Luzern: Hotspot in Strassenlampen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/13
TPN ist zusammen mit EWL (Energie Wasser Luzern) Betreiberin und Miteigentümerin des Public-WLAN-Netzes in Luzern. Ausserdem hat die Firma das Netz mit Partnern wie Colubris, der Firma, welche die WLAN-Komponenten geliefert hat, aufgebaut. Das Luzerner Netz ist das erste dieser Art in der Schweiz und erlaubt es, in der Innenstadt gratis im WLAN-Netz zu surfen. TPN-Geschäftsführer Joerg Furrer erklärt im Gespräch, wie es zu dem Projekt kam, wo die Schwierigkeiten lagen und wie es mit Public WLAN in der Schweiz weitergeht.
InfoWeek: Herr Furrer, wie kam es dazu, das Luzern zu einem Public-WLAN-Netz kam?
Joerg Furrer: Das geht zurück ins Jahr 2004, als wir Hans-Peter Aebi – vormals Diax-CEO und ehemaliger Verwaltungsrat von EWL – kontaktierten, um ihm unsere Vision einer Carrier-neutralen Plattform vorzustellen. Wir hatten sehr schnell das gemeinsame Verständnis, dass die Zukunft WLAN gehört und dass es keinen Sinn macht, wenn jeder Anbieter, Swisscom, Sunrise, Orange und so weiter, eine eigene Plattform baut. Sinnvoller ist es, eine neutrale Plattform aufzustellen, die für alle Anbieter offen ist. Aebi mit seinem Telekom-Background hat sehr schnell verstanden, dass es gerade für kleinere Anbieter wie Sunrise und Orange schwierig wird, die Infrastrukturkosten für eine 100prozentige Abdeckung zu tragen, und dass eine Shared-Plattform Sinn macht. So konnten wir unser Projekt EWL vorstellen, wo unsere Gedanken aufgenommen wurden.
Ist es richtig, dass das Netz nur während der ersten Monate nach der Einführung gratis ist?
Ursprünglich haben wir kommuniziert, dass das Netz bis Ende August kostenlos verfügbar sein wird. Es gibt aber auch danach ein Basisangebot, das kostenlos ist, und es wird einen kostenpflichtigen Teil geben. Details dazu werden im Moment ausgearbeitet.
Sie können mir also noch nicht sagen, wie das Basisangebot in etwa aussehen wird?
Das Basisangebot wird wohl so gestaltet, dass der User ad hoc kurz surfen, seine E-Mails abrufen oder vielleicht einen Skype-Call machen kann. Es soll aber nicht so weit gehen, dass die Benutzer ihr Fixnet zu Hause nicht mehr brauchen. Diejenigen, die viel Traffic generieren, sollen dafür auch bezahlen.
Nichtsdestotrotz bieten Sie auch künftig Gratisinternet an. Woher stammen die Einnahmen?
Die Frage könnte auch lauten: Wie finanziert sich Google oder wie finanziert sich 20 Minuten? Wie finanzieren sich die meisten Internet-Services?
Über Werbung also...
Ja. Es ist immer dasselbe, es geht darum, Traffic zu generieren und die Werbung über diesen Traffic abzurechnen.
In diesem konkreten Fall: Wie wird Werbung geschaltet, wann sehe ich als Anwender Werbung?
Es gibt zwei Formen. Zum einen sieht der User beim Verbindungsaufbau während 7 Sekunden eine Einblendung des Hauptsponsors. Zum anderen zeigt das System beim Nutzen des Service lokal verfügbare Angebote, sogenannte Local Based Services. Das sind Angebote im Umkreis von 100 Metern um seinen Standort.
Wie gross ist das Interesse von Firmen in Luzern, solche Werbung zu schalten?
Das Interesse wird zunehmend grösser. Wir sind mit der Wirtschaftsförderung in Kontakt und haben gute Resonanz auf unsere Initiativen erhalten, um Werbepartner zu akquirieren.
Kann man bereits eine erste Bilanz ziehen, wie rege das Netz selbst genutzt wird?
Die Nutzung ist überaus positiv – liegt weit über dem, was wir zu diesem Zeitpunkt erwartet haben. Zum Nutzerverhalten kann man sagen, dass eine durchschnittliche Session relativ kurz und der Datenverkehr pro Session ziemlich hoch ist. Weiter kann man sagen, dass der Anteil internationaler Kunden erstaunlich hoch ist, höher als erwartet. Überrascht wurden wir auch vom hohen Anteil an WLAN-fähigen Mobiltelefonen, also von Dual-Mode-Handsets. Dies hätten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet. Und abschliessend: Die Wachstumsraten sind beeindruckend, die Nutzung wächst um 50 Prozent pro Monat.
Die Gratisnutzung ist auf 90 Minuten pro Tag beschränkt. Aus welchem Grund ist dies nötig?
Mit dieser Einschränkung wollen wir den Missbrauch des Netzes, etwa fürs File-Sharing, verhindern. Deshalb haben wir ein Session-Timeout eingebaut.
Können Sie mir sagen, welche Bandbreiten dem User zur Verfügung stehen?
Das ist schwierig, da Funk ein schwankendes Medium ist. Brutto stehen dem User 5 Mbps Up- und Downstream zur Verfügung. In der Realität, abgebremst durch Firewall, Proxy und so weiter, bekommt der User zwischen 300 kbps und 2 Mbps bidirektional.
Inwieweit gräbt TPN kommerziellen Anbietern wie der Swisscom das Wasser ab mit Gratisinternet?
Überhaupt nicht. Wir würden eigentlich das Gegenteil willkommen heissen – sprich, wenn die Swisscom sich engagieren würde. Wir sehen Endkundenangebote nicht als unsere Rolle. Unsere Rolle ist es, das Netz Betreibern wie der Swisscom und Co. zur Verfügung zu stellen. Im Moment ist es aber so, dass diese Anbieter ihre Strategien überarbeiten. Und sie behaupten, ihr HSDPA-Netz würde den Anforderungen besser entsprechen. Deshalb haben wir uns gesagt, «OK, wenn ihr nicht wollt, machen wir das halt alleine». Aber die Türe steht jederzeit offen. Wenn die Carrier kommen, sind wir mehr als bereit, ihnen das Netz zur Verfügung zu stellen.
Ich stelle mir aber vor, dass gerade eine Swisscom auch eigene Hotspots besitzt in Bereichen der Stadt, die Ihr mit Eurem Netz abdeckt. Weshalb soll der Anwender dann noch auf das Swisscom-Netz gehen und bezahlen, wenn er dasselbe bei Euch gratis kriegt?
Nun, wir sind eine Outdoor-Versorgung, Hotspots einer
Swisscom hingegen sind eher für
die Indoor-Versorgung, etwa
in Hotels. Wenn jemand also im Hotelzimmer surfen will, wird er das Swisscom-Netz nutzen und bezahlen müssen.
Ist das Swisscom-Netz performanter als Eures?
Nein.
Thema Security: Wie wird die Sicherheit der User gewährleistet?
Wie bei jedem Internet-Access ist Security eigentlich Sache des Kunden, Sache des Clients. Kein Netzwerk-Access, vor allem kein öffentlicher, kann hier Sicherheit versprechen. Die Verantwortung ist klar definiert, der Endkunde ist für die Sicherheit verantwortlich.
Ein anderes Thema: Wo lagen die Schwierigkeiten beim eigentlichen Aufbau des WLAN-Netzes?
Schwierigkeiten als solche hat es im Prinzip keine gegeben, höchstens Herausforderungen. Eine Herausforderung beim Aufbau eines solchen Netzes ist etwa die Tatsache, dass man relativ viele Standorte braucht und ein dichtes Netz mit einem Access Point zirka alle 100 Meter erstellen muss. Optisch dürfen die Access Points nicht auffallen, sie müssen integriert, aber trotzdem sichtbar sein. So gesehen lag die grösste Herausforderung darin, die Standorte zu evaluieren, die Kästchen dort anzubringen und diese dann sauber zu vernetzen.
Wie haben Sie die Access Points denn konkret angebracht?
Wir haben beispielsweise Strassenlampen ausgehöhlt, darin das Equipment angebracht und sie dann zu den anderen Strassenlampen an die Spannseile gehängt. Auch in Strassenlaternen, Verkehrsmasten, Parkleitsystemen, Leuchtreklamen oder Verkehrsschildern haben wir Hotspots untergebracht.
Wie steht es mit den Bewilligungen? Man kann ja kaum in der Stadt herumspazieren und ein paar Hotspots an die Laternenmasten hängen, oder?
Nein, natürlich nicht. Man braucht eine Standortgenehmigung, welche die Stadt vergibt. Die Stadt Luzern hat sich hier sehr kooperativ gezeigt.
War die Stadt besonders kooperativ, weil ihr ein Public WLAN und zudem quasi ein Pilot-Projekt in der Schweiz bauen wolltet? Oder könnte auch ein kommerzieller Anbieter die Infrastruktur einer Stadt für den Netzbau nutzen?
Im Prinzip steht diese Möglichkeit jedem offen. Entsprechende Begehren würden auch bewilligt. Die Stadt hat aber ein Interesse daran, den Wildwuchs von Antennen zu vermeiden. Deshalb war das Luzerner Interesse an einem Netz, das allen offen steht, gross. Wenn jemand die öffentliche Infrastruktur für sein Netz nutzen will, muss er gegenüber der Stadt, der Politik sicherstellen, dass das Netz jedem Anbieter offen steht und dass kein zweiter Anbieter eine parallele Infrastruktur aufbauen muss.
Sie haben zuvor erwähnt, etwa alle 100 Meter einen Access Point aufgestellt zu haben. Wie viele sind es insgesamt in Luzern?
Anfang Mai waren es etwa 65. Der erste Meilenstein sieht rund 80 Access Points in der Innenstadt vor. Danach wird das ganze Projekt auf seine kommerzielle Wirtschaftlichkeit hin überprüft. Wenn diese gegeben ist, soll das Netz weiter ausgebaut werden. Der Plan sieht vor, später die ganze Stadt Luzern abgedeckt zu haben.
Entscheidet sich der wirtschaftliche Erfolg dadurch, wie Euer kommerzielles Angebot von den Kunden aufgenommen wird?
Nicht nur. Es kann auch sein, dass eine Drittpartei ein übergeordnetes Interesse bekundet (z.B. die Stadt, ein privates Unternehmen, der Tourismus oder die Wirtschaftsförderung) und entscheidet, Public WLAN sei für sie ein wichtiger Service, unabhängig davon, wie der Dienst kommerziell genutzt wird. Also sind sie eventuell bereit, das kommerzielle Risiko ganz oder teilweise zu übernehmen.
Nur über Werbung ist der ganze Spass nicht finanzierbar?
Auch das wäre möglich. Doch dazu muss sich der Markt noch etwas entwickeln.
Sind Sie bereits daran, für andere Städte ähnliche Netze zu planen oder gar zu implementieren? Und ist das Modell Luzern auch auf andere Ortschaften anwendbar?
Mit Luzern haben wir einen grossen Wettbewerbesvorteil erzielt. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, sind sehr viel wert. Andere Städte haben sich das Modell Luzern angeschaut und sind auch bereit, diesen Weg zu gehen. Konkret haben wir bereits ein Projekt in Biel realisiert – darüber konnte man auch lesen. Daneben gibt es eine Reihe von mittelgrossen Städten im Mittelland, in der Süd- und in der Westschweiz, in denen Projekte am laufen sind, die aber noch nicht kommuniziert werden können. Man kann davon ausgehen, dass im nächsten Jahr einige Projekte folgen werden.
Können Sie mir schon einige Ortschaften nennen?
Leider ist es dazu noch zu früh.
Aber die geplanten Netze werden nach demselben Prinzip funktionieren – mit einem Gratisteil über Werbung finanziert?
Ja, denn das Modell funktioniert. Heute haben wir Luzern als grossen Hotspot in der Schweiz, wir rechnen damit, dass im nächsten Jahr eine stolze Anzahl weiterer Städte mit Public WLAN hinzukommen, der Benutzer kann sich also freuen. Insbesondere kleine Städte sind sich bewusst, dass sie sich mit einem solchen Netz einen Wettbewerbsvorteil schaffen können.
Das Interview mit Joerg Furrer führte Marcel Wüthrich.