Informatik an der Berufs-WM

40 junge Schweizer Berufsleute haben an der Berufswelt­meisterschaft im japanischen Shizuoka um Ehre und Edelmetall gekämpft. Darunter waren auch drei Informatiker.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/21

     

Die Berufsweltmeisterschaften gelten als Olympische Spiele der Berufswelt. Seit 1950 finden sie alle zwei Jahre in wechselnden Orten statt, 2007 in Japan. Vom 15. bis 18. November haben sich 813 junge Wettkämpfer/-innen aus 46 Ländern in 49 Berufen miteinander gemessen. Mit 40 Teilnehmenden in 38 Berufen kämpfte die Schweizer Delegation um Edelmetall. Sie stellte bei dieser 4-tägigen Leistungsschau eine der grössten Delegationen.


Die 39. Berufsweltmeisterschaft sorgte für neue Rekorde: Für die insgesamt 47 Teams aus fünf Kontinenten stand am Austragungsort eine Hallenfläche von 60’000 m² zur Verfügung. Im Vergleich zu den Wettbewerben vor zwei Jahren in Finnland ist die Teilnehmerzahl um einen Drittel angewachsen. Auch auf der Besucherseite gibt es einen neuen Rekord zu vermelden. Die bisherige Bestmarke, mit 170’000 Besuchern 2003 in St. Gallen aufgestellt, wurde mit 200’000 Besuchern in Japan klar überboten.



An der WM von 2003 in St. Gallen und 2005 in Helsinki hat das Schweizer Team die Nationenwertung gewonnen. Klar, dass das Ziel der Verbände und der Mannschaftsführung lautete, diesen Titel wieder in die Schweiz zu holen.


Informatik seit 1997 dabei

Einer der grössten Arbeitgeberverbände der Schweiz, Swissmem, identifiziert die sehr guten Resultate der Schweiz an den Berufsweltmeisterschaften als besten Beweis für die hohe Professionalität und hohe Qualität der Schweizer Berufsleute. Und da die Teilnahme an Berufsmeisterschaften in vielen Handwerks- und Dienstleistungsberufen seit langem eine sehr gepflegte Tradition hat, haben diese auch in der Berufsbildung ein entsprechendes Gewicht.

So ist es nicht verwunderlich, wenn beispielsweise Schweizermeisterschaften der Köche, Coiffeure, Landschaftsgärtner usw. eine hohe Beachtung im Berufsfeld haben und die Nachwuchsleute laufend im In- und Ausland an Wettbewerben teilnehmen und reihenweise Medaillen mit nach Hause nehmen. Die Informatik ist entsprechend ihrer noch sehr jungen Berufsbildung erst seit der WM in Montreal 1997 in der Netzwerktechnik mit dabei. Seit St. Gallen 2003 werden die Berufsfelder Software-Applikationen, Webdesign und Netzwerktechnik beschickt. Was den Schweizer Informatikern noch nie gelang, ist in die Medaillenränge zu kommen.



Mit einer besonderen Premiere warteten die Welttitelkämpfe in Japan auf. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden die WorldSkills Competitions zusammen mit den Abilympics, den Berufswettkämpfen für Behinderte, ausgetragen. Die Schweizer Fahnenträgerin Nadine Berger aus Bern, Schweizermeisterin bei den Kosmetikerinnen, befürwortete die kombinierten Titelkämpfe: «Ich finde es sehr schön, dass wir gemeinsam unsere Wettkämpfe austragen, denn sie machen sehr viel dafür, um auch mit einer Behinderung sehr gut arbeiten zu können». Die Schweiz war bei den Abilympics in Shizuoka nicht vertreten.


Berufsolympiade...

Bereits bei der Eröffnung der Weltmeisterschaften am Fusse des Mount Fuji erkannte man die Dimensionen beim Einmarsch der Nationen hinter ihrer Landesfahne. Insgesamt 2000 Personen marschierten ins Stadion ein, wo auch Kronprinz Naruhito an der Eröffnungsfeier teilnahm und die kaiserlichen Grüsse überbrachte. Vier Tage lang wurde in den Hallen jeweils neun Stunden täglich gearbeitet und geschwitzt. Riesige Ausmasse nahmen die Einrichtungen der Automechaniker (jeder hatte ein Auto und einen Motor als Arbeitsobjekt) sowie der Karosseriespengler ein, aber auch die der Köche und Konditoren mit je einer eigenen Küche. Die Netzwerktechniker benötigten für ihre Infrastruktur ebenfalls einigen Raum.



Bei den Berufsmeisterschaften herrscht ein hoher Konkurrenzkampf unter den Ländern. Entsprechend wird jeder Teilnehmer eines Landes von einem Experten begleitet. Aufgabenstellung und danach Abnahme, Korrektur und Bewertung sind Aufgabe dieses internationalen Gremiums, das aus gleich vielen Experten wie Teilnehmenden besteht. Ihre Aufgabe ist sehr anspruchsvoll und wird von ausgewiesenen Fachleuten wahrgenommen. Sie sind im Auftrag der Berufsverbände verantwortlich dafür, dass sich die Kandidaten sehr gut vorbereiten, was auch laufend überprüft wird. Die Schweiz kann sich auf ihr sehr hochstehendes Berufsbildungs­system stützen, die zusätzliche Vorbereitung ist dennoch anspruchsvoll. Man munkelt, dass in vielen Ländern jahrelang an WM-Musteraufgaben geübt wird und Gewinner extrem belohnt würden.


Auswahl über Schweizermeisterschaften

Wie in den meisten Berufen qualifizierten sich die drei Informatiker Sascha Grossenbacher, BIT Bern, David Hostettler, Kantonales Steueramt Aarau, und Pascal Meier, Sunrise Zürich, über die Schweizermeisterschaften. Seit November 2006 haben sie neben dem Lehrabschluss und ihrem Aufgabengebiet im Betrieb entsprechend ihrem Erfahrungsschatz eine Zusatzausbildung genossen und aufgrund der Helsinki-Aufgabe und später der Übungsaufgabe für Japan trainiert.

Die Netzwerktechniker müssen ein hohes Niveau in der Windows- und Linux-Server-Implementierung nachweisen und Fachpersonen für Cisco-Kommunikationsgeräte sein. Webdesigner müssen in der Lage sein, ohne Hilfestellung von aussen eine Webapplikation mit Datenbank, Shop, Grafikteil und Benutzerführung in Topqualität in dieser kurzen Zeit zu programmieren. Im Berufsfeld «Software-Applikationen» geht es darum, mit Office-Paketen auf hohem Niveau Anwendungen zu programmieren.



Da die WM-Teilnehmenden im WM-Jahr maximal 22-jährig geworden sind, fusst ihr Können weitgehend auf dem Lehrabschluss und ein bis zwei Jahren Berufserfahrung. Entsprechend kann von den Teilnehmenden, ob sie nun mit Medaillen oder ohne heimkommen, schon gesagt werden, dass sie zur Berufselite zählen. Kommt dann noch diese Aus-zeichnung hinzu, zählen sie wirklich zu den weltbesten Fachleuten.


Berufsmeisterschaften dienen Qualitätsförderung

Die Informatik-Lehrmeistervereinigungen setzen sich seit drei Jahren sehr für die Qualität in der Informatik-Grundbildung ein. Sie wollen erreichen, dass auch hier gilt, was in anderen Berufen üblich ist: Eine künftige Fachperson hat eine Lehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis absolviert und möglichst gut abgeschlossen und baut mit der höheren Berufsbildung darauf auf. Die Auszeichnung der besten Informatik-Praxisarbeit, der zweiwöchigen Abschlussarbeit der Berufsbildung, dient der Qualitätsförderung: Die sehr gute Leistung der Einzelnen soll honoriert werden. Und der interkantonale Vergleich hilft, dass die Grundbildung einen einheitlich hohen Stand erreicht. Mit regionalen Berufsmeisterschaften (Schulmeisterschaft) und mit der Schweizermeisterschaft wird der Wettbewerb unter den Lernenden und unter den Schulen gefördert, was wiederum der Qualität der Ausbildung und den Betroffenen Auftrieb verleiht.


Der Autor

Alfred Breu ist Präsident der Zürcher Lehrmeistervereinigung Informatik.




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