Lizenzbaukasten für alle Urheber
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05
Die Open-Source-Philosophie wird momentan noch vornehmlich mit Computerprogrammen in Verbindung gebracht, welche unter sogenannten Open-Source-Lizenzen verbreitet werden. Diese Lizenzen sind terminologisch meist spezifisch auf die technischen Gegebenheiten von Computerprogrammen angepasst und deshalb nur schwer auf andere Werkarten anwendbar. Aus diesem Grund werden bei anderen Werkarten wie zum Beispiel Musik, Film und Literatur sogenannte Open-Content-Lizenzen verwendet, wenn man das Werk Open-Source-ähnlich nutzen möchte.
Die populärsten Open-Content-Lizenzen werden von Creative Commons zur Verfügung gestellt.
Auch wenn die Lizenzen bislang von unzähligen Urhebern in aller Welt angewendet werden, sind lokalisierte Versionen erst für eine handvoll Länder verfügbar, zu denen die Schweiz bislang nicht gehörte. Doch seit letztem Herbst ist eine Anpassung an das Schweizer Recht unter Führung von Openlaw in Arbeit. Grund genug, einmal einen Einblick in das Lizenz-Konzept von Creative Commons zu geben.
Creative Commons, eine 2001 in den USA gegründete Nonprofit-Organisation, setzt sich für ein moderates Urheberrecht und die Wiederverwendbarkeit geistiger Werke (Musik, Bilder, Texte usw.) ein. Letzterem dienen die von ihr geschaffenen Standardlizenzen, welche den rechtlichen Raum zwischen strengem Einsatz des Urheberrechts («all rights reserved») und Public Domain («no rights reserved») definieren. Der Urheber behält bei einer CC-Lizenz das Urheberrecht, lädt aber dazu ein, sein Werk unter gewissen Bedingungen nutzen.
Creative Commons unterstützt den Rechtsinhaber dabei, seine Werke unkompliziert und ohne grossen Aufwand zu veröffentlichen und zu verbreiten. Das von Creative Commons angebotene System zur Lizenzierung ist deshalb bewusst einfach gehalten und beschränkt sich auf vier verschiedene Bedingungen, die freilich miteinander kombiniert werden können, so dass insgesamt elf verschiedene Lizenztexte ausgewählt werden können . Diese vier sogenannten Lizenzelemente ermöglichen es dem Urheber zu bestimmen, dass das Werk zum Beispiel nur unter Nennung des Urhebers (attribution) oder nur für nicht kommerzielle Zwecke (non commercial) verwendet werden darf. Weiter kann er bestimmen, dass das Werk nicht geändert und bearbeitet werden kann (no derivative works) und ob eine solche Bearbeitung unter der gleichen Lizenz wie das ursprüngliche Werk verbreitet werden muss (share alike).
Ein Musiker kann somit zum Beispiel den Download seines Songs auf seiner Website unter der Bedingung erlauben, dass sein Name bei einer Weiterverwendung durch einen anderen stets genannt werden muss. Des Weiteren könnte er fordern, dass sein Song nur für nichtkommerzielle Zwecke weiterverwendet werden darf. Zudem kann er erklären, dass er seinen Song nur zur Verfügung stellen will, wenn der andere Benutzer sein Werk unter denselben Lizenzierungsbedingungen weiterveröffentlicht.
Mit den Creative-Commons-Lizenzen wird das bestehende Urheberrechtssystem nicht etwa umgekehrt. Es soll auch nicht aus den Angeln gehoben werden, ganz im Gegenteil: Die vom Urheberrechtsgesetz (URG) zur Verfügung gestellten Instrumente werden dazu eingesetzt, die Einhaltung der Bedingungen zu kontrollieren und dem Werknutzer im übrigen eine grosszügige Nutzung des Werkes zu ermöglichen.
Die Creative-Commons-Lizenzen sind nicht mit Open-Source-Software-Lizenzen zu verwechseln. Letztere ermöglichen zwar auch eine weitgehende Nutzung des urheberrechtlich geschützten Werkes, doch sind sie speziell auf die Werkart der Computerprogramme ausgerichtet. So enthalten viele Open-Source-Lizenzen spezielle Begriffe wie «Quellcode», die bei Werkarten wie Literatur nur schwer fassbar sind. Ähnlich sieht es bei der GNU FDL aus, die vor allem in Hinblick auf Software-Dokumentation entwickelt wurde. Es ist deshalb ratsam, für Code Open-Source-Software-Lizenzen zu verwenden und für andere Werke Open-Content-Lizenzen wie die Lizenzen von Creative Commons.
Da die Creative-Commons-Lizenzen in den USA erschaffen wurden, nehmen sie Bezug auf das amerikanische Urheberrecht. Wo sich dieses vom Schweizer URG nicht unterscheidet, lässt sich die amerikanische Fassung der Lizenz ohne weiteres auch in der Schweiz anwenden. Gleiches gilt für die Anwendbarkeit der Lizenzbestimmungen in anderen Ländern. Da der «Lizenzbaukasten» von Creative Commons relativ unkompliziert ist und Lizenzen von Creative Commons weltweit eingesetzt werden können, haben sie sich innert Kürze weltweit zum Standard entwickelt, was wiederum erheblich zur Rechtssicherheit beitragen dürfte.
Um die Rechtssicherheit noch besser zu gewährleisten, wurde von Creative Commons das International Commons Project gestartet. Dieses hat zum Ziel, die standardisierten US-Lizenzen in möglichst vielen Ländern dem nationalen Recht anzupassen. So können allgemein bekannte Probleme im Zusammenhang mit einer bestimmten nationalen Rechtsordnung bereits frühzeitig erkannt und gegebenenfalls gemildert oder abgewendet werden. Bei dieser Anpassung an die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen (die über eine bloss wörtliche Übersetzung hinausgeht) wird darauf geachtet, dass die Grundgedanken und Grundstrukturen der US-Version in den nationalen Lizenzen übernommen und eingehalten werden. Dies garantiert, dass Rechte und Pflichten aus den US-CC-Lizenz für alle Nutzer weltweit verständlich bleiben und gleiche Bedeutung erlangen.
In der Schweiz werden die Übersetzungsarbeiten unter der Leitung von Openlaw durchgeführt. Da sich das amerikanische und schweizerische Urheberrecht in den durch die CC-Lizenzen massgeblichen Bereichen nur leicht unterscheiden, konnte der erste Übersetzungsentwurf grundsätzlich ohne grössere Probleme fertig gestellt werden. Bevor die definitive Version der Schweizer CC-Lizenz publiziert werden kann, müssen noch Detailfragen geklärt und der Entwurf auf der Mailingliste juristisch diskutiert werden. Jeder Interessierte kann den schweizerischen Entwurf der CC-Lizenz downloaden und an der Diskussion teilnehmen. Ziel ist es, den Lizenztext juristisch zu verfeinern, zu überprüfen und schliesslich definitiv an die allfälligen Sonderheiten des Schweizer Urheberrechts anzupassen. Die endgültige Fassung der CC-Lizenz wird voraussichtlich im Frühling/Sommer 2005 publiziert werden.
Creative Commons stellt nicht nur die Werkzeuge für das Publizieren von urheberrechtlich geschützten Werken in Form von standardisierten Lizenzen zur Verfügung, sondern ist auch dafür besorgt, dass man unter einer CC-Lizenz publizierte Werke findet. Dazu werden den unter CC-Lizenzen veröffentlichten Werken Metainformationen beigefügt, welche Suchmaschinen entsprechend auffinden können. Wer zum Beispiel Musik zum Thema «Jazz» sucht, welche unter einer CC-Lizenz veröffentlich ist, gibt das entsprechende Stichwort entweder auf der Website von Creative Commons in der Suchmaschine ein oder direkt in die beim Open-Source-Browser Firefox integrierte Creative-Commons-Suchmaschine. Die Liste der Resultate zeigt dann übersichtlich auf, wo sich das Werk befindet und unter welchen Lizenzbestimmungen es verwendet werden kann.
Jan Widmer (jan.widmer@open law.ch) ist Jurist mit Spezialgebiet Urheber- und Open-Content-Recht und hat als Mitarbeiter bei Openlaw an den Übersetzungsarbeiten der Creative-Commons-Lizenzen mitgewirkt.