Haften für mangelhafte Software
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/28
Es kann nicht gewährleistet werden, dass Software fehlerfrei ist. Es gibt auch keine Garantie, dass sie ununterbrochen und auf jeder Plattform läuft. Solche Sätze lesen wir in fast jedem Vertrag, der vom Verkauf, der Lizenzierung oder Entwicklung von Software handelt. Die Anbieter wollen sich durch solche Klauseln davor schützen, im Falle von Fehlern für die Folgen einstehen zu müssen.
Solche und ähnliche Klauseln haben in der Praxis durchaus ihre Wirkung beim Kunden. Ausser bei kundenspezifisch entwickelter Software gehen heute die meisten Abnehmer davon aus, dass sie im Falle von Mängeln einer Software so gut wie keine Rechte haben, sofern die Anbieter sie ihnen nicht freiwillig geben.
Aus rechtlicher Sicht muss das nicht sein. Wer Software erwirbt, ob Standardsoftware oder Individualentwicklung, hat grundsätzlich Gewährleistungsansprüche. Sein Vertragspartner muss dafür einstehen, dass seine Software das kann, was er versprochen hat. Ist dies wegen eines versteckten Fehlers nicht der Fall, so kann der Kunde je nach Vertrag Nachbesserung, Preisminderung oder im Falle schwerer Mängel auch den Rücktritt vom Vertrag verlangen. Trifft den Vertragspartner ein Verschulden, so kommen unter Umständen Schadenersatzansprüche hinzu, so etwa für einen Umsatzausfall, der durch den Fehler entstanden ist.
Die Sache hat allerdings zwei Haken: Zum einen bestehen diese Ansprüche nur gegenüber dem Vertragspartner. Das ist vor allem bei Standardsoftware meist nicht der Hersteller, sondern ein Händler. Eine Schadenersatzpflicht fällt damit regelmässig weg, weil den Händler kein Verschulden trifft.
Zum anderen lassen sich die Gewährleistungsrechte der Abnehmer vertraglich sehr stark einschränken, sei es durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die zum Vertragsbestandteil erklärt werden, sei es durch individuelle Verträge. Solche Einschränkungen sind oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen.
In einer Gewährleistungsklausel kann zudem festgehalten sein, dass der Anbieter nur für jene Fehler einsteht, bei denen ein Programm die ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften in wesentlicher Weise nicht erfüllt. Sehr beliebt ist es auch, die Rechte des Kunden zu beschneiden, die er im Falle von rechtlich relevanten Mängeln hat. Ein Anbieter kann sich zum Beispiel im Falle mangelhafter Software mehrfache Nachbesserungsversuche mit langen Fristen vorbehalten; der Kunde ist in diesen Fällen gezwungen, sich dies wenigstens für eine gewisse Zeit gefallen zu lassen. Fast immer wegbedungen wird die Haftung für Folgeschäden, die massiv sein können, wenn vom richtigen Funktionieren einer Software ein Unternehmen abhängt.
Auch wenn solche Haftungsbeschränkungen nur für leichtfahrlässiges Verhalten des Anbieters möglich sind, sollte sich der Abnehmer einer Software bewusst sein, dass Prozesse um Schadenersatzforderungen teuer sind und mehrere Jahre dauern können. Das gilt umso mehr, wenn dem Anbieter ein grobfahrlässiges Verhalten nachgewiesen werden muss. In der Praxis einigen sich die Streitparteien meist aussergerichtlich.
In Vertragsverhandlungen ist die Haftungsklausel zwar immer einer der Kernpunkte. Es wird ihr aber oft zuviel Gewicht gegeben. Erstens nutzt die beste Haftungsklausel der Welt nichts, wenn der jeweilige Vertragspartner sie nicht tragen kann, sollte es tatsächlich zu einem grossen Schaden kommen. Zweitens wird die Haftungsklausel erst dann relevant, wenn etliche andere Vertragshürden genommen sind, die sehr hoch gesetzt werden und mit der Haftung auf den ersten Blick nichts zu tun haben.
Drittens sollten sich Abnehmer bewusst werden, dass eine Schadenersatzhaftung letztlich "nur" Geld einbringt. Geholfen ist einer Firma dadurch aber nicht wirklich, wenn ihr weiterer Bestand letztlich von einer funktionierenden Software abhängt.
Während die Hinterlegung von Quellcodes bei einem Dritten noch relativ weit verbreitet ist, gibt es kaum Verträge, die zum Beispiel vorsehen, dass der Kunde die für die Software wichtigen Mitarbeiter des Anbieters auch gegen dessen Willen sofort bei sich anstellen darf, sollte der Anbieter seinen Pflichten nicht mehr nachkommen. Eine andere Möglichkeit ist die Verpflichtung und das Recht des Anbieters, eine für einen Kunden entwickelte Software auch anderen zu verkaufen. Dadurch können die Fortführung und der Unterhalt der Software besser abgesichert werden.