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Ohren auf und zugehört

Podcasting kann Firmen sowohl intern als auch extern als sinnvoller Kommunikationskanal dienen – in unterschiedlichen Einsatzfeldern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/09

     

Als Adam Curry im August 2004 eine Software programmierte, die es Nutzern ermöglichte, Audiodateien aus dem Internet automatisch und regelmässig herunterzuladen und diese anschliessend auf einen MP3-Player zu übertragen, war ihm vermutlich nicht bewusst, welch gewaltige Welle er damit auslöste. Mittlerweile ist das sogenannte Podcasting, im Jahr 2005 bereits das Wort des Jahres des New Oxford American Dictionary, in aller Munde – oder besser gesagt in aller Ohren. Schliesslich handelt es sich bei Podcasts um Mediendateien (vorwiegend Audio, zunehmend aber auch Video), die über das Internet zum Download angeboten werden. Ein Podcast setzt sich dabei aus einer Reihe von Dateien zusammen, die über einen bestimmten Zeitraum als einzelne Episoden über einen RSS-Feed bezogen werden können. Somit werden hier einfach zwei bereits länger existierende Technologien, nämlich der Download von Me­diendateien und RSS-Feeds, miteinander kombiniert.
Nachdem sich zunächst überwiegend private Nutzer über diesen Kommunikationskanal mehr oder weniger Gehör verschafft haben, begannen auch einige mutige Unternehmen mit diesem neuen Medium zu experimentieren. Die weitaus grössere Zahl an Unternehmen ist zwar interessiert, hält sich aber aus Unsicherheit zurück. Einerseits sind es die Fragen nach dem konkreten Einsatzzweck, die viele zögern lassen. Andere beschäftigen technische Fragen und Probleme sowie deren Lösbarkeit. Über allem steht natürlich die Frage nach dem konkreten Nutzen eines Einsatzes von Podcasting. Diese kann immer nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Einsatzgebiet beantwortet werden.


Einsatzmöglichkeiten in Unternehmen

Podcasting lässt sich sowohl für interne als auch externe Zwecke einsetzen. So nutzt beispielsweise der Münchner IT-Service-Dienstleister Beck et al. Services Podcasts, um Meetings mit Projektteams besser vorzubereiten. Dabei wird eine Audiodatei produziert, welche die Teilnehmer auf die beim Meeting zu besprechenden Sachen einstimmt. Dies führt zu einer wesentlich höheren Effizienz sowohl bei den Meetings selbst als auch bei der Nachbereitung der Ergebnisse, wie Andreas Weinbrecht sagt. Zwar steht den kürzeren Zeiten für die Meetings und die Nachbereitung ein höherer Aufwand in Form der Produktionszeit für die Podcasts gegenüber, doch nimmt diese Produktionszeit im Laufe der Zeit durch entsprechende Routine deutlich ab. Der Einsatz solch vorbereitender Podcasts ist weiterhin auch für Präsenztrainings vorstellbar, zu denen die Teilnehmer dann schon gut vorbereitet und eingestimmt erscheinen. Bessere Lernerfolge sind das Ergebnis.


Ein weiteres internes Szenario für den Einsatz von Podcasting ist das Training von Aussendienstmitarbeitern. Diese verbringen viel, wenn nicht den Grossteil ihrer Zeit mit Fahrten von einem Kunden zum nächsten oder auch mit Warten. Solche bislang unproduktive Zeit kann durch Podcasts beispielsweise zu neuen Entwicklungen im Umfeld der vertriebenen oder gewarteten Produkte und Services sinnvoll gefüllt werden.
Auch als einfacher interner Kommunikationskanal im gesamten Unternehmen oder grösseren, räumlich verteilt agierenden Projektteams sind Podcasts vorstellbar. So lassen sich wöchentliche Episoden mit den wichtigsten Informationen für die Mitarbeiter schnell und einfach verbreiten.



Neuerdings werden Podcasts auch zum Wissenstransfer in Form von Erfahrungslernen eingesetzt. Dabei wird das sogenannte Storytelling, eine Methode, mit der explizites, vor allem aber auch implizites Wissen weitergegeben werden kann, auf das Medium Podcast transferiert. Besonders gut oder auch sehr schlecht gelaufene Projekte werden analysiert, die Projektbeteiligten interviewt und alles anschliessend von einer speziell geschulten Person in eine Geschichte «gegossen». Diese Geschichte wird anschliessend in einzelne Episoden zerlegt und als Podcast an alle Mitarbeiter verbreitet, die in ähnlichen Projekten arbeiten. Der Vorteil des «Storycasting» gegenüber einer klassischen schriftlichen Niederlegung der Geschichte im Storytelling ist eindeutig, dass die Protagonisten selbst zu Wort kommen. Das macht die Geschichte greifbarer und lässt den Hörer quasi an ihr teilnehmen. Das so Gehörte verankert sich besser als Erfahrungshintergrund, als wenn nur nackte Fakten benannt werden. Zudem wird der Hörer in die Lage versetzt, in Erfahrungsaustausch mit den Protagonisten der Geschichte zu treten, da ihm diese bekannt werden.


Extern lassen sich Podcasts als zusätzlicher Kommunikationskanal im Marketing einsetzen. Dieser innovative Weg zum Kunden kann beispielsweise genutzt werden, um Nachrichten rund um den Markt, in dem das Unternehmen aktiv ist, sowie dessen Produkte bereitzustellen. Geschicktes Product Placement trägt dazu bei, Werbebotschaften zu transportieren, ohne aufdringlich zu sein. Ein Beispiel dafür ist der IBM-Podcast (http://www.ibm.com/de/podcast/), in welchem sowohl konkrete Produktinformationen als auch Informationen aus dem Markt (z.B. RFID als Schwerpunktthema der Cebit) bereitgestellt werden.


Unterschiedliche Qualitätsanforderungen

Je nach Einsatzzweck muss ein Podcast unterschiedlichen Qualitätsanforderungen entsprechen. Die einzelnen Qualitätsstufen bedingen natürlich wiederum verschiedenen Aufwand bei der Erstellung. Die unten abgebildete Matrix gibt einen Überblick über die Qualitätsanforderungen der weiter oben beschriebenen Einsatzszenarien.


Die Erstellung von Podcasts erfordert zunächst gewisse vorbereitende Tätigkeiten. Grundsätzlich berücksichtigen sollte man, dass für Podcasts mit durchschnittlichen oder hohen Qualitätsanforderungen eine Art «Drehbuch» existieren sollte, in welchem der geplante Inhalt niedergelegt wird. Dieses Drehbuch ist dann, je nach Anwendungszweck, mehr oder weniger umfangreich. So muss ein Storycasting sorgfältiger vorbereitet werden – die Anzahl der Episoden und deren jeweilige Inhalte müssen schon vor der Produktion und Verbreitung des ersten Teiles feststehen. Hingegen bedingen interne Audionachrichten in der Mitarbeiterkommunikation lediglich eine Liste mit den jeweilig zu verbreitenden Nachrichten. Allein der Vorbereitungsaufwand ist also wesentlich geringer.


Die Werkbank des Podcasting

Für die Erstellung selbst sind verschiedene Hard- und Software sowie das Know-how im Umgang damit notwendig. Zwar bieten mittlerweile diverse Internetdienste (z.B. www.cellcast.de oder www.hipcast.com) die Aufnahme von Podcasts direkt am PC oder auch über Telefon an. Die Tonqualität dieser Aufnahmen ist jedoch in der Regel sehr beschränkt, somit sind diese Dienste höchstens für Podcasts mit geringen Qualitätsanforderungen geeignet. Der Vorteil ist natürlich der sehr geringe Produktionsaufwand. Ein Anruf genügt bereits, anschliessend muss nur noch der Link verschickt werden. Per MMS können sogar auch Handy-Videos schnell publiziert werden.
Durchschnittliche und höhere Qualitätsanforderungen lassen sich jedoch nur mit eigenem Aufnahme-Equipment erreichen. Der Kasten «Die Podcast-Werkbank» auf der vorhergehenden Seite zeigt beispielhaft eine solide Infrastruktur für die Podcast-Produktion und die dafür notwendigen Investitionen.
Die Ergebnisse, welche sich mit solchem Equipment erzielen lassen, sind beachtlich und reichen in ihrer Tonqualität an professionelle Radioreportagen heran. Bei geringeren Ansprüchen kann auch auf ein externes Mikrofon sowie einen Mikrofonverstärker verzichtet werden.






Einsatzgebiete für Podcasts


Vom Produzenten zum Konsumenten

Die so produzierten Inhalte sollen schliesslich beim Konsumenten landen. Dafür gibt es einerseits die Möglichkeit, einfach einen Link auf die auf einem Server hinterlegte Datei per E-Mail zu versenden. Jedoch ist diese Variante recht aufwendig, da bei jeder neuen Episode allen Nutzern ein Link zugeschickt werden muss. Die effizientere Verbreitungsform ist die über einen RSS-Feed. Dazu genügt es in der Regel, eine herkömmliche Weblog-Software mit einem zusätzlichen Add-on für die Integration von Audiofiles zu nutzen. Diese produzieren automatisch einen RSS-Feed, welcher Konsumenten, die den Feed abonniert haben, mitteilt, dass neue Inhalte zum Download zur Verfügung stehen.

Das Abonnement läuft über sogenannte Podcatcher, also Werkzeuge zur Aggregation mehrerer Podcasts. Der wohl bekannteste Podcatcher ist iTunes von Apple. Ursprünglich für den Erwerb von Musik im iTunes-Shop gedacht, lassen sich mit diesem auch kostenlose Podcasts abonnieren und verwalten. Andere Lösungen erscheinen für den Einsatz im Unternehmen als geeigneter, da sie frei sind von Werbung und eben einem Musikshop (siehe auch Tabelle Podcast-Clients).
Wichtig bei der Auswahl eines Podcatcher ist neben der Benutzerfreundlichkeit am PC möglicherweise auch die Fähigkeit, Audiodateien mit einem mobilen MP3-Player oder gar dem MP3-fähigen Mobiltelefon zu synchronisieren. Dies ermöglicht es dem Konsumenten, die Podcasts auch unterwegs im Bus oder dem Auto zu hören. Eine Studie von Bridge­Ratings aus dem Jahre 2005 zeigte jedoch, dass mehr als 80 Prozent aller Podcast-Abonnenten die Audiodateien direkt am Computer anhören.




Podcast-Clients


Fazit

Podcasts zu produzieren erfordert heutzutage keine umfangreichen Investitionen in Hard- und Software mehr. Somit sind die Hürden für einen Einstieg gesunken. Trotz allem müssen Unternehmen – abhängig von der gewünschten Qualität des Podcast – speziell für die Vorbereitungs- und Planungsphase Zeit einplanen, die anfangs den zu erwartenden Nutzen übersteigen wird. Mit zunehmender Produktionsroutine jedoch sind mittel- bis langfristig Nutzenvorteile zu erwarten, die sich zum Beispiel positiv auf die Produktivität von Meetings oder Präsenztrainings auswirken können. Dazu eröffnet sich für das Marketing ein interessanter neuer Kommunikationskanal zur Kundenbindung und für das virale Marketing.


Die Podcast-Werkbank


Hardware:

· Besserer MP3-Recorder mit Flash-Speicher und Line-In-Eingang (ca. 200 CHF)

· Mikrofonverstärker zur Verbindung von MP3-Recorder und Mikrofon über den Line-in-Eingang (z.B. MicTube von Maycom für ca. 300 CHF)

· Externes dynamisches oder Kondensatormikrofon (ab 50 CHF aufwärts)



Software:

· Audioeditor (z.B. Audacity, kostenlos)

· Publikationssoftware (diverse Weblog-Softwarelösungen mit Audio-Add-ons, kostenlos)


Der Autor

Florian Heidecke (florian.heidecke@unisg.ch) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) der Universität St. Gallen.




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