Editorial

Zurück zu alten Ingenieurs-Tugenden


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/13

     

IT-Management kann bisweilen ein brutal harter Job sein. Während in klassischen Ingenieursdisziplinen die Wissenshalbwertszeit so klein ist, dass die Spezialisten ab 40 nur mehr schwer mit den Hochschulabgängern fachlich mithalten können, ist es in der Informatik umgekehrt: Die Jungen denken zwar viel schneller, aber es fehlt ihnen an Wissen über die Frameworks und über die Anwendungsbereiche. So sind sie meist weniger produktiv als erfahrene, alte Hasen. Trotzdem ist für sie eine Ingenieursausbildung äusserst wertvoll. Sie hilft, effektiver strukturiert zu arbeiten und vor allem schneller, gründlicher und nachhaltiger zu lernen. Das macht mittelfristig einen riesigen Produktivitätsunterschied aus. Deshalb ist die viel zu geringe Zahl an Ausgebildeten ein ernstes volkswirtschaftliches Problem.



Im grossen Stil Engineering-Fachkompetenz in andere Kontinente auszulagern, ist keine praktikable Lösung – noch weniger das Auslagern des Engineering-Managements. Denn beides sind kulturelle Fähigkeiten, und ihr interkultureller Austausch bedarf eines teuren Meta-Managements. Es wäre schön, wenn man die vielen «Phil I»-Absolventen fürs interkulturelle Sourcing-Management nutzen könnte, aber leider muss man dafür die Ingenieurskulturen inhaltlich verstehen (und lieben). und man muss das Engineering-Management selber beherrschen. Das ist bei «Phil-I»-ern die Ausnahme.
Um das vorhandene Potential an Ingenieuren und die Outsourcing-Möglichkeiten besser nutzen zu können, müssen wir mehr Manager ausbilden, die die drei fundamentalen Engineering-Erfolgsprinzipien verinnerlicht haben:




- Führung durch Lernen: Die Kompetenz liegt im Kollektiv, die Führung kann aber nicht ans Kollektiv delegiert werden. Im Engineering erfolgreich führen heisst, sich im Bedarfsfall in kurzer Zeit fachliches Verständnis zu neuen Themen anzueignen, um damit fachliche Entscheidungen in vormaligem Neuland zu treffen.




- Führung durch Rechnen und Fehler-Riechen: Engineering-Manager müssen rechnen können. Wichtig ist es, dass sie jeweils selber überprüfen, ob die Grössenordnungen stimmen. Ausserdem müssen sie Fehler „riechen“ können, dürfen aber kein Mikromanagement betreiben. Insbesondere sollten sie fachlich nicht kompetenter sein wollen als ihre Mitarbeiter.



- Führung durch Kultur-Management: Manager müssen ein Engineering-Kultur-Profil oder ein Portfolio entwickeln, das den Bedürfnissen und Ressourcen ihrer Organisation entspricht. In grösseren Firmen ist dafür oft mehr als eine Kultur notwendig, was eine grosse Herausforderung darstellt.




Das Umsetzen dieser drei Prinzipien verlangt eine professionelle Ausbildung plus eine spezielle Neigung, viel Intuition und grosse Begeisterungsfähigkeit für die Sache. Punkt 2 wirkt bisweilen unsympathisch, aber im Extremfall kann er über Leben und Tod entscheiden. Oft entscheidet er auch über den Erfolg von Geschäftsinnovationen.
In der IT müssen Manager aber zusätzlich noch eine echte Kunst beherrschen – die Kunst, mit einer Mehrzahl von Nicht-Ingenieuren erfolgreich Software zu entwickeln. Darum ist es so brutal hart, vom Ingenieur zum Engineering-Manager zu werden.




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