Ein Accounting- und Reporting-System für die Zukunft

Ein wesentliches Merkmal des Global Environment for Accounting & Reporting der UBS WM&BB ist die generische Bewirtschaftung der bi-temporal abgelegten und normalisierten Stamm- und Referenzdaten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19

     

Die über die letzten Jahrzehnte historisch gewachsenen Accounting- und Management-Informationssysteme stossen an ihre Grenzen und stehen in den meisten Fällen am Ende des Lebenszyklus. Für viele Banken stellt sich somit nicht nur die Frage, wann die bestehenden Systeme abgelöst werden müssen, sondern auch wie. Ein zukunftsweisendes Accounting- und Reportingsystem muss in der Lage sein, sowohl die regulatorischen (IAS, US GAAP, Basel II, SOX etc.) als auch die internen Reportinganforderungen zu erfüllen.






Intern bedeutet dies, dass es möglich sein muss, das finanzielle Ergebnis und dessen Ursachengrössen auch auf Ebene Profitcenter, Kunde und Produkt transparent zu machen. Nur so ist es möglich, die operative Führung einer kunden- und produktzentrierten Organisation zu gewährleisten und gleichzeitig die Unternehmensstrategie bestmöglich zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund waren es zwei verschiedene Initiativen, die den Auslöser für die Entwicklung eines neuen Accounting- und Reporting-Systems in der Unternehmensgruppe UBS Wealth Management & Business Banking (UBS WM&BB) gaben:



Das Programm GEAR (Global Environment for Accounting and Reporting) setzte sich zum Ziel, die Accounting & Reporting-Funktionen in der UBS konzernweit zu standardisieren, mit dem Anspruch, für die UBS das «anerkanntermassen effektivste und effizienteste Controlling-Instrumentarium in der Bankenbranche» aufzubauen.



Das Strategic Solution Program (SSP) der UBS WM&BB verfolgte gleichzeitig das Ziel, das operative IT-System der UBS in der Schweiz von Grund auf zu erneuern und auf eine neue Plattform zu stellen.
Diese beiden strategischen Entwicklungsprogramme gaben Anfang 2001 den Startschuss für die Entwicklung des Systems GEAR, das weit über alle bisherigen Lösungen im Bereich Bankbuchhaltung und Reporting hinausgeht und in technischer wie auch fachlicher Hinsicht neue Wege beschreitet.


Grosse Herausforderung

Damit war ein erster Meilenstein gesetzt und die Messlatte der Anforderungen entsprechend hoch angelegt. Das Projektteam hatte die Aufgabe, 16 separate Systeme in ein einziges zu integrieren, wobei Finanzbuchhaltung und betriebliches Rechnungswesen der Bank, die bislang getrennt waren, in einem System vereint werden sollten. Das bedeutete, dass sämtliche finanziellen Transaktionen der Bank über eine zentrale Kontierungslogik und mit allen erforderlichen Informationen im Hauptbuch erfasst werden sollten, bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz und Flexibilität. Im weiteren musste das Accounting- und Reporting-System problemlos in der Lage sein, sowohl künftige regulatorische als auch interne Reportinganforderungen einfach zu integrieren.





Eine grosse Herausforderung, wie sich schnell abzeichnete, da für das zu bildende System keine Standardlösung im Markt erhältlich war. «Wenn wir heute vor der gleichen Situation stehen würden und es gäbe eine solche Standardlösung, würden wir uns einen entsprechenden Einsatz gut überlegen – denn damit könnten Implementierungszeit, Projektrisiken und -kosten deutlich reduziert werden,» kommentiert der zuständige Projektleiter Thierry Schafflützel den eingeschlagenen Weg. «Doch der Weg hat sich für uns in jeder Hinsicht ausgezahlt, denn auch heute existiert weltweit noch kein vergleichbares System, weshalb die UBS WM&BB mit GEAR der Branche wohl einen Schritt voraus ist.»





Die Architektur von GEAR (Global Environment for Accounting and Reporting


Mit externen Partnern

Die UBS WM&BB entschloss sich nach der internen Konzeptionierung im Frühjahr 2001, die Entwicklung von GEAR zusammen mit externen Partnern in Angriff zu nehmen: Accenture implementierte die Kontierungslogik, Oracle lieferte mit Oracle Financials den General Ledger, Elca Informatik realisierte die Bewertungsprozesse, DataLizard stellte das Applikations-Framework LizardUser für die Stamm- und Referenzdatenbewirtschaftung, Business Objects installierte das Datamart-Tool für das konsolidierte Reporting und Redwood Software die Prozessautomatisationskomponenten.


Alle Daten in einem System

Das Spezielle am UBS-WM&BB-Modell ist, dass alle Daten auf elementarer Ebene in einem einzigen, integrierten System gehalten werden. Dadurch steht eine Accounting-Lösung zur Verfügung, die konsistente Auswertungen in allen Dimensionen bereitstellt und verschiedene Bewertungen der Bilanzpositionen ermöglicht. «Innerhalb der ersten Monaten wurden sieben Milliarden Transaktionen verarbeitet», veranschaulicht Thierry Schafflützel die Dimensionen des Systems.






Die Geschwindigkeit von GEAR entspricht einem Real-Time-Reporting, das die operative Unternehmensführung der UBS WM&BB massgeblich unterstützt. Zudem erhält das Management aktuelle und marktrelevante Daten, die es ihm erlauben, frühzeitig Trends aufzuspüren und zu analysieren. Die Grossbank ist heute in der Lage, sämtliche für die Unternehmensführung relevanten Reportings innerhalb von fünf bis 16 Stunden aus einer zentralen Datenbank herauszuziehen – täglich und in einer den jeweiligen Bedürfnissen angepassten Form. Zudem steht das externe Reporting heute bereits innerhalb von fünf Tagen (zuvor neun Tage) nach Monatsabschluss zur Verfügung.


Für die Zukunft gerüstet

Das hochperformante System stellt der Bank ein hohes Mass an Business Intelligence zur Verfügung, mit deren Hilfe die Leistungen von UBS WM&BB optimal auf die Marktbedürfnisse ausgerichtet werden können. Den CFOs stehen nebst Finanzinformationen wichtige Daten für das Controlling der Kredit-, Markt- und operationellen Risiken aus einem einzigen System zur Verfügung, und das in einer Geschwindigkeit wie in keiner anderen Schweizer Bank. Zusätzlich gewinnt UBS WM&BB eine aktuelle, differenzierte und globale Marktsicht, kann somit schneller reagieren und das Risiko entsprechend reduzieren oder Chancen für sich nutzen. Da alle Daten konsistent und abgestimmt zur Verfügung stehen, ist UBS WM&BB mit dem neuen Accounting- und Reportingsystem auch bereits für die Zukunft gerüstet. Dies wird sich insbesondere im Zusammenhang mit Basel II als Vorteil erweisen, da wesentliche Datenbestände und Funktionalitäten für die neue Eigenmittelberechnung bereits vorhanden sind.
Darüber hinaus hat sich die hohe Transparenz und Kontrolle der Datenqualität auch im Hinblick auf die Anforderungen im Sarbanes-Oxley Act als sehr nützlich erwiesen. Auch auf die zu erwartenden verschärften Vorschriften seitens anderer Staaten oder der EU ist die UBS WM&BB mit GEAR gut gewappnet.


Intelligente Bewirtschaftung von Stamm- und Referenzdaten als zentraler Erfolgsfaktor

Bestimmungen wie der Sarbanes-Oxley Act bringen auch Anforderungen an die Datenhaltung mit sich. Veränderungen in den Daten müssen jederzeit nachvollziehbar sein. Dies nicht nur in den operativen Daten, sondern auch in Steuerdaten, Regeln und fachlichen Metadaten. Nur so lassen sich Berichte und damit Managemententscheide lückenlos reproduzieren oder begründen.
In GEAR wurden diese Anforderungen mit einer bi-temporalen Haltung sämtlicher Stamm- und Referenzdaten umgesetzt, zu denen eben auch Steuerdaten, Regeln und fachliche Metadaten zählen.





Bei der bi-temporalen Datenhaltung werden sämtliche Informationen auf zwei Zeitdimensionen abgebildet. Die eine Dimension – die fachliche Gültigkeit – gibt Aufschluss über die Periode, während der eine bestimmte fachliche Information gültig ist. Diese Perioden liegen nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Ein typisches Beispiel dafür sind zukünftige Zinskonditionen. Üblicherweise werden diese Informationen einiges vor dem Zeitpunkt, in dem diese in Kraft gesetzt werden, im System eingegeben. Forecast-Modelle nutzen zum Beispiel diese «Zukunftsinformationen», um Veränderungen in den Geldflüssen vorzeitig zu erkennen.






Die zweite Dimension – das Wissen – gibt Aufschluss über die Periode, während der eine bestimmte fachliche Information im System Gültigkeit hatte. Mit dieser zusätzlichen Zeitdimension wird sichergestellt, dass jede Version einer fachlichen Information im System registriert bleibt. Nachträgliche Korrekturen der fachlichen Information oder von deren Gültigkeit werden stets als neue Version beziehungsweise als neues Wissen festgehalten. So kann man jederzeit «altes Wissen» rekonstruieren und damit begründen, auf welcher Datenbasis Berichte erstellt und Entscheide getroffen wurden.


Ein übergreifendes Geschäftsmodell

Ein weiterer Aspekt, der bei der Erstellung qualitativ hochwertiger Berichte zum Tragen kommt, ist die Ausprägung der Stamm- und Referenzdaten. In der Regel sind die Informationen in den Frontsystemen denormalisiert geführt und auf das operative Geschäft ausgelegt. Um die Informationen auswerten und in Managementreports zusammenführen zu können, sind zusätzliche fachliche Metainformationen notwendig, welche nicht in den Frontsystemen bewirtschaftet werden. Beispiele hierfür sind Organisationsstrukturen, Produkt- und Vertragskategorisierungen, Zuständigkeiten und gesetzliche Regelwerke wie der Kriterienkatalog der Eigenmittelunterlegung.






Im Projekt GEAR hat die UBS WM&BB sämtliche fachlichen Zusammenhänge in einem einzigen übergreifenden Geschäftsmodell zusammengetragen und in normalisierter Form (3. Normalform) in den unterliegenden Datenbanken populiert. So wurde ein hochwertiges, granulares Modell geschaffen, welches heute über rund 2000 physische Tabellen mit etwa 15'000 physischen Attributen verfügt und praktisch keine redundanten Informationen beinhaltet. Grosses Augenmerk wurde darauf gelegt, keine Sichten, sondern nur die fachlichen Fakten zu modellieren. Dies erlaubt ein weitgehend uneingeschränktes Überlagern abgeleiteter Sichten für die unterschiedlichen Reportingbedürfnisse, wie sie eingangs dieses Artikels aufgeführt wurden.


Entschärfung der Komplexität

Die Wahl der dritten Normalform und der bi-temporalen Speicherung hat die Komplexität des operativen Datenbestandes massiv gesteigert. Die Auswertung und die Bewirtschaftung der geführten Informationen erfolgt aber durch Anwender aus den Fachbereichen. Dementsprechend muss diese Komplexität von intelligenten Tools «entschärft» werden, um eine sichere und für den Anwender verständliche Art der Bewirtschaftung zu gewährleisten. Die einzelnen Aufgabenstellungen müssen auf den entsprechenden Geschäftsfall abgestimmt und in Arbeitsabläufen mit enger Benutzerführung zusammengefasst werden können. Der Anwender darf nicht mit technischen Aspekten wie der Bi-Temporalität konfrontiert werden. Beziehungen im unterliegenden Modell müssen ohne Einwirken des Anwenders entsprechend dem Verlauf der Bewirtschaftung automatisch durch das Tool geknüpft werden können. Die möglichen Sichten und Eingaben müssen in bezug auf Datentiefe sowie -breite und Wertebereiche entsprechend dem Geschäftsfall eingeschränkt werden können.





Die bi-temporale Datenhaltung


Prüfspur für die Revision

In bi-temporalen Systemen kann aus einer einfachen logischen Benutzertransaktion wie der Aktualisierung eines einzelnen Datensatzes eine Reihe von untergeordneten physischen Einzeltransaktionen ausgelöst werden. Diese müssen vom Tool entsprechend der Datenkonstellation evaluiert und in derselben Transaktionsgrenze ausgeführt werden. Dabei muss jede Benutzertransaktion zusätzlich in einer Prüfspur für die Revision aufgezeichnet werden. Es muss sichergestellt sein, dass keine physische Transaktion im System bestätigt wird, ohne dass der dazugehörende Eintrag in der Prüfspur erfolgt ist. Umgekehrt darf kein Eintrag in die Prüfspur erfolgen, ohne dass die physische Transaktion im System bestätigt wurde.


Flexible Berechtigung

Anforderungen bezüglich der Datensicherheit werden durch rollenbasierende Benutzerberechtigung und das Führen von Datenräumen abgedeckt. Den Anwendern soll aufgrund ihrer organisatorischen Zugehörigkeit der Zugriff auf die Daten erlaubt werden. Sämtliche Einzelfunktionen wie das Hinzufügen, Ändern und Löschen von Datensätzen, aber auch das Drucken, Exportieren, Importieren und Verdichten der Informationen müssen einzeln berechtigt werden können. Speziell bei der bi-temporalen Datenhaltung müssen Mutationen in der Vergangenheit und das Reaktivieren gelöschter Objekte separat berechtigt werden können.


Generischer Ansatz mit LizardUser

Um den oben aufgeführten Anforderungen genügen zu können und grösstmögliche Flexibilität in bezug auf die sich verändernden Anforderungen zu gewinnen, hat sich die UBS WM&BB zum Einsatz einer generischen Lösung entschieden, welche unabhängig von der unterliegenden Datenstruktur und damit für weitere neue Aufgabenstellungen eingesetzt werden kann. Als einzige Lösung, welche die geforderte Funktionalität abdeckt und auch den sicherheitstechnischen beziehungsweise betrieblichen Anforderungen gerecht wird, wurde das generische Applikations-Framework LizardUser der Firma DataLizard AG integriert.


Ziele des GEAR-Projekts



Bessere Information: Business Intelligence zur Optimierung der Geschäfte von UBS WM&BB mittels detaillierten Ansichten der Kunden- und Produkte-Profitabilität. Verbesserung der Informationsqualität und -konsistenz sowie aller Finanzinformationen für die Compliance-Erfüllung und das Risikomanagement.



Günstigere Information: Eliminierung beziehungsweise Automatisierung des Datenabgleichs der Finanzbuchhaltung und der Management-Informationssysteme. Reduktion der IT-Kosten durch den Ersatz von 16 Systemen durch ein integriertes System.



Schnellere Information: Ein Annäherung an die ideale Real Time Enterprise, indem das interne Reporting für das Tagesgeschäft mit einer Verzögerung von höchstens einem Tag und das externe Reporting spätestens fünf Tage nach dem Monatsabschluss zur Verfügung stehen.


Die Datalizard AG

Das Engineering-Unternehmen DataLizard AG wurde 1999 von Philipp Künsch gegründet. Das zehnköpfige Entwicklungs- und Projektteam ist in Dietikon ZH, der Geschäftssitz in Büron LU. DataLizard ist spezialisiert auf metadatengesteuerte Anwendungen, mit welchen Informationen mit Business-Logik hinterlegt, bewirtschaftet und ausgewertet werden können. Auf der Basis des eigenentwickelten Applikations-Frameworks LizardUser erhalten die Kunden massgeschneiderte Lösungen, mit denen unter anderem die Daten sämtlicher Source-Systeme (z.B. ERP, CRM,SCM) aggregiert werden können, damit Unternehmen den Maximalwert an wirkungsvollen Informationen erhalten, um Geschäftsentscheidungen zu treffen, die eine reale Auswirkung auf den Erfolg des Unternehmens haben werden. Für mehr Informationen: 01 745 34 00 oder info@datalizard.com/www.datalizard.com.


Der Autor

Philipp Künsch, DataLizard AG, und Thorsten Sittig, UBS AG.




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