Informatiker: Auch für eine junge Frau ein Traumberuf
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04
Bis 25 Bewerbungen hatte Daniela Bucher geschrieben. Sie erhielt nur Absagen. Doch dann hatte sie Glück und kam trotzdem noch zu einer Lehrstelle als Informatikerin. Der Leiter der Schule, bei der sie das zehnte Schuljahr besuchte, hatte sie weiterempfohlen. Seit letztem August ist sie nun in der Lehre. Die Haare blond mit schwarz gefärbten Spitzen, eine Stupsnase, blaue Augen – Daniela sitzt an ihrem Arbeitsplatz und greift in die Tasten ihres PC, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht. Ihre langen Arme bewegen sich schnell über die Tischfläche, mal packt sie die Maus mit der rechten Hand, in der nächsten Sekunde wirbeln ihre Finger wieder über die Tastatur.
Daniela schätzt es, die Lehre in einer kleinen Firma machen zu können: «In einem grossen Unternehmen käme ich mir klein vor», sagt sie. Ausser Daniela arbeiten noch acht weitere Personen in der Firma, einige davon nur Teilzeit. Soeben hat Daniela einen Auftrag von ihrem Chef erhalten. Sie soll auf der Firmen-Website neue Buttons einpflanzen, damit die Seite übersichtlicher wird und die Navigation für die Benutzer einfacher. Daniela öffnet zielstrebig den Photoshop und den Director, die beiden Programme, die sie für diesen Auftrag braucht. Eine Vorlage für die virtuellen Knöpfe gibt es bereits. Sie muss die Buttons vor dem Plazieren aber noch neu beschriften.
«Bei all den Absagen auf meine Bewerbungen habe ich mich schon gefragt, warum und wieso», erzählt Daniela, «meine Mutter musste mich mit der Zeit richtig zwingen, Bewerbungen zu schreiben.» Daniela hat sich auch um eine Lehrstelle als Hochbauzeichnerin bemüht, wenngleich Hochbauzeichnerin zweite Wahl gewesen wäre. Als sie die Lehrstelle als Informatikerin schliesslich erhalten hat, ist ein Traum für Daniela in Erfüllung gegangen.
Daniela ist in ihre Arbeit vertieft. Ihr Oberkörper beugt sich dem Monitor entgegen, sie kneift ihre Augen zusammen: «Was soll das? Die Schrift verschwindet immer wieder», meckert sie. Der Mauszeiger beginnt hektisch über den Bildschirm zu zucken. Gleichzeitig trommelt sie mit ihren Fingern auf der Tischplatte, auf den Maustasten. Eine Fehlermeldung erscheint. «Auch das noch!», zischt sie. Nein, sie habe nicht das Gefühl, dass sie bei der Arbeit ungeduldig sei. Privat vielleicht eher, sagt Daniela, währenddem eine SMS auf ihr Handy surrt. Dann konzentriert sie sich wieder auf ihre Arbeit.
Danielas Chef erhält viele Anfragen für Schnupperlehren. Er ist der Meinung, dass ein Betrieb auch aus sozialen Überlegungen eine Lehrstelle anbieten sollte. An den jungen Berufsleuten schätzt er, dass sie in der Regel die Office-Programme bereits beherrschen und vertraut sind im Umgang mit dem Internet und E-Mail. Dass viele Firmen nur noch Hochschulabsolventen einstellen, könne er nicht verstehen. Die seien doch teuer, und es fehle ihnen der Praxisbezug.
An Daniela schätzt er, dass sie bereits vom ersten Tag an sehr selbständig arbeitete. Während ihrer Schnupperlehre musste sie an der Firmen-Homepage Änderungen durchführen. Sie habe gleich eigene Vorschläge für die Gestaltung gemacht. Schliesslich sei die Arbeit so gut gelungen, dass sie nun gleich für diese Website verantwortlich ist. Der PC ist auch abends nach der Arbeit wichtig: Daniela sitzt oft in ihrem Zimmer vor dem Computer, verewigt sich in Internet-Foren und chattet mit Freunden. Viel Zeit investiert sie für ihre eigene Homepage. Immer wieder gestaltet sie alles um. «Webdesign gefällt mir schon ziemlich gut», sagt Daniela. Nach der Lehre würde sie sich am liebsten in Richtung Design und Grafik weiterbilden. «Mich fasziniert, wie so ein geschriebener Code in etwas Grafisches umgewandelt wird», schwärmt sie.
Endlich hat sie für ihren Auftrag mit den Buttons einen Weg gefunden, damit die Schrift nicht mehr verschwindet. Dazu hat sie in der Suchmaschine Google nach Farbcodes geforscht und ist fündig geworden. «Jetzt muss ich den Button nur noch positionieren, und einen Rollover-Effekt braucht es auch noch», erklärt sie. Dadurch verändert sich der Button, wenn der Mauszeiger darüberfährt, das hilft bei der Orientierung auf einer Website und animiert zum Anklicken.Keinen Spass macht ihr, wenn es bei der Arbeit darum geht, zu testen, ob etwas funktioniert, und sie darüber hinaus auch noch Protokoll führen muss. Sie sei aber schon genau. «Bei Prüfungen zum Beispiel brauche ich lieber mehr Zeit als nur husch, husch. Dafür stimmt es dann auch», erklärt Daniela.In der Schule wird sie auch lernen, Rollover-Effekte zu programmieren. Noch will dieser nicht zustande kommen.
In den ersten beiden Lehrjahren muss sie pro Semester zwei Schulblöcke à fünf Wochen besuchen. Zwei Blöcke hat sie bis jetzt absolviert. Im dritten und vierten Lehrjahr wird sie pro Semester noch eine Woche zur Schule gehen. Die ersten Modulprüfungen an der Berufsschule in Winterthur hat sie bereits hinter sich. Beim Programmieren in der Sprache C schaffte sie es auf eine 4,5. Beim Modul Datenbank erreichte sie eine 5,5. In einer Disziplin wohlgemerkt, vor der sie in den ersten Wochen ihrer Lehre grossen Respekt hatte.
Matthias Pfander ist Redaktor unserer Schwesterzeitschrift IT Reseller. Sie erreichen ihn unter mpfander@com press.ch.