IT-Berater der nächsten Generation

IT-Berater darf sich fast jeder nennen. Der Job allerdings stellt ausserordentlich hohe Anforderungen - entsprechend werden von einem guten IT-Berater zahlreiche Fähigkeiten und Qualifikationen erwartet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/10

     

Der IT-Beratermarkt boomt wieder nach einigen Jahren der Flaute und bietet (nicht nur) Hochschulabsolventen gute Karrierechancen. Doch was macht einen IT-Berater eigentlich aus? Schliesslich ist diese Berufsbezeichnung nicht geschützt. Schaut man in entsprechende Stellenanzeigen, so versammeln sich unter dem Begriff IT-Berater die verschiedensten fachlichen und sozialen Qualifikationen. Zu viele für einen einzelnen Bewerber? Der IT-Berater als Allroundtalent?



Unternehmen verlangen heute nach einem IT-Berater der nächsten Generation, der allen Anforderungen in der dynamischen IT-Welt gerecht wird. Welche Schlüsselqualifikationen muss ein Berater also mitbringen und welche Fähigkeiten und Kenntnisse werden erwartet, um in der IT-Beratung erfolgreich zu sein?
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren signifikant verändert. Immer neue Kommunikationswege, wie E-Mail, Instant Messenger oder Webkonferenzen, erhöhen Erreichbarkeit und Arbeits­tempo, ermöglichen eine virtuelle Projektkultur – und erfordern eine besonders hohe Aufmerksamkeit, um alle Informationen aus den diversen Kanälen auch wirklich zu erfassen und zu strukturieren.


Multitasking-Fähigkeiten für eine Arbeitswelt im Wandel

Für einen Berater kommt hinzu, dass er nicht im Büro seines Arbeitgebers im Einsatz ist, sondern in der Regel beim Kunden vor Ort. Dort herrschen möglicherweise andere organisatorische und technische Bedingungen als vom eigenen Unternehmen gewohnt, was rasches Umdenken erfordert. Ein Berater muss also flexibel auf unterschiedliche Arbeitsumgebungen und Anforderungen eingehen und sich sowohl technisch als auch in der Zusammenarbeit mit dem Kunden entsprechend organisieren können.


Was bedeutet das im einzelnen? Viele IT-Berater arbeiten zum Teil zeitgleich in mehreren Projekten. Um beim jeweiligen Kunden vorbereitet und professionell aufzutreten, muss der Berater stets auf dem laufenden sein, also die umfangreichen Projektdokumente, Spezifikationen, Qualitätsmanagementpläne, Protokolle etc. in einem strukturierten Ablagesystem verfügbar halten und gleichzeitig sicherstellen, dass auch alle anderen Projektbeteiligten Zugang zu den erforderlichen Dokumenten haben. Erfahrung im Umgang mit modernen Projektmanagement-Tools und Content-Management-Systemen zur Unterstützung der internen Prozesse ist heutzutage daher eine Grundanforderung an einen IT-Berater – neben seinen technischen Spezialgebieten.



Doch fachliche Spitzenleistungen und Technologiekenntnisse auf höchstem Niveau machen noch lange keinen IT-Berater aus. Vielmehr achten Beratungshäuser heute verstärkt auf kommunikative und soziale Fähigkeiten. Volle Aufmerksamkeit gegenüber dem Kunden und eine sensible Hart­näckigkeit, um die Anforderungen in der Analysephase auch bis ins letzte Detail aufnehmen und dokumentieren zu können, gehören ebenso dazu wie die Eigenschaft, negative Haltungen erkennen und umwandeln zu können sowie Nicht-Gesagtes zu «hören» und zu hinterfragen.


Managementwechsel, Firmen­übernahmen, Umstrukturierungen und Schwankungen in der Konjunktur: die Gründe für eine Projektverzögerung sind vielfältig. Deshalb erfordert der ganz normale Projektalltag Geduld, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz, um bei der täglichen Arbeit nicht nachlässig zu werden und schon gar nicht den Eindruck der Resignation zu erwecken. Möglicherweise wird das Projekt auch gestoppt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgesetzt, nun mit einem anderen Projektleiter und anderen Teamkollegen. Auch darauf muss sich der IT-Berater einstellen können, um die Projektarbeit nahtlos fortzusetzen und erfolgreich abzuschliessen.


Bekanntermassen entwickelt sich auch die Technologie rasant weiter, entstehen neue Architekturmodelle und Ansätze, wie beispielsweise SOA oder Software as a Service. Deshalb kann es ein IT-Berater nur mit kontinuierlicher Lernbereitschaft und stetiger Weiterbildung schaffen, technisch auf dem laufenden zu bleiben und über die aktuellen IT-Trends informiert zu sein. Leidenschaft für Technologie ist daher ein weiterer wesentlicher Aspekt, um als IT-Berater zu überzeugen. Neben der Technologie verändern sich in der heutigen Businesswelt allerdings auch immer wieder die Geschäftsabläufe. Hierbei helfen betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Prozessdenken, um den Zusammenhang zwischen Geschäftsprozessen und Informations- und Kommunikationstechniken zu erkennen und die technische Lösung entsprechend zu entwerfen und zielgerecht umzusetzen.


Für die technische Implementierung komplexer Architekturen mit ihren diversen Schnittstellen werden von einem IT-Berater neben Praxiserfahrung in der Softwareentwicklung auch Umsetzungskompetenz und Pragmatismus verlangt. Ein IT-Berater muss nicht nur wissen, wie etwas zu machen ist – er muss es auch selbst machen können! Schliesslich soll beim Auftraggeber nicht der Eindruck entstehen, der Berater sei ein teuer bezahlter Beobachter, der nur Lösungsvorschläge macht und Anweisungen gibt, ohne selbst mit anzupacken.


Auch wenn es einem Berufseinsteiger auf seinem ersten Kundenprojekt vielleicht noch nicht transparent wird: Jeder IT-Berater trägt im Projekt ein hohes Mass an Verantwortung. Denn Projekterfolge resultieren immer aus der Zusammenarbeit im Team, innerhalb dessen jedes Projektmitglied seine Aufgabe zu erfüllen hat. Nur die regelmässige Abstimmung mit den Kollegen macht es möglich, rechtzeitig auf sich ändernde Rahmenbedingungen eingehen und an den verschiedensten Meilensteinen gegensteuern zu können. Teamfähigkeit und die Bereitschaft, vom ersten Tag an Verantwortung zu übernehmen, gehören deshalb zwingend zu den Erfolgsfaktoren eines Beraters.


IT-Beratung: Ein Job ohne starres Korsett

Welche Ausbildung qualifiziert einen Bewerber zum IT-Berater? Beste Chancen haben Absolventen der Studiengänge Wirtschaftsinformatik, Informatik oder anderer Ingenieurwissenschaften. Aber auch eine mit gutem Ergebnis abgeschlossene Ausbildung zum Fachinformatiker oder EDV-Fachwirt bildet eine gute Basis für den Jobeinstieg.


IT-Beratung ist kein Job mit starrem Korsett. Agilität, Multitaskingfähigkeit und Reisebereitschaft sind weitere Erfolgskriterien: Wer erwartet, jeden Abend zur selben Zeit zuhause zu sein oder regel­mässige Termine in einem lokalen Verein wahrnehmen zu können, ist in der Beratung falsch aufgehoben! Neben einem attraktiven Gehalt bietet die IT-Beratung vor allem eine abwechslungsreiche Tätigkeit und die Chance, dabei viele Unternehmen und Branchen kennenzulernen und ein grosses Netzwerk an Kontakten aufzubauen. Der Preis dafür ist eine gewisse Einschränkung der Freizeitgewohnheiten, weshalb vor dem Einstieg in die Beratung auch Familie und Freunde in die berufliche Entscheidung einbezogen werden sollten. Umfangreiche Work-Life-Balance-Modelle der Beratungsunternehmen zeigen zwar, dass Beratung und Familie sich durchaus vereinbaren lassen – es ist jedoch erforderlich, dass die Familie Verständnis zeigt und mit der Reisetätigkeit zurechtkommt.


Vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten

Grosse Beratungshäuser bieten oft den Vorteil eines strukturierten Karrieremodells mit klar definierten Trainingsplänen und regelmässigen, leistungsabhängigen Beförderungsschritten. Der Einstieg in die Beraterkarriere kann verschieden sein: Absolventen beginnen zunächst meist als Trainee. Diese Phase der strukturierten Einarbeitung bereitet einen Berater optimal auf die Anforderungen im Projektalltag vor – vorausgesetzt, das Trainee-Programm unterliegt einem klaren Ausbildungsplan, der die wichtigsten Aspekte beinhaltet und von einem erfahrenen Kollegen oder Coach begleitet wird. Für Hochschulabgänger, die während des Studiums schon ein Praktikum oder ihre Diplomarbeit in einem Beratungsunternehmen gemacht haben, ist der Direkteinstieg zu empfehlen.


Einsteiger werden zunächst auf diversen Projekten eingesetzt, um unterschiedliche Branchen und Technologie-Umgebungen kennenzulernen. Eine tiefere Spezialisierung erfolgt dann meist nach zwei bis drei Jahren. Begleitet werden die jungen Berater während dieser Zeit durch einen sogenannten Mentor, der gemeinsam mit dem Mitarbeiter die Zielrichtung festlegt und einen entsprechenden Trainingsplan aufsetzt.



Viele IT-Berater entwickeln sich mit den Jahren zum Projekt-Manager, der neben der technischen Verantwortung auch das Qualitätsmanagement überwacht und die Projektkoordination übernimmt. Bei grösseren Beratungsunternehmen gibt es zudem den Programm-Manager, der ein ganzes Portfolio an Kundenprojekten oder aber ein Grossprojekt mit einzelnen Teilprojekten verantwortet. Der Programm-Manager besitzt zwar ein solides technisches Know-how und langjährige Erfahrung in der Umsetzung technischer Projekte, er ist in der Regel jedoch nicht mehr an der Entwicklung und Implementierung direkt beteiligt.


Neben der Weiterentwicklung zum Projekt-Manager gibt es zudem die Möglichkeit, die Fachlaufbahn einzuschlagen und als technischer Experte und Architekt für Speziallösungen in Kundenprojekten zum Einsatz zu kommen. Mit steigender Erfahrung werden IT-Berater häufig auch verstärkt in Pre-Sales-Aktivitäten eingebunden und bekommen als Teamleader Personalverantwortung für ein Team von Spezialisten und Einsteigern übertragen.
In international tätigen Beratungsunternehmen besteht für Mitarbeiter oft die Chance, entweder an internationalen Projekten tätig zu werden oder in eine andere Niederlassung zu wechseln. Kenntnisse in der Landessprache, vor allem aber sichere Englischkenntnisse, sind in diesen Unternehmen Bedingung.


Einige IT-Berater nutzen nach einigen Jahren in der Festanstellung ihre Kontakte und ihr Know-how, um sich entweder als Freelancer oder mit einem eigenen Unternehmen selbständig zu machen. Dieser Karrierepfad ist jedoch nur denjenigen zu empfehlen, die neben der technisch- fachlichen Expertise auch die Fähigkeit zur Projekt- und Kundenakquise besitzen.


Fazit

Der Job als IT-Berater bietet einerseits Abwechslung durch immer wieder wechselnde Anforderungen bei Kundenprojekten, verlangt andererseits aber genau aus diesem Grund auch eine Vielzahl von Qualifikationen und Fähigkeiten sowie ein erhöhtes Mass an persönlichem Einsatz und Flexibilität. Wer sich als Berater bewirbt, sollte daher die Frage: «Warum wollen Sie IT-Berater werden?» eindeutig beantworten können. Eine sichere Antwort wird mit hervorragenden Karrierechancen belohnt.


Die Autorin

Yasmine Limberger von Avanade
hat langjährige Erfahrungen in der Personalauswahl von IT-Fach-
kräften. Sie erreichen sie unter yasminel@avanade.com.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Zwerge traf Schneewittchen im Wald?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER