punkte erarbeitet werden, was einem Studienaufwand von 1800 Stunden entspricht.


Um einen Bachelor-Titel zu erwerben sind in der Regel – unabhängig davon, ob dies an einer Universität oder einer Fachhochschule geschieht – 180 Kreditpunkte nötig. Das Studium dauert voraussichtlich also drei Jahre. Wer danach die nächsthöhere Stufe erreichen möchte, den Master, benötigt nochmals 90 bis 120 ECTS-Punkte. Also nochmals eineinhalb bis zwei Jahre Studium. Soviel zum einfach strukturierten Teil der Hochschullandschaft in der Schweiz.


Master oder Master?

Optisch sind die Titel MSc, MA, und MAS relativ einfach zu unterscheiden. Im allgemeinen Sprachgebrauch hingegen begnügen sich die meisten mit «Master». Hinter den drei Titeln verbergen sich allerdings zwei grundlegend verschiedene Konzepte. Auf der einen Seite stehen der «Master of Science», der MSc und der «Master of Arts» (MA). Dies sind die Master-Titel, wie sie auch oben im Zusammenhang mit der Bologna-Reform erwähnt werden. Das heisst, um an diesen Studiengängen teilnehmen zu können, muss der Studienwillige bereits ein abgeschlossenes Bachelorstudium vorweisen können.


Der «Master of Advanced Studies» (MAS) hingegen, ist eine eher praxisorientierte, an Fachhochschulen angebotene Art der Weiterbildung. Es handelt sich dabei um das ehemalige Nachdiplomstudium. Und obwohl auch dies neu das Wort «Master» beinhaltet, ist ein abgeschlossenes Bachelorstudium nicht Voraussetzung für die Aufnahme des MAS-Studiums. Der «normale» Weg ins MAS-Studium führt über die Berufsmatur. Je nach beruflichem Standort können Studieninteressierte von einer Fachhochschule aber auch «sur-dossier» aufgenommen werden. Beide Wege, sowohl mit als auch ohne Berufsmatur, führen meist über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem jeweils entsprechenden Studiengebiet.



Nebst dem Minimalunterschied bei der Benennung der beiden Arten von Mastern, gibt es natürlich vor allem auch inhaltliche Differenzen. Wie bereits erwähnt, sind die Aufnahmebedingungen unterschiedlich. Natürlich können sowohl die MSc- und MA-Studien als auch das MAS-Studium auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Prinzipiell gilt für erstere zwei allerdings der Bachelor und für letzteres eine Berufsmatur mit mehrjähriger Berufserfahrung als Eintrittskarte. Etwas verwirrend ist zudem die Tatsache, dass auch der MAS von der Bologna-Reform tangiert wird. Der Leistungsnachweis des MAS wird nämlich ebenfalls in ECTS-Punkten angegeben. Im Gegensatz zum 90-bis-120-Punkte-Master (MSc und MA), benötigt man für einen MAS allerdings nur 60 Punkte.


Auch bei der Ausrichtung des Studiums sind Unterschiede auszumachen. Laut Bundesamt für Berufsbildung und Technik (BBT) soll der MAS-Lehrgang vor allem eine praxisorientierte Ausbildung sein, während die MSc- und MA-Lehrgänge sich dadurch auszeichnen, dass sie eine klare Verbindung zur Forschung aufweisen. Beim BBT scheint man zudem
viel Wert auf den Begriff der «Exzellenz» zu legen. Diese soll
die anspruchsvollere MSc- und MA-Studien klar vom MAS unterscheiden.




Wege zum Master


Neuer Name für alten Titel

Wer nach diesen Ausführungen noch nicht sattelfest ist, was die akademischen Titel betrifft, hat vollkommen recht. Schliesslich gibt es nicht bloss «Bachelor» und «Master».


Da die Bologna-Reform erst kürzlich erfolgte, sind noch viele «alte» Titel, wie derjenige des lic. im Umlauf. Und dabei wäre es so einfach: Ganz neu ist der Bachelor. Den gab es früher nicht. Der erste akademische Titel, den man erwerben konnte, war der sogenannte «lic.». Und der heisst heute Master. Und das wars eigentlich auch schon. Der Titel des «Doktors» heisst auch heute noch so und kann erst nach abgeschlossenem Master-Studium erworben werden. Dasselbe
gilt für die Professur, welche
nach dem Doktortitel erreicht werden kann.



Faktisch wurde durch die Bologna-Reform also ein neuer akademischer Titel, derjenige des Bachelors, neu geschaffen. Nun gilt es, diesen Titel auch im Berufsalltag bekannt zu machen. Schliesslich sollte jemand, der drei Jahre seines Lebens damit verbracht hat, eine bestimmte Materie zu studieren, nicht bloss als «minderwertiger Master» angesehen werden. Der neue Titel bringt schliesslich auch für die Masterstudenten klare Vorteile: Durch die Einführung dieser Zwischenstufe wurde das Erwerben des Masters als ausserordentliche Leistung noch einmal zusätzlich betont.




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