Editorial

Endlich erlaubt: Maturafach «Informatik»


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/14

     

Wer sich in den Besonderheiten des Schweizer Bildungswesens nicht sehr gut auskennt, wird die Zeitungsnotiz vor wenigen Wochen wohl nur beiläufig zur Kenntnis genommen haben: Bundesrat und Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) haben das sogenannte Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) leicht modifiziert, dabei die Naturwissenschaften und die Maturaarbeit etwas aufgewertet und Informatik in die Liste der sogenannten «Ergänzungsfächer» aufgenommen. So weit – so gut. Aber hat das irgendwelche Bedeutung für bereits berufstätige Informatikfachleute?




Es hat. Und darum möchte ich an dieser Stelle dazu einige Erklärungen und Bemerkungen machen.
Das MAR ist das wichtigste Koordinations­instrument für die schweizerischen Mittelschulen/Gymnasien, die bekanntlich 26 kantonalen Schulgesetzen unterstehen.





Es legt grob den Fächerplan und die Bewertungskriterien für die Maturitätsprüfung fest und öffnet damit den Absolventen und Absolventinnen generell den Zugang zu den universitären Hochschulen (Uni/ETH). Das MAR löste Ende der 1990er Jahre die vorher jahrzehntelang geltende MAV (Maturitätsanerkennungsverordnung) mit ihren bekannten Maturitätstypen A, B, C, D und E ab. Im MAR gibt es diese Typen nicht mehr; alle Schülerinnen und Schüler besuchen jetzt weitgehend die gleichen Grundlagenfächer (Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte usw.), allerdings mit zwei wesentlichen Ausnahmen:




Alle müssen zusätzlich und individuell ein sogenanntes Schwerpunktfach und ein sogenanntes Ergänzungsfach wählen, wobei auch diese im Zeugnis voll als Matura­fächer mitzählen. Typische Schwerpunktfächer sind zusätzliche Sprachen oder Zusatz-Mathematik/Physik; sie lösen in einem gewissen Sinn die früheren Maturitätstypen ab. Ergänzungs­fächer sind demgegenüber umfangmässig viel kleiner und vermitteln Einblicke in besondere Interessengebiete. In die Liste der möglichen Ergänzungsfächer im MAR (von Musik bis zu Religion) ist nun neu auch Informatik aufgenommen worden.




Bis das neue Ergänzungsfach Informatik aber in Ihrer nächsten Kantonsschule X auch wirklich besucht werden kann, braucht es noch einiges. Erstens muss Ihr Kanton sein konkretes Angebot um Informatik erweitern. Zweitens braucht es geeignete Lehrkräfte, denn das neue Matura­fach darf nicht verwechselt werden mit einer «Einführung in Informatikanwendungen» (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Websurfen), wie dies heute alle Schulen kennen. Das neue Maturafach muss echte, anspruchsvolle und intellektuell anregende Informatikinhalte bieten, denn nur damit lassen sich gute Schüler (und hoffentlich vermehrt auch Schülerinnen) für die Informatik als Fachgebiet oder sogar für ein Informatikstudium begeistern. Und drittens müssen diese geeigneten Lehrkräfte an der Kantonsschule X erst gefunden, weitergebildet und allenfalls neu angestellt werden.




Und damit bin ich bei meinem Hauptanliegen. Die Schweiz braucht mehr gute Informatikerinnen und Informatiker. Helfen Sie bitte persönlich mit, dass «Ihre Kantonsschule X», in der vielleicht Ihre Kinder zur Schule gehen, möglichst bald das neue Ergänzungsfach Informatik auch wirklich anbietet. Nützen Sie dazu Ihr schulpolitisches Beziehungsnetz und Ihre persönlichen Schulkontakte. Unsere Schweiz und unser Berufsstand sind Ihnen dafür dankbar.




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