Editorial

Silverlight = ActiveX 2.0?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/10

     

Auf diesen Satz hatte man lange warten müssen. «We bring .Net to the Web», verkündete Bill-Gates-Nachfolger Ray Ozzie auf der Mix-07-Konferenz, die Ende April in Las Vegas stattfand und auf der Microsoft ein wahres Ankündigungsfeuerwerk an neuen Technologien abfeuerte.


Grund für die euphorische Aussage war die Ankündigung von Silverlight (bisher WPF/E). Silverlight ist eine schlanke .Net-Runtime, die über eine Untermenge des grossen WPF-Klassensets verfügt, die komplett im Browser läuft und die sich ein Anwender als Runtime daher einmalig herunterladen muss. Silverlight ist von Anfang an «cross platform, cross browser», was bei Microsoft aber nicht dasselbe bedeutet wie anderswo. Im Moment werden lediglich Vista und XP und dort neben dem IE auch der Firefox-Browser unterstützt. Auf dem Apple Macintosh, und das ist eine kleine Sensation, läuft Silverlight im Safari-Browser. Ausserdem soll es Silverlight für mobile Geräte geben. Von Linux ist keine Rede, was aber weniger technische, sondern eher strategische Gründe haben dürfte. Programmiert wird Silverlight ab Version 1.1 mit einer beliebigen .Net-Sprache. Neben C# und VB können das künftig auch die «coolen» dynamischen Sprachen wie Ruby und Python sein.




Das alles hört sich vielversprechend an, doch viele werden sich fragen, ob Microsoft aus den Fehlern, die vor ziemlich genau 10 Jahren mit der überstürzten Einführung von ActiveX gemacht wurden, gelernt hat. Tatsächlich gibt es gewisse Parallelen. Damals realisierte Microsoft schlagartig, dass es «Web 1.0» komplett verschlafen hatte, und beeilte sich, etwas nachzureichen, das im Kern aus einer bereits damals veralteten Technologie bestand, die lediglich mit einem neuen Label versehen wurde. Die Folgen sind bekannt.


Microsoft hat Web 2.0 sicher nicht verschlafen, aber wieder einmal ein wenig spät reagiert. Und Silverlight basiert auf der WPF, die zwar von Anfang an medienübergreifend angelegt wurde, aber doch eine primäre Desktop-Technologie darstellt, die in Silverlight zwangsläufig ein wenig zurechtgestutzt wurde. Dennoch, und das ist ganz wichtig, Silverlight ist definitiv kein «ActiveX 2.0». Bei drei entscheidenden Punkten wurden offenbar keine Kompromisse eingegangen – Grösse, Geschwindigkeit und Sicherheit. Die Runtime, die einmalig installiert werden muss, ist lediglich 4 MByte gross.


Die Silverlight-CLR entspricht exakt der
.Net-2.0-CLR, was unter anderem den enormen Performance-Vorteil gegenüber purem Java­Script erklärt. Silverlight-Anwendungen laufen in einer Sicherheitssandbox und können beispielsweise nicht auf das lokale Dateisystem zugreifen. Auch der Name kann sich sehen lassen. Silverlight wirkt sympathisch, modern und ohne übertriebene Effekthascherei (eine Anspielung auf Flash wird von Microsoft bestritten). Ein Schwachpunkt sind die noch fehlenden Tools, die in Form von Visual Studio «Orcas» und Expression Blend 2 erst gegen Jahresende auf den Markt kommen sollen.
Sieht man von den üblichen Unbekannten in der Erfolgsformel ab, sieht es fast so aus, als hätte man dieses Mal (fast) alles richtig gemacht. Auch wenn das Label «Flash-Killer» vollkommener Blödsinn ist — kein Flash-Anwender wird sich so schnell von seinem Werkzeug wegbringen lassen —, hat man bei Adobe zum ersten Mal so richtig Grund, ein kleines bisschen nervös zu werden.




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