Unterschätzte Schlüsselqualifikationen

Obwohl Unternehmen immer mehr Softskills von ihren IT-Angestellten fordern, werden die weichen Schlüsselqualifikationen noch viel zu wenig gefördert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/22

     

Softskills sind sogenannte «weiche Schlüsselqualifikationen», die nicht direkt mit der Fachausbildung (Hardskills) in Verbindung stehen. Ausgeprägte Softskills fördern Fähigkeiten wie Verhandlungsgeschick, rhetorische Begabungen, Motivationsgeschick und Überzeugungskraft.





Dass Softskills bei Schweizer IT-Profis aber mangelhaft sind, hat eine vor bereits einem Jahr durchgeführte Umfrage der Berner IT-Berater von Pascal Sieber & Partners ergeben (siehe InfoWeek 13/2003). Die Studie kam zum Schluss, dass die grössten Schwächen von IT-Professionals, Projektleitern und ICT-Verantwortlichen bei den weichen Faktoren liegen. Am schlechtesten kamen die ICT-Berater weg, die ihre eigenen Fähigkeiten am häufigsten überschätzten. Herausgefunden hat man dies, indem man die ICT-Berater sich selber beurteilen liess und gleichzeitig ihre Kunden befragte. Aber auch die Projektleiter zeigten Schwächen, insbesondere in den Kategorien Projekt-, Zeit- und Eigenmanagement. Die ICT-Verantwortlichen hatten erschreckende Lücken in der Anwenderorientierung, waren wenig konfliktfähig und kommunizierten schlecht. Ernüchternde Ergebnisse also.


Wenig Investitionsbereitschaft

Es scheint, als hätten die Unternehmen und insbesondere die Weiterbildungsverantwortlichen noch nicht viel aus den Erkenntnissen gelernt. Denn die Situation präsentiert sich heute wie damals unverändert. «Dass IT-Angestellte mangelhafte Softskills aufweisen, ist schon fast eine Binsenwahrheit», sagt Pascal Sieber vom gleichnamigen Beratungsunternehmen.





Schuld sind aber nicht nur die Arbeitnehmer, sondern zu einem grossen Teil auch die Arbeitgeber. Dies zumindest behauptet eine aktuelle US-Studie des Personaldienstleisters Robert Half Technology. Gemäss der Studie ermöglichen 47 Prozent der CIOs ihrem Personal keine Weiterbildungen in nicht-technischen Bereichen wie Kommunikation, Projektmanagement, Mitarbeiterführung und betriebswirtschaftliche Grundlagen. Die Erhebung, die unter rund 1400 CIOs von Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten durchgeführt wurde, besagt weiter, dass Skills wie Projektmanagement, Führungs- und Kommunikationsfähigkeiten für die nächste Generation von IT-Managern von entscheidender Bedeutung sein werden.
Obwohl die Untersuchung in den USA durchgeführt wurde, ist die Situation hierzulande kaum anders. Dies bestätigt auch Pascal Sieber, der in seinem Erfahrungsumfeld feststellt, dass Weiterbildung am häufigsten informatikgetrieben ist. Sieber führt das darauf zurück, dass sich die Schweizer IT-Unternehmen noch nicht gänzlich an die veränderten Bedürfnisse angepasst haben. «Die Schweizer Informatikdienstleister leben vom Anpassen von Software an die Kundenbedürfnisse. Das hat auch zu einem grossen Teil etwas mit Verkaufen zu tun», sagt Sieber. «Trotzdem denken selbst die professionellsten Informatikunternehmen in der Schweiz noch sehr angebotsgetrieben», so Sieber. Dies müsse man aber auch im historischen Kontext sehen. So hätten sich Kunden noch vor nicht allzulanger Zeit auf neue Hardware subscribieren müssen. Das heisst, die guten Kunden bekamen die Hardware schneller als schlechtere. Bei der Software sei das ähnlich. «Ich kenne viele Softwarefirmen in der Schweiz, die auf ihren Kunden und Produkten sitzen geblieben sind. Das ging lange Jahre gut», sagt Sieber. Nur sei die Situation jetzt anders, und der Zeitraum dieser Veränderung sei sehr kurz.






Urs Gassmann erklärt die mangelnden Softskills bei IT-Profis folgendermassen: «Der Informatiker ist grundsätzlich eher der introvertierte Typ, deshalb hat er auch vielfach einen Mangel bei den Softskills.» Gassmann ist Geschäftsführer der Firma Soft Skills Training, die sich auf Softskill-Schulungen spezialisiert hat und unter dem Patronat des Schweizerischen Verbandes der Techniker TS steht. Gassmann stellt fest, dass in den letzten Jahren, unabhängig von der Art des Unternehmens nur wenig in Softskill-Weiterbildung investiert wurde. «Softskills sind langfristige Weiterbildungen, in schweren Zeiten wird vielfach in kurzfristige Sachen investiert», so seine Erklärung.


Fehlende Messbarkeit

Christian Schucan, Vorsteher der Fachgruppe Informations-Management von SwissICT, sagt, dass Projekte häufig an weichen und nicht an technischen Faktoren scheitern. Dies sei auch in der Schweiz nicht anders. Andererseits hat Schucan festgestellt, dass die Leute Softskill-Ausbildungen machen und trotzdem Probleme hätten. «Dies hängt häufig mit der Unternehmenskultur zusammen», so Schucan. Ausserdem bestehe ein direkter Zusammenhang mit den Führungskompetenzen. «Die Leute, die führen können, nehmen das Thema viel ernster, als die, die es selber noch nötig hätten», sagt Schucan, der anmerkt, dass die Softskills häufig bei den Managern selber nicht ausgeprägt sind. «Oft werden Leute befördert, die vor allem technisch brillieren», so Schucan.






Schucan ist der Meinung, dass die Arbeitgeber zwar ausreichend auf das Thema sensibilisiert seien, die Bereitschaft zu konkreten Massnahmen aber noch fehlt. Das hänge unter anderem damit zusammen, dass mangelnde Softskills einem Unternehmen noch zu wenig offensichtlichen Schaden anfügen. Ausserdem habe man bei dieser Art der Ausbildung zwar harte Fakten in Form von Kosten, aber keine, was den Nutzen betrifft. «Technisches Fachwissen ist überprüfbar, Softskills sind von der Definition her schon weich. Hier fehlt eindeutig die Messbarkeit», so Schucan.


Introvertierte Informatiker

Die Experten sind sich darin einig, dass Softskills immer wichtiger werden. «Differenziert sich irgendeine Softwarefirma noch über die Qualität ihres Produkts?» Diese Frage stellt Christian Schucan zurecht, denn die Systeme können längst viel mehr, als man je anwenden könnte. Es gehe folglich nur noch darum, das System sinnvoll einzusetzen. Also müsse man mit dem Kunden reden können und ihn verstehen.






«Ein Informatiker muss einem Nicht-Informatiker etwas erklären können», sagt Urs Gassmann. Deshalb seinen Softskills auch im Bereich Teammanagement wichtig. «Jemand, der für sich selbst programmiert, braucht die Fähigkeit des Introvertierten. Später muss er sich aber wieder einbringen können und braucht deshalb Softskills», so Gassmann.
Genauso einig sind sich die Fachleute darin, dass Sofskills nicht einfach zu erlernen sind. Pascal Sieber erzählt beispielsweise von einem Fall, bei dem eine Unternehmung versuchte, Techniker in sozialen Fähigkeiten zu schulen. Dabei habe man festgestellt, dass die Anforderungen an das technische Wissen in gewissen Bereichen, wie etwa dem Support, sehr einfach erlernbar sind. Deshalb stellte man schliesslich lieber Leute ein, die sozial fähig sind (wie zum Beispiel teilzeitarbeitende Frauen) und schulte diese technisch.


Assessments zur Pflicht machen

Sieber rät den Weiterbildungsverantwortlichen, die Ausbildung des Managements zu professionalisieren. «Es gehört zum Betrieb des Managements, dass jährlich Assessments durchgeführt werden», sagt der Berater. Es gehöre zu einem anständigen Ausbildungsbetrieb, dass man prüfe, ob die Leute etwas taugen. Auf die Frage, ob man Leute entlassen soll, die die nötigen Skills nicht haben, antwortet Sieber: «Schlechte Mitarbeiter kann man sich nicht gut leisten, schlechte Manager kann man sich gar nicht leisten.» Als eine allerdings etwas radikale Massnahme rät Sieber zur Jobrotation: Man setzt einen Manager als IT-Abteilungsleiter ein, umgekehrt darf sich der CIO einmal mit Kunden beschäftigen. Als etwas weniger radikale Massnahme zur Förderung von Softskills bezeichnet Sieber den Einsatz von Mediatoren, typischerweise Wirtschaftsinformatikern.






Für Christian Schucan ist die Gesamtführungskultur im Unternehmen viel wichtiger als die Ausbildung. «Die Weiterbildung allein führt nicht weiter. Das Unternehmen muss bereit sein, grundsätzlich auf verschiedenen Ebenen etwas zu unternehmen», sagt Schucan, der davon überzeugt ist, dass erst eine Kombination von unterschiedlichen Faktoren zum Ziel führt


Wie man Softskills trainiert

Softskills sind grundsätzlich erlernbar. Eines der primären Ziele einer Schulung sollte es sein, IT-Profis soweit zu bringen, dass sie so zu kommunizieren lernen, dass die Leute, die nicht vom Fach sind, es auch verstehen.
Bei einer Schulung gilt es, einige Faktoren zu berücksichtigen. «Man muss zunächst festlegen, ob man eine Gesamtschulung in einem firmeninternen Kurs machen will, oder ob man einzelne Angestellte fördern möchte», sagt Urs Gassmann. Eine Gesamtschulung müsse in einer Strategie festgelegt werden, bei Einzelausbildungen sollten über Mitarbeitergespräche Stärken und Schwächen eruiert und entsprechend gefördert werden.






Wichtig sei es, dass die Leute auf die Schulung vorbereitet werden. «Softskills lernt man durch üben und nicht durch zuhören», so Gassmann. Wer Softskills trainiere, müsse sich immer eine Blösse geben können, denn es klappe nur selten auf Anhieb. Und einen solchen Lapsus bekommen alle Teilnehmer mit, anders als bei einer technischen Ausbildung, wo nur das positive Endresultat sichtbar ist.
Gassmann rät ausserdem zu einer Standortbestimmung in Form eines Persönlichkeits-Entwicklungsseminars. Weniger geeignet seien reine Software-Lösungen oder Online-Tools, denn es brauche immer jemanden, der ausgebildet ist, etwa ein Psychologe oder Sozialpädagoge, der die Tests auswertet.




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