Outsourcing: Aus den Augen, aus dem Sinn?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/34
Es gibt heute kaum einen grösseren Betrieb, der nicht sparen muss. Das trifft auch die Informatik eines Unternehmens. Doch mit einem radikalen Abbau der Zeitschriftenabos ist es bekanntlich nicht getan. Auch die Reduktion der Softwarelizenzen ist meist nicht möglich, weil davon der laufende Betrieb abhängt. So bleiben für Einsparungen in aller Regel drei Optionen übrig: Eigenes und externes Personal abbauen, Projekte stoppen und mehr oder weniger grosse Teile des Informatikbetriebes an einen dritten Service-Provider auslagern.
Die dritte Option, das Outsourcing, ist für die meisten Informatikverantwortlichen die attraktivste Variante. Für den nötigen Stellenabbau und andere Einsparungen sind sie nicht mehr verantwortlich; die Kostenoptimierung ist die Sache des Outsourcing-Dienstleisters. Das soll auch dann gelten, wenn die Kosten in der Wartung der wachsenden Komplexität der Systeme wegen tendenziell dauernd zunehmen. Zwar sehen Outsourcing-Verträge ein Regulativ für solche Entwicklungen vor, doch es knüpft meist nicht an die Komplexität der Umgebung, sondern an einer einfachen Bewertung neu hinzukommender und wieder wegfallender Anwendungen an.
Eine weitere Konsequenz des Outsourcings besteht darin, dass ein Unternehmen sich nur noch bedingt gegen die Durchführung gewisser IT-Projekte entscheiden kann. Zwar ist es in aller Regel so, dass die über die (meist pauschal abgegoltene) Wartungs- und Supportaufgaben hinausgehende Projektarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Outsourcing-Partner separat vereinbart werden muss. Doch häufig muss sich das Unternehmen bereits zu Beginn der Zusammenarbeit zu einer Mindestabnahme verpflichten. Das Unternehmen wird zwar normalerweise einen gewissen Spielraum in der Vergabe der Aufträge und Budgetierung der Jahresvolumen haben, doch sind rigorose Sparübungen häufig nicht mehr möglich, weil die Mindestabnahmebeträge sonst ohne Gegenleistung verfallen.
Es ist denn ein Irrglaube anzunehmen, ein Outsourcing-Dienstleister sei gefeit vor den Kostenproblemen, die seine Kunden plagen. Hat er mehrere gleichartige Kunden, kann er zwar gewisse Kosten auf diese verteilen und so Einsparungen realisieren. Auch in anderen Bereichen wie etwa bei Anschaffungen kann er Mengenvorteile erzielen. Und er mag letztlich auch besser organisiert sein als seine Kunden.
Doch auch er muss Personal beschäftigen, das er nicht ohne nachhaltigen Schaden in Sachen Know-how und Servicequalität dauernd auf die Strasse stellen kann, wenn gerade Flaute herrscht. Obwohl er mehr Manövriermasse haben mag, ist er bei grossen Kostenverursachern wie Personal über mehrere Jahre auf eine gewisse Konstanz und Minimalauslastung angewiesen, um wirtschaftlich arbeiten zu können.
Darüber wollen sich die Kunden den Kopf nicht mehr zerbrechen müssen. Sie wollen - verständlicherweise - das "Weggli und den Fünfer": Nicht nur soll Outsourcing quasi automatisch eine Kosteneinsparung von 15 bis 20 Prozent einbringen (notabene schon nachdem das Unternehmen diverse Sparrunden in der Informatik hinter sich hat). Auch soll die Qualität und Quantität der Leistung steigern und der Dienstleister soll zugleich für den Erfolg der Services die finanzielle Verantwortlichkeit übernehmen, die das Unternehmen von eigenem Personal nie fordern könnte.
Dass diese Rechnung langfristig nicht aufgehen kann, liegt auf der Hand. Derzeit besteht allerdings das Problem, dass in gewissen Marktsegmenten so viele Anbieter Outsourcing-Dienste zu verkaufen versuchen, dass manche von ihnen bereit sind, auch mit zu tiefen Preisen und unrealistischen Konditionen zu operieren, um den Zuschlag zu erwerben. Sie sind es auch, die nicht mit Nachdruck gegenüber ihren Kunden für die nötige Abgrenzung der Kompetenzen sorgen und nicht sicherstellen, dass im Bereich, in dem sie die Verantwortung tragen sollen, sie auch alleine entscheiden können.
Die Kunden werden ihre Position der Stärke auf den ersten Blick positiv beurteilen: Sie erhalten scheinbar mehr für ihr Geld. Doch weil Outsourcing-Dienstleister nicht zaubern können, sind Enttäuschungen und gescheiterte Projekte mittel- und langfristig vorprogrammiert. Ist es erst einmal so weit gekommen, können die erhofften Kosteneinsparungen rasch ins Gegenteil kehren, da sich faktische Abhängigkeiten gebildet haben. Im günstigsten Fall ringen sich die Parteien zu
einer Neuverhandlung ihrer Beziehung durch.
So gesehen relativiert sich die Wegdelegation der Verantwortlichkeit: Für die Verfügbarkeit seiner IT-Infrastruktur muss nach aussen letztlich der Kunde selbst einstehen - und für die negativen Folgen meistens auch. Das Outsourcing von IT-Leistungen oder ganzen Geschäftsprozessen mag für Unternehmen zwar durchaus Sparpotentiale eröffnen, doch es ist naiv zu glauben, dass sich dieses alleine durch einige schmerzlose Optimierungen seitens des Dienstleisters realisieren lässt und er Verluste auf Dauer nicht selbst trägt. Wer wirklich sparen muss, kommt auch beim Outsourcing um schwere Entscheide, Einschnitte und Selbstdisziplin nicht herum.