Mietsoftware kommt besser ins Geschäft

Die Urteile über Application Service Providing bewegten sich in den letzten Jahren von absolut zukunftsträchtig bis zu unbrauchbar. Nun scheint sich ein zweiter Frühling für die Mietsoftware abzuzeichnen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/18

     

In letzter Zeit mehren sich Meldungen über erfolgreich eingeführte Lösungen, die im ASP-Modell (Application Service Providing) betrieben werden. Das stellt die deutsche HKP Consulting in ihrer Marktstudie «ASP 2004» fest. Sie schreibt: Unternehmen wie Salesforce.com, beweisen, dass es möglich ist, mit dem Vermieten von zentral betriebenen und verwalteten Anwendungen erfolgreich im Markt zu agieren. Das erstaunt, denn bis vor kurzem war ASP eines der unpopulärsten Kürzel in der Informatikwelt, es stand für eine Technik, die hochgejubelt wurde, aber sämtliche Versprechen nicht einlösen konnte.





Die Wunden aus der Zeit, als die ASP-Idee kostenbewusste Manager erst verzückte und dann mit technischen Unzulänglichkeiten zur Verzweiflung trieb, sind noch nicht ganz verheilt. Deshalb sprechen heute die meisten Anbieter, wenn sie über ASP reden wollen, viel lieber von «Software als Service», «On-Demand-Computing» oder «Software aus der Steckdose». Adrian Lüthi, Geschäftsführer der ERPsourcing in Wallisellen, bedauert, dass der Ausdruck ASP in der Vergangenheit oft überstrapaziert wurde, gibt sich jedoch überzeugt: «Das Modell als solches ist durchaus erfolgreich und wird sich mit dem Trend zur Konzentration auf die Kernkompetenzen speziell auch im KMU-Bereich weiter verbreiten.»






Auch die HKP-Studie postuliert, ASP sei nun auf dem Weg zu einer ernstzunehmenden Alternative zum traditionellen Software-Lizenzmodell. «Application Service Providing», schreibt HKP-Geschäftsführer Werner Grohmann, «ist zwar nach wie vor weit von den euphorischen Prognosen der Anfangsjahre entfernt, etabliert sich aber langsam als zusätzliches Geschäftsmodell einer wachsenden Zahl von Software-Anbietern.» Der grösste Teil der befragten ASPs sieht allerdings das traditionelle Lizenzmodell auch in drei Jahren noch vorne. Und eine Studie von Pierre Audoin Consultants rechnet zwar mit zunehmender Nachfrage, weist jedoch darauf hin, dass die Ausgangsbasis von derzeit 126 Millionen Euro ziemlich schmal ist. Immerhin sagt sie bis 2007 Umsätze von 470 Millionen Euro voraus.


Ursachen für die Trendwende

Die britischen Marktforscher von Ovum glauben, dass bei den Unternehmen die Hemmschwelle für ASP und Outsourcing sinkt, da sie sich ohnehin verstärkt Service-basierenden Applikationen zuwenden. Zudem machten die ausgereifteren Angebote das Modell attraktiver. André Stutz, Präsident des ASP Konsortiums Schweiz, sagt: «Zurzeit stehen viele Unternehmen vor einem Plattform-Wechsel. In dieser Situation sind sie offener für neue, günstigere Lösungen. Das ASP-Modell unterscheidet sich vom normalen Outsourcing ja nicht durch irgendein Tool oder eine Plattform, sondern durch das ‹One-to-Many›-Prinzip, die Möglichkeit, dass eine Anwendung von verschiedenen Kunden genutzt werden kann.»
Davon versprach sich zu Beginn des Jahrzehnts manches Start-up-Unternehmen noch schnelle Gewinne. Die meisten sind seither wieder verschwunden. Heute ist der grösste Teil der für die HKP-Studie befragten Unternehmen länger als fünf Jahre im Markt. Für Stutz keine Überraschung: «Wer den Hype überlebt hat, ist sich bewusst, dass es mehr braucht, als einen Server aufzusetzen. Ein ASP weiss heute, dass er die Verantwortung für die Daten des Kunden trägt und auch in bezug auf Datensicherheit und Service Level Agreements seine Hausaufgaben machen muss.»


Erfolgreich bei KMU

Auch grosse Softwarehersteller wie IBM, Oracle, PeopleSoft, SAP und Siebel versuchen sich mittlerweile auf dem Gebiet. Als erfolgreich erweisen sich heute Service-Provider, die nicht nur bestehende Software verfügbar machen, sondern ihre Applikationen ganz auf das ASP-Modell ausrichten. Diese Anwendungen lassen sich schnell implementieren, mit zusätzlichen Features ausrüsten und jederzeit auf den neuesten Stand bringen. In dieser Form ist das ASP-Modell tendenziell sogar kundenfreundlicher als installierte Software. «Im Grunde gehört es zum Job eines Softwareherstellers, die Kunden nie wirklich zufrieden zu stellen. Schliesslich wollen sie ihnen alle zwei Jahre ein Upgrade verkaufen», meint Rand Schulman, Chief Marketing Officer des US-Anbieters WebSideStory, maliziös.






Da ASPs meist Verträge mit Laufzeiten von ein oder zwei Jahren anbieten, liegt die Kundenzufriedenheit für sie im ureigenen Interesse. Immer mehr ASPs scheinen das verstanden zu haben. Dabei sind laut HKP vor allem branchenspezifische Lösungen für standardisierbare Prozesse mit einem hohen IT-Anteil erfolgreich, die sich an kleine Unternehmen richten. Bei einer Unternehmensgrösse von 5 bis 200 Mitarbeitern bilden Einführung und Betrieb einer integrierten IT-Lösung eine nicht zu unterschätzende finanzielle Belastung. Die Betriebskosten können ein Vielfaches der Investitionen für Hardware und Softwarelizenzen betragen und werden oft unterschätzt. Das statistische Amt des Kantons Zürich etwa stellt fest, dass die Personalkosten oft bis zu 42 Prozent des EDV-Budgets einer Firma ausmachen. Sparmodelle allein helfen hier nicht weiter. Das ist eine Chance für Lösungen, die versprechen, den Kostendruck zu senken und die Effizienz zu steigern.


Widersprüchliches Beispiel: Treuhänder

Treuhändern, die ihren mittelständischen Kunden auch Finanzierungsmodelle unterbreiten müssen, sind solche Gedankengänge natürlich nicht fremd. Die Thematik betrifft jedoch nicht nur ihre Mandanten, sondern auch sie selber. Dennoch entwickelt sich der ASP-Markt gerade hier eher zögerlich, wie Daniel Renggli, der bei SAP für KMU zuständig ist, feststellen muss: «Viele potentielle Kunden halten sich zurück, weil sie glauben, dass ihre Daten inhouse sicherer seien als in einem Rechenzentrum, das rundum geschützt ist. Das ist paradox, aber man bringt die Vorurteile fast nicht aus den Köpfen.»






Adrian Lüthi, dessen Firma die auf SAP-Modulen basierende Treuhandlösung @ccounting anbietet, bestätigt, dass die Marktentwicklung zäher verläuft als erhofft: «Treuhänder sind eine eher konservative Branche. Zudem behagt es nicht jedem, dass ihm der Kunde durch den Online-Zugriff praktisch bei der Arbeit zuschauen und sehen kann, wie weit diese bereits gediehen ist.»
Das im Rechenzentrum der ERPsourcing gehostete @ccounting wird zurzeit von rund 15 Treuhändern und deren Kunden genutzt. Der grosse Vorteil ist, wie Lüthi ausführt, die flexible Rollenverteilung zwischen Treuhänder und Kunden. Der Kunde kann auf Wunsch Erfassungsarbeiten selber machen und der Treuhänder dank ständig aktuell vorliegender Zahlen zusätzliche Aufgaben wie Finanzberatung und Controlling übernehmen.


Abacus endlich mit ASP-Lösung

Lüthi weiss: «Treuhänder reagieren eher zögerlich auf neue Technologien. Solange sie mit einer bestehenden Lösung auskommen, sehen sie meist keinen Grund zu einem Umstieg.» Wie der Schweizer ASP-Markt für Treuhänder aber tatsächlich aussieht, scheint niemand genau zu wissen, weder der Schweizerischer Treuhänder-Verband noch das ASP-Konsortium oder die befragten Anbieter. Selbst Thomas Köberl, Marketingverantwortlicher von Abacus, sagt, er kenne keine Zahlen. Dabei will das Unternehmen Ende Jahr selber mit einer ASP-Version von Fibu Light auf den Markt kommen. Aber: «Wir suchen auch nicht primär neue Kunden, sondern wollen vor allem den bisherigen Anwendern die Vorerfassung erleichtern. Die Übergabe mittels Datenträgern ist ja nicht mehr ganz zeitgemäss.»
Die ASP-Version der Abacus-Software auf Java-Basis soll Treuhändern ermöglichen, ihren Kunden ein Gesamtangebot samt Hosting zu machen. Zudem soll sie kleineren KMU Updates und Datensicherung ersparen, womit sie sich laut Köberl besonders schwer tun.
Auch wenn die ASP-Version von Fibu Light erst in der nächsten Version über Features wie Kreditoren/Debitoren und MwSt-Abrechnung verfügt, könnte der Einstieg des Schweizer Marktführers, der nach und nach alle Abacus-Programme auf Java umstellen will, für Auftrieb sorgen.




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