Editorial

Die 168-Stunden-Woche


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04

     

Als die Swisscom das Gerät mit dem Spruch «die 168-Stunden-Woche» bewarb, musste ich schmunzeln. Heute weiss ich, dass sie mit diesem Werbeslogan richtig lag. Die Rede ist von «Blackberry», einem proprietären Luxus-Handheld, mit dem Geschäftsleute und andere Vielbeschäftigte unterwegs, in Sitzungen oder von zu Hause aus ihre E-Mails laufend empfangen und senden, ihre Termine online planen und auch Telefonate führen können. Es sorgt so mittels eines speziellen, GPRS-basierenden E-Mail-Push-Services dafür, dass Blackberry-Benutzer an 7 Tagen die Woche während 24 Stunden per E-Mail erreichbar sind, und zwar nicht nur im Büro, sondern überall, wo es Handy-Empfang gibt.



Als wir das Gerät bei uns eingeführt haben, hat es bei einigen meiner Kollegen zwar dafür gesorgt, dass sie aufgrund der guten Erreichbarkeit weniger häufig im Büro anzutreffen sind. Umgekehrt ist es heute keine Seltenheit mehr, von eben diesen Kollegen auch nachts oder am Wochenende per E-Mail noch Antworten auf Anfragen zu erhalten, und dies selbst dann, wenn sie an sich in den Ferien sind. Immerhin sorgt das Gerät dafür, dass die Betroffenen nicht mehr aufs Hotelzimmer gehen müssen, um ihre E-Mails zu checken; sie können das nun auch bequem vom Strand oder der Bar aus tun.




Unter dem Strich hat der Blackberry bei manchen Personen zweifellos zu einer deutlichen Steigerung der Verfügbarkeit via E-Mail geführt. Ob das für das Stress-Niveau und Sozialverhalten der Betreffenden eine gute Entwicklung ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Aus Sicht der jeweiligen Unternehmen erscheint die Wirkung jedenfalls positiv: Die Mitarbeiter arbeiten länger und können gerade bei Teamarbeiten rascher und effizienter agieren. Das Gerät ist zudem sehr einfach zu bedienen, weil der Benutzer mit der ganzen Technik im Hintergrund nichts zu tun hat. Für die Echtzeit-Integration mit dem Mail-Server und allem anderem, was es für den reibungslosen Betrieb braucht, sind die IT-Abteilung und der Service-Provider zuständig. Der Benutzer muss sich weder um die Anbindung ans Mobilfunknetz kümmern, noch um den mobilen Zugang zum Internet oder
um das Einrichten des E-Mail-Kontos auf seinem Gerät.



Trotz allem sind bisher erst wenige Konkurrenten dem Beispiel der Blackberry-Herstellerin Research In Motion (RIM) gefolgt. Das liegt wohl nicht nur an den hohen Preisen der Lösung. Der Hauptgrund dürfte auch in der Tatsache begründet sein, dass hierzulande die meisten Unternehmen den Einsatz von Handhelds und mobiler E-Mail-Kommunikation noch nicht als Instrument zur Steigerung der Effizienz ihrer Mitarbeiter erkannt haben. Wenn die Mitarbeiter solche Geräte einsetzen wollen, müssen sie das oftmals aus eigener Initiative tun – falls es ihnen aus Gründen der Systemkonformität von den IT-Abteilungen nicht sogar völlig untersagt wird. Solche Betriebe sollten sich freilich Gedanken darüber machen, ob sie letztlich nicht mehr gewinnen würden, wenn sie den geeigneten Mitarbeitern den Einsatz ihrer Handhelds nicht nur erlauben, sondern diesen ausdrücklich fördern und ihnen gleich auch die Möglichkeit zur mobilen E-Mail-Kommunikation verschaffen. Das ist zwar mit einigen Ausgaben verbunden. Doch es muss ja nicht gleich die Luxus-Lösung von RIM sein, um auf das beworbene Ziel der «168-Stunden-Woche» hinzuwirken.




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